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So ist es, ich zu sein: Croupier

Ely Prussin arbeitet schon sein halbes Leben in der Glücksspielindustrie in Las Vegas. Hier erklärt er, was einen guten Croupier ausmacht und warum er selbst nicht mehr spielt

Croupiere

Vegas steht für mich über allem und ganz zweifelsfrei auch über anderen Glücksspielzentren wie Macau. Es wird nie einen vergleichbaren Ort auf der Welt geben. Wir sind das Erwachsenen-Disneyland. Ich arbeite hier im Glücksspiel, seit ich 25 bin. Angefangen habe ich in einem bekannten Hotel, 1996, als Croupier beim Blackjack. Hier in den USA sagen wir „Dealer“ dazu. Ich könnte ein Buch über das Glücksspiel – und was es mit Menschen macht – schreiben. Aber das würde mein Arbeitgeber wohl nicht so gern sehen. Wenige Dealer reden über ihren Job, die Casinos verbieten es sogar. „What happens in Vegas, stays in Vegas“, heißt es ja immer.

Das Casino ist ein geschützter Raum, in dem man in bestimmten Grenzen eskalieren kann, wenn man möchte. Ich bin kein Freund von Moralisten, die verurteilen, wenn Menschen sich im Urlaub mal gehen lassen. Wenn meine Gäste glücklich sind, bin ich es auch.

„Früher hatte ich auch mal ein schlechtes Gewissen, wenn wir auf Kosten einer Sucht Geld verdient haben. Aber das legt man mit den Jahren ab“

Spieler sind sehr unterschiedlich: Die einen wollen reden und Spaß haben, die lassen ihr Geld im Casino, wie andere shoppen gehen. Sie haben ein Limit, setzen nie mehr Geld als geplant. Aber natürlich gibt es auch die unkontrollierten Zocker und Spielsüchtigen. Wir aufseiten der Bank bewerten das nicht: Der Kunde entscheidet. Sicher, früher hatte ich auch mal Mitgefühl, vielleicht sogar ein schlechtes Gewissen, wenn wir gerade auf Kosten einer Sucht Geld verdient haben. Aber das legt man mit den Jahren ab. Wer an Spielsucht leidet, kann sich helfen lassen. Die Casinos informieren über Hilfsangebote, und man kann sich als Spieler selbst sperren lassen.

Gambling ist in erster Linie Entertainment. Wer mit einem Gewinn rechnet, verliert; wer glaubt, eine Glückssträhne zu haben, auch. Man sollte immer nur das Geld ausgeben, das man nicht benötigt, und sich freuen, wenn man mit diesem pocket money gewinnt. Das ist für mich die einzig gesunde Art zu zocken. Die Leute tragen eine Verantwortung, wenn sie sich an den Spieltisch setzen, für sich und oft auch für Angehörige.

Natürlich sieht man in fast 30 Jahren Vegas Menschen, die sich mit Glücksspiel ruinieren. Auch Dealer: Sie sehen, dass jemand bei ihnen hoch gewinnt, und denken nach Feierabend: Das kann ich auch! Und verzocken dann die 500 Dollar, die sie an dem Tag insgesamt als Trinkgeld verdient haben. Für sie ist das enorm viel Geld, für manchen Spieler aber ein Klacks. Neid ist eine ganz schlechte Eigenschaft für einen Croupier. Man muss gönnen können.

Gier ist auch fatal. Es gibt ja nicht nur Spieler, sondern auch Dealer, die betrügen. Indem sie Geld und Chips abzweigen zum Beispiel oder Betrunkene überlisten, die allein nicht mehr klarkommen. Getrickst wird immer. Aber wir zeichnen alles per Video auf, Betrügereien sind schnell aufgedeckt, und mit der Karriere in Vegas ist es dann natürlich vorbei. 

„Es gibt ja nicht nur Spieler, sondern auch Dealer, die betrügen. Getrickst wird immer. Aber wir zeichnen alles per Video auf“

Als Dealer solltest du bescheiden bleiben und einen gesunden Bezug zum Geld behalten. Summen von mehreren Tausend Dollar, die manche Spielerinnen und Spieler in einer Stunde verzocken, verdienst du im Monat. Ein normaler Dealer kriegt in Vegas 100 bis 300 US-Dollar am Tag, zuzüglich Trinkgeld. 

Nach dem Job als Croupier bin ich aufgestiegen: Erst war ich so was wie der Chef der Dealerinnen und Dealer in meinem Casino, heute bin ich Director of Player Development. Ich halte die Spieler bei Laune, ich „locke sie an“, damit sie nach Vegas kommen und bei uns spielen. Dafür planen und organisieren wir ihren kompletten Vegas-Trip, vom Flug über den Golfplatz bis zum Steakhouse. Ich kümmere mich vor allem um die „Highroller“, also Klienten, die mit 5.000 Dollar pro Hand und noch mehr spielen. Die kommen aus allen Himmelsrichtungen, aus Nevada, Kalifornien, Utah, Colorado oder Massachusetts, hier spielt ein ganz buntes amerikanisches Publikum. Die Welt der Spieler fasziniert mich, und das wird sich auch nie ändern. 

Dabei spiele ich selbst überhaupt nicht. Das ist eine Entscheidung, die du als Dealer lieber früh triffst als zu spät. Ich habe bei den frühen eigenen Versuchen gelernt: Du kannst nicht gewinnen, lass es. Seither lebe ich entspannter.

Illustration: Gregory Gilbert-Lodge

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.