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208 Snapchat-Flammen

Lina (16), Vanessa (15) und das Liebesleben ihrer Generation. Teil 1: Im Burger King werden Jungs abgecheckt. Aber mit Bedacht

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Snapchat - Flammen

Es ist kalt. Vanessa ist es trotzdem zu blöd, hier im Burger King ihre Jacke überzuziehen. Könnte ja scheiße aussehen. „Lasst uns doch mal auf der Kegelbahn treffen. Da ist es warm.“

Kurze Diskussion, schnell ist klar: Die Kegelbahn ist raus. Obwohl sie die wichtigsten Kriterien für Lina (16) und Vanessa (15), die ihre richtigen Vornamen und die ihrer Crushes nicht nennen möchten, erfüllt: Keine Erwachsenen, es kann geraucht und gevapt werden.

Lina sagt zu alldem erst mal gar nichts, und wenn sie was sagt, geht ihr Blick rüber zu Anton. Es sind schnelle, verlegene Blicke, ein kurzes Abchecken: Wie reagiert Anton, lacht er auch? Sieht er mich an? Treffen sich ihre Blicke, passiert es: dieses spezielle Grinsen, wie es nur Verliebte grinsen. Hier an diesem Donnerstagabend im Burger King ist es da. Die ganze Zeit.

„Mir ist wichtig, dass es nicht irgendein Verarschen ist“

Seit ein paar Wochen ist Lina klar, dass sie auf Anton steht und nicht nur mit ihm befreundet sein will. „Da geht was. Das sieht man doch“, sagt Vanessa. Geht es nach Linas Snaps, hat Vanessa recht. Nicht sie ist in Linas Snapchat die Nummer eins, sondern Anton (und umgekehrt). Mit keiner anderen Person schickt Lina sich so viele Bilder und Videos. 208 Flammen stehen heute neben seinem Namen. 208 Tage ununterbrochene Kommunikation.

Am Wochenende will sie es wagen und mit Anton knutschen. Ein großer Schritt: „Richtig mit jemanden rumgemacht habe ich noch nie.“ Bei Vanessa ist das anders, aber nach einer schlechten Erfahrung ist sie vorsichtiger geworden: „Er hat Dinge erzählt, die niemanden etwas angehen.“ Intimität ist für die beiden keine schnelle Nummer mit irgendwem. Die meisten in der Clique hätten noch nicht viele Erfahrungen, aber eine Vorstellung, was sie wollen. „Mir ist wichtig, dass es nicht irgendein Verarschen ist und die Person vorher mal drüber nachgedacht hat, ob man jetzt was mit mir haben möchte“, sagt Vanessa. Eine Beziehung hätten beide gerne. Sie sind sich einig: „Wenn man in jemanden verliebt ist, will man die Person ja schon für sich haben. Also dass sie mit keiner anderen was hat.“

Linas und Vanessas Einstellungen spiegeln sich in Studien wider. In einer der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung von 2019 heißt es, dass die meisten Jugendlichen heterosexuell sind. Neun Prozent der 14- bis 25-Jährigen beschrieben sich als nicht ausschließlich hetero. Die Studie widerlegt auch die Annahme, dass Jugendliche immer früher Sex hätten: Der Anteil der 16-Jährigen, die schon Sex hatten, ist von 39 (2014) auf 35 Prozent gesunken. Die Mehrheit der befragten Jugendlichen fühlte sich zu jung für Sex oder suchte die oder den Richtigen.

Dieser Text ist im fluter Nr. 89 „Liebe“ erschienen

Den hat auch Vanessa noch nicht gefunden, trotz Matteo. Seitdem er auf seinem E-Scooter mit großer Geste und viel „Digga, was geht“, „Digga, fick dich“ im Burger King erschienen ist, ist Vanessa sichtlich angespannter. Seit vorletztem Sommer haben sie und Matteo immer mal wieder was. Aber nicht ausschließlich miteinander.

„Ich habe eben Erik an der Ampel getroffen. Das war so peinlich.“ Kaum hat Vanessa das gesagt, schaut Matteo von seinem Handy hoch. „Ach was, der schöne Erik.“ Matteo ist getriggert, Vanessas Ziel erreicht. Dabei will sie gar nicht so richtig was von Erik: zu schön, zu beliebt. „Der hat für mich Celebrity-Status. Da schwärme ich nur.“

Wie es weitergeht? Das lest ihr in Teil 2.

Illustration: Renke Brandt

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.