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Brenzliger Businessplan

Waldbrände vernichten in Kalifornien regelmäßig ganze Landstriche. Nun wollen Start-ups helfen

  • 6 Min.
Waldbrände

Wer dieser Tage durch Kalifornien fährt, sieht das Drama mit dem bloßen Auge: Am berühmten Highway 1, am Yosemite-Nationalpark und vielen anderen Orten ragen dürre schwarze Baumstämme in den Himmel. Hinter jeder Kurve kann eine atemberaubende Aussicht lauern – oder eine unwirkliche, verkohlte Landschaft. Kalifornien steht für die Verheißung des amerikanischen Traums. Heute illustriert der Bundesstaat aber auch, wie hart die USA von den Auswirkungen des Klimawandels getroffen werden.

Die Waldbrände dieses und des vergangenen Jahres gehören zu den schlimmsten, die jemals in Kalifornien gewütet haben. Mindestens 36 Menschen kamen in mehr als 18.000 Feuern ums Leben, zahllose Gebäude und Dörfer wurden vollständig zerstört, neun der 20 größten kalifornischen Waldbrände seit Beginn der regelmäßigen Wetteraufzeichnungen ereigneten sich zwischen Januar 2020 und August 2021.

Hängen zusammen: schmelzende Arktis und Waldbrände

Der Zusammenhang zwischen den Feuerwalzen und dem Klimawandel wurd wissenschaftlich wiederholt belegt. Zuletzt durch eine Studie des Pacific Northwest National Laboratory, veröffentlicht im Fachmagazin „Nature Communications“. Ein Team von Forschenden konnte nachweisen, dass die extreme Trockenheit im Westen der USA mit dem Eisschwund in der Tausende Kilometer entfernten Arktis zusammenhängt. Vereinfacht gesagt: Weil in bestimmten Gebieten heute statt heller Eisflächen dunkles Meerwasser dominiert, zirkuliert die Luft anders. Hochdruckgebiete breiten sich häufiger aus und begünstigen Trockenheit und Dürre, was wiederum zu Großbränden führt. Das gefährdet nicht nur Anwohner, sondern zuallererst die Natur. 

Charlie Crocker
Gründer Charlie Crocker wird meist erst dann konsultiert, wenn das Unglück schon geschehen ist

Zuletzt meldete die Nationalpark-Verwaltung, dass in diesem Jahr bereits etwa 3.600 Mammutbäume vernichtet oder irreparabel beschädigt worden sind. Zusammen mit den bis zu 10.400 im Jahr 2020 verbrannten Exemplaren macht das rund fünf Prozent der gesamten Bestände der weltweit größten Baumart aus.

Nun ist Kalifornien aber nicht nur für Waldbrände bekannt, sondern auch für seine vielen Start-ups. Manche von ihnen suchen Lösungen für die Großkrise. Die Firma Homebound zum Beispiel will Menschen beim Wiederaufbau ihrer Häuser helfen, indem sie ein Onlineportal entwickelt hat, das technische und bürokratische Hürden schneller abwickeln soll. Andere Firmen konzentrieren sich auf spezialisierte Wetterprognosen – und manche wollen durch effektivere Evakuierungen Menschen retten.

„Wenn es nachts in einer Kleinstadt mit mehreren Seniorenheimen brennt, ist die Situation natürlich eine andere, als wenn ein Industriegebiet betroffen ist“

An einem grauen Herbsttag stößt Charlie Crocker die Tür zu einem Besprechungszimmer auf. Draußen, vor dem schmucklosen Gewerbebau unweit San Diegos, hat der Herbst Regen gebracht und so die Feuersaison abgeschwächt. Drinnen projiziert Crocker Landkarten auf eine Wand. „Bisher werden von Waldbränden betroffene Gemeinden oft evakuiert, indem sich Feuerwehrleute über Karten beugen, die auf dem Kühlergrill ihres Autos liegen“, sagt Crocker. Und deutet auf eine Karte, die Kalifornien in viele kleine Gebiete zerlegt, die alle verschiedene Siedlungsstrukturen, Baumbestände und Straßennetze aufweisen.

Zonehaven heißt Crockers Firma. Sie will mithilfe von Wetterdaten, Windrichtungen, topografischen und soziodemografischen Besonderheiten vorhersagen, welches Gebiet wann evakuiert werden muss. Eine komplexe Aufgabe, erklärt Crocker. „Wenn es nachts in einer Kleinstadt mit mehreren Seniorenheimen brennt, ist die Situation natürlich eine andere, als wenn ein Industriegebiet betroffen ist, in dem niemand übernachtet.“

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Zonehaven
Das Programm vergleicht u.a. Wetterdaten, Windrichtungen und Bebauungspläne, um zu errechnen, welches Gebiet wann evakuiert werden muss

Wenn Charlie Crocker so voller Energie auf Karten deutet, in seinen Laptop tippt und sehr bestimmt darüber redet, wie viele Menschenleben durch Zonehaven gerettet werden können, ist man leicht geneigt, ihm zu glauben. Es sei aber schwer, Gemeindevertreterinnen oder Bürgermeister von seinem Produkt zu überzeugen. Oft fehle es lokalen Entscheidungsträgern schlicht an finanziellen Mitteln, erklärt Crocker. Natürlich kostet die Kartierung durch Zonehaven Geld. „Die Leute kommen erst zu uns, wenn das Unglück schon geschehen ist.“

So sei ein schweres Feuerunglück auch der Moment gewesen, der zur Gründung seiner Firma geführt habe: 2018 starben im „Butte County Camp Fire“ 86 Menschen. Viele von ihnen kamen schlichtweg nicht schnell genug weg, weil Fluchtrouten nicht frei waren. Mittlerweile würden 13 Landkreise in Kalifornien Zonehaven benutzen, um künftig sowohl bei Feuerstürmen als auch bei anderen Naturkatastrophen effektiver evakuieren zu können.

Ein Münchner Start-up erkennt Waldbrände per Satellit 

Nicht nur Experten aus den USA erwarten, dass Waldbrände in Zukunft weiter zunehmen. Kai Fabian Fürstenberg, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen, beschäftigt sich hauptberuflich damit. „Wir behandeln zwar die Folgen des Klimawandels und können diese im Bereich Vegetationsbrand mit unseren Maßnahmen sogar abmildern“, erklärt er. „Trotzdem ist leider in den kommenden Jahrzehnten eher mit einer weiteren Verschlechterung zu rechnen.“ Nur wenn alle Maßnahmen zum Klimaschutz, die derzeit in Deutschland diskutiert würden, auch umgesetzt werden, seien „kalifornische Verhältnisse“ noch zu verhindern. Selbst vermeintlich gute Voraussetzungen, wie etwa ein regenreicher Monat, könnten manchmal kontraproduktiv sein. „Es entsteht ein Teufelskreislauf. Mehr Regen bedeutet mehr Vegetation. In der nächsten Trockenperiode gibt es also mehr Brennstoff.“

Die Grundlagenforschung werde hierzulande stark staatlich finanziert, sagt Fürstenberg. Dabei seien privatwirtschaftliche Initiativen auch in Deutschland wichtig. Unter denen machte zuletzt das Münchener Start-up OroraTech von sich reden: Das Unternehmen erkennt Waldbrände per Satellit und will so die Löscharbeiten erleichtern. Wie dringend nötig Investitionen in den Katastrophenschutz von Kalifornien bis Deutschland sind, hat dieses Jahr die verhängnisvolle Flut in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gezeigt. Obwohl vor den Wassermassen gewarnt wurde, starben mehr als 180 Menschen. Bei Wuppertal läutete tatsächlich noch ein Mönch eine Glocke, um Anwohnerinnen und Anwohner zu warnen.

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.