Thema – Klimawandel

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Da brennt’s

Der Klimawandel bringt nicht nur Naturkatastrophen, sondern auch bewaffnete Konflikte. Ein Blick in fünf Regionen (Ja, Europa ist auch dabei)

Wer wird denn gleich von Krieg sprechen? Überschwemmungen hier, Dürren dort, Konflikte um knappe Ressourcen wie Wasser oder Ackerland: Die Annahme, dass die Klimakrise auch zu bewaffneten Konflikten beiträgt, ist naheliegend. Nur sind die Zusammenhänge dabei oft zu komplex, um von eindeutigen „Klimakriegen“ zu sprechen. Fest steht aber: Der Klimawandel verstärkt das Risiko für Konflikte in Regionen, die ohnehin politisch oder wirtschaftlich instabil sind. Wir haben uns fünf Beispiele genauer angeschaut.

Klimakonflikte in der Sahelzone

Die Sahelzone ist oft das erste Beispiel für klimabedingte Konflikte. Sie erstreckt sich südlich der Sahara über die gesamte Breite des afrikanischen Kontinents und ist bekannt für Dürren und Hungersnöte. Sieben Staaten ragen in die Sahelzone hinein. Darunter Mali und der Sudan, über die man in den deutschen Medien vor allem Schreckensnachrichten hört: In der sudanesischen Region Darfur herrschte fast zwei Jahrzehnte lang ein bewaffneter Konflikt zwischen Rebellengruppen und der Armee der Regierung, über 2,5 Millionen Menschen wurden vertrieben. Trotz neuer Regierung und Friedensvertrag kam es auch Anfang 2021 wieder zu Gewalt.

Alexander De Juan, heute Professor an der Universität Osnabrück, hat untersucht, wie Umweltbedingungen den Konflikt beeinflusst haben. Sein Ergebnis: Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen der Wahrscheinlichkeit und Intensität von Gewaltausbrüchen und der Verfügbarkeit von Wasser und fruchtbarem Land. Sind Wasser und Ackerland knapp, fliehen oder migrieren Menschen – womit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass verschiedene ethnische Gruppen aufeinandertreffen und um Ressourcen konkurrieren. Dieses Muster lässt sich auch in Mali beobachten, wo zuletzt der Konflikt zwischen den halbnomadischen Fulani und den Bauern der Dogon eskalierte. Auch weil beide Gruppen ihre langjährigen Routen und Routinen an klimatische Veränderungen anpassen mussten.

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Syrien

2011 brach in Syrien ein Bürgerkrieg aus, dem eine vierjährige Extremdürre vorausging. Geringe Niederschlagsmengen, schlechtes Management und ein Schadpilz führten zu großen Ernteeinbußen, die Landwirte flüchteten in die großen Städte des Landes. Dort fanden sie oft nur Feindseligkeit und die Arbeitslosigkeit. Der Unmut der Landwirte trug zur allgemeinen Unzufriedenheit mit dem regierenden Assad-Regime bei – und brachte immer mehr Menschen auf die Straße. Bis die Demonstrationen im Sommer 2011 in einen gewaltvollen Bürgerkrieg umschlugen.

Um dem Klimawandel eine Mitschuld an der Situation in Syrien zu geben, fehlt vielen ein klarer Beweis, dass die Dürreperiode tatsächlich eine Folge des Klimawandels war. Den versuchten Wissenschaftler der University of California und der Columbia University zu erbringen.

Aufgrund verschiedener Daten und Klimamodellberechnungen gehen sie davon aus, dass der menschengemachte Klimawandel die Dürre zwei- bis dreimal wahrscheinlicher gemacht hat.

Himalaya

Viele Konflikte entzünden sich am Thema Wasser. Zum Beispiel im Himalaya: Im Gebirge entspringen Flüsse, die Milliarden Menschen in Asien mit Wasser versorgen. Einer ist der Brahmaputra. Er entspringt in Tibet, das aus Sicht der chinesischen Regierung zu China gehört, und fließt durch Indien und Bangladesch. Nun befürchten beide Länder, China könne ihnen das Wasser abdrehen. Die Volksrepublik plant einen riesigen Staudamm im tibetanischen Hochplateau. Bis zu 60 Gigawatt Energie sollen dort laut chinesischen Staatsmedien durch Wasserkraft erzeugt werden – womit in Tibet das leistungsstärkste Wasserkraftwerk der Welt stünde und ein zentraler Baustein in Chinas Plan, mit erneuerbaren Energien bis 2060 klimaneutral zu werden.

Gleichzeitig wäre der Staudamm auch ein diplomatisches Instrument: China würde den Weiterfluss nach Indien und Bangladesch kontrollieren. Und so im schlimmsten Fall sowohl für Wasserknappheit als auch für Überflutungen am Unterlauf des Flusses sorgen. Der indische Sicherheitsexperte S. P. Sinha sieht das als reale Bedrohung. In einem Interview mit dem Fernsehsender India Today sprach er von einer „gefährlichen Waffe, die China zu jeder Zeit einsetzen kann“.

Der geplante Staudamm belastet das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen den zwei Atommächten China und Indien. Erst im vergangenen Sommer waren Grenzstreitigkeiten im Hochgebirge von Ladakh eskaliert, bei denen es unter anderem um Wasser ging. Dabei starben mindestens 20 Soldaten.

Nordpolarmeer/Arktis

In der Arktis legt die Erderwärmung Ressourcen frei – und damit Geld und Konfliktpotenzial. Die Region ist reich an Rohstoffen wie Erdöl, Erdgas und zahlreichen Mineralien. Laut dem Geologischen Dienst der USA sind rund 22 Prozent der noch unentdeckten, technisch förderbaren Öl- und Gasressourcen der Welt in der Arktis zu finden. Je mehr Eis dort durch den Klimawandel abschmilzt, desto leichter lassen sich die Rohstoffe erschließen. Die acht Staaten des Arktischen Rats, USA, Kanada, Russland, Island, Norwegen, Dänemark, Schweden und Finnland, warten schon länger darauf, teilweise wird auch schon gefördert. Aber auch Deutschland sieht genau hin: Die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) unternimmt regelmäßig Expeditionen in die Arktis, um deren Rohstoffpotenziale zu bewerten. Gleichzeitig heißt es in den Leitlinien deutscher Arktispolitik (zum PDF): „Mehrere Staaten sichern ihre Interessen in der Arktis zunehmend auch militärisch ab. Dies könnte zu einer Rüstungsspirale führen.“

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Wem die Landflächen in der Arktis gehören, ist bis auf wenige kleine Inseln geklärt. Die Nutzung des Meeres(bodens) ist über das Seerechtsübereinkommen der UN geregelt: Was jenseits nationaler Hoheitsgebiete liegt, genießt als „gemeinsames Erbe der Menschheit“ besonderen Status und Schutz. Trotzdem befestigte Russland 2007 demonstrativ eine Nationalflagge aus Titan auf dem Meeresboden, mittlerweile sind russische Luftabwehrraketen in der Arktis stationiert. Aufgrund der geostrategischen Bedeutung versuchte der ehemalige US-Präsident Donald Trump 2019 vergeblich, den Dänen Grönland abzukaufen.

Und Europa?

Gibt es auch in Europa Konflikte, die durch die Klimakrise verschärft werden? „Zumindest keine bewaffneten Auseinandersetzungen, wie wir sie aus anderen Weltregionen kennen“, sagt Lukas Rüttinger, Politologe im Thinktank adelphi.

Das liege vor allem an Europas Resilienz, also der Fähigkeit, mit Wasserknappheit, Dürren oder anderen klimabedingten Katastrophen friedlich umzugehen. Länder mit stabilen Wirtschaften und stabilen Regierungen seien da besser aufgestellt, sagt Rüttinger.

Andererseits könnte man die These aufstellen, dass die Klimakrise auch in Europa Opfer fordert: Laut Statista sind bislang mehr als 20.000 Geflüchtete im Mittelmeer ertrunken. Die Ursache ihrer Flucht ist natürlich nicht bei allen bekannt, und bei der Migration greifen immer verschiedene Motive und Zwänge ineinander. Aber: Der Klimawandel führt häufig zu lebensbedrohlichen Extremwetterereignissen, zerstört Ernten oder verknappt Ressourcen, und schon jetzt fliehen mehr Menschen vor Klimafolgen als vor Kriegen. Die Vereinten Nationen befürchten, dass bis 2050 weltweit mehr als 200 Millionen Menschen infolge des Klimawandels aus ihrer Heimat vertrieben werden. Das wird – auch wenn Klimamigration vor allem innerhalb von Landesgrenzen oder in angrenzende Länder führt – bald auch Europa noch stärker spüren.

Titelbild links: Sudanesische Regierungstruppen haben das Dorf Um Zaifa in Darfur fast vollständig zerstört (Brian Steidle/Polaris/laif). Rechts: ein Angriff arabischer Nomaden auf Bandikao im Tschad, wo Millionen Menschen um das knapper werdende Wasser des Tschad-Sees konkurrieren (Kadir van Lohuizen/laif).

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