Er sei „die beinahe einzige Tradition“ der russischen Literatur, schrieb der Philologe Boris Eichenbaum über Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799–1837). Kein anderer russischer Autor hatte je einen vergleichbaren Einfluss. Ein Meister der lakonischen Verknappung, entwickelte Puschkin eine deutlich modernisierte Literatursprache. Er bezog die russische Umgangssprache in seine Werke mit ein, popularisierte den Gebrauch von Prosa und ebnete damit den Weg zu den großen realistischen Romanen des 19. Jahrhunderts.


 

In Westeuropa ist Puschkin nie auch nur annähernd so bekannt geworden wie etwa Dostojewski oder Tolstoi. Das hängt auch damit zusammen, dass etliche seiner wichtigsten Werke in Versform verfasst und damit ungleich schwerer zu übersetzen sind als Prosa. Darunter auch der berühmte Versroman „Eugen Onegin“, der von einer unerfüllten Liebe, einem tragischen Duelltod und dem Leben auf dem Lande handelt – und nebenbei viele geistreiche Spötteleien über die Gesellschaft der damaligen Hauptstadt Sankt Petersburg enthält.Zu Puschkins charakteristischen Stilmitteln gehörten auch Ironie und Satire. So populär er damit bei großen Teilen der lesenden Bevölkerung wurde, machte er sich doch auch viele – und wichtige – Feinde. Verleumdungen und Intrigen bei Hofe führten dazu, dass Puschkin jahrelang in der Verbannung leben musste, unter anderem im Kaukasus und auf der Krim.

Obgleich Puschkin in seiner späteren Schaffensperiode vermehrt Prosa schrieb und dieser Gattung damit den für die russische Literaturszene entscheidenden Aufschwung verschaffte, sollte er nicht mehr dazu kommen, selbst einen jener großen Romane zu verfassen, mit denen die russische Literatur des 19. Jahrhunderts allgemein verbunden wird. Er starb zu jung. Ein Offizier hatte Puschkins junger Frau Natalja so dreist in aller Öffentlichkeit den Hof gemacht, dass dem Dichter nichts anderes übrig blieb, als darauf in aller Schärfe zu reagieren.

Es kam zum Duell. Puschkin trug einen schmerzhaften Bauchschuss davon, an dem er zwei Tage später starb. Er wurde nur 37 Jahre alt.

Mehr aus der Reihe „Mitreden, obwohl ich das Buch nicht gelesen habe“:

Teil 1: Alexander Puschkin – der Nationaldichter
Teil 2: Nikolai Gogol – der Surreale
Teil 3: Fjodor Dostojewski – der Spieler
Teil 4: Lew Tolstoi – der Graf
Teil 5: Anton Tschechow – der Menschenfreund