Thema – Klimawandel

Suchen Newsletter ABO Mediathek

Paket oder Päckchen?

Die Bundesregierung hat sich mühsam auf ein Klimapaket geeinigt. Das Wichtigste in drei Fragen

Zehntausende gingen am vergangenen Freitag in Deutschland für den Klimaschutz auf die Straße. Derweil rang sich im Bundeskanzleramt das Klimakabinett übernächtigt zu einem Klimapaket durch. Die Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass Deutschland seine Klimaschutzpläne einhält und die Treibhausgasemissionen bis 2050 um bis zu 95 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert.

Kleinteilig und kein großer Wurf, kritisieren Umweltverbände und der Bundesverband der Deutschen Industrie. Immerhin ein guter Anfang, meinen andere wirtschaftsnahe Organisationen. Die Bundesregierung verteidigt das Ergebnis als Kompromiss zwischen widerstreitenden extremen Kräften: „Politik ist das, was möglich ist“, sagte Angela Merkel bei der Vorstellung des Klimapakets.

Was wurde vereinbart?

CO-Preis

Das zentrale Instrument des Klimapaketes ist, dass Kohlendioxid ab 2021 einen Preis bekommt. Jede Tonne, die aus einem Auto oder einer Fabrik entweicht, kostet dann zunächst zehn Euro. Das sind umgerechnet ungefähr 3 Cent je Liter Kraftstoff – genauer: Diesel, Benzin, Erdgas und Heizöl. Wer das Klima belastet, soll dafür also mehr bezahlen. Bis 2025 soll der Preis bis auf 35 Euro angehoben werden. Das soll einen Anreiz für saubere Technologien wie Elektrofahrzeuge oder moderne Heizungssysteme setzen.

Die Bundesregierung hat im März 2019 das Klimakabinett eingesetzt, das gewährleisten soll, dass Deutschland seine Klimaziele für 2030 beziehungsweise 2050 einhält. Der Ausschuss besteht aus der Bundeskanzlerin und den Ministerinnen und Ministern für Verkehr, Umwelt, Finanzen, Wirtschaft, Bau und Landwirtschaft. Auch der Kanzleramtschef und der Regierungssprecher gehören dazu. Die deutschen Klimaziele beziehen sich auf das Pariser Abkommen aus dem Jahr 2015. Bei der UN-Weltklimakonferenz in der französischen Hauptstadt verpflichteten sich die Vertragsstaaten vor vier Jahren völkerrechtlich bindend dazu, den „Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau“ zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.

Autos, Bahn und Co.

Da die Emissionen im Bereich Verkehr einen erheblichen Anteil am gesamten Treibhausgasausstoß haben, zielt eine Reihe von Maßnahmen auf diesen Sektor: Elektrofahrzeuge werden noch stärker als bisher steuerlich begünstigt. Die Ladesäuleninfrastruktur wird bis 2030 auf eine Million Stationen aufgestockt. Bahnfahren wird billiger, weil der Mehrwertsteuersatz für die Tickets sinkt. Das klimaschädliche Fliegen soll indes über eine höhere Luftverkehrsteuer teurer werden.

Gebäude und Energie

Im Bereich der Gebäude wird die Sanierung steuerlich stärker gefördert, da dieser Sektor einen Anteil von 14 Prozent an den CO₂-Emissionen hat. Der Austausch alter Ölheizungen wird ebenfalls gefördert; ab 2026 dürfen keine Ölheizungen mehr verbaut werden.

Die erneuerbaren Energien sollen bis 2030 auf einen Anteil von 65 Prozent am Stromverbrauch ausgebaut werden. In ihrem Klimaprogramm bekräftigt die Bundesregierung nochmals den Beschluss zum Kohleausstieg bis 2038.

Entlastungen

 

Flankiert wird diese Neuerung vor allem von einem Finanzpaket in Höhe von über 50 Milliarden Euro. „Um soziale Härten zu vermeiden“, wie Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier erläuterte, bekommen beispielsweise Pendler ab dem 21. Kilometer ab 2021 fünf Cent je Kilometer mehr. Eine geringere Ökostromabgabe soll dafür sorgen, dass der Strompreis sinkt.

Wie hat sich der Ausstoß von Treibhausgasen in Deutschland seit 1990 entwickelt?

Quelle: UBA

Die deutschen Treibhausgas-Emissionen sind zwischen 1990 und 2018 um rund 31 % gesunken. Bis 2020 sollen sie um mindestens 40 % und bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber den Emissionen von 1990 zurückgehen, so sieht es der „Klimaschutzplan 2050“ der Bundesregierung vor. Mitte des Jahrhunderts soll Deutschland „weitgehend treibhausneutral“ sein, also keine Treibhausgase verursachen bzw. alle Emissionen vollständig kompensieren können.

Wie waren die Reaktionen?

Ganz und gar erfreut zeigte sich vor allem eine: Die Deutsche Bahn darf bis 2030 mit 20 Milliarden Euro zusätzlich rechnen. Es handle sich um „das größte Investitions- und Wachstumsprogramm in der über 180-jährigen Bahngeschichte“, hieß es aus dem Unternehmen. Die Senkung der Mehrwertsteuer für Bahntickets von 19 auf 7 Prozent wolle man direkt an die Kunden weitergeben.

Von anderen Seiten wurde die Bundesregierung für das Paket kritisiert. Das Umweltbundesamt, eine staatliche Bundesoberbehörde, erwartet, dass die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens mit dem Paket verfehlt werden. Greenpeace mutmaßt, dass Deutschland die im Pariser Klimaabkommen vereinbarten Ziele „krachend verfehlen“ werde.

Viele Kritiker erachten den Einstiegspreis für eine Tonne CO₂ als zu gering. Das Verhalten der Verbraucher ändere man dadurch nicht, sagte etwa Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Wissenschaftler hatten für einen Preis von mindestens 40 Euro je Tonne plädiert. Eine vergleichbare Abgabe gibt es bereits in mehreren europäischen Ländern, der Preis variiert jedoch enorm: In Polen liegt der Tonnenpreis für CO₂ derzeit bei umgerechnet 7 Cent, in Frankreich bei 44,50 Euro und in Schweden bei 115 Euro. Kritisiert wird auch, dass die Maßnahmen sozial ungerecht seien, weil von Entlastungen wie der Pendlerpauschale Geringverdiener nicht profitieren.

Moderater fällt das Urteil von Wirtschaftsvertretern aus. Der Bundesverband der Deutschen Industrie sprach von einer „wichtigen Weichenstellung“, aber „keinem großen Wurf“. Nun warte man auf die konkrete Umsetzung.

Die sieht unter anderem ein regelmäßiges Monitoring vor. Das Klimakabinett der Bundesregierung soll jährlich prüfen, wie wirksam die Maßnahmen in den verschiedenen Bereichen (etwa Verkehr, Gebäude, Industrie) sind. Gegebenenfalls müssen die zuständigen Ministerien ein „Sofortprogramm zur Nachsteuerung“ vorlegen. Das finden sogar viele Kritiker des Klimapakets gut.

Wie geht es jetzt weiter?

Das Klimapaket bildet die Grundlage für das „Klimaschutzprogramm 2030“, das in den kommenden Wochen von der Bundesregierung fertiggestellt wird. Das Programm soll dann von Bundestag und Bundesrat in Gesetze gegossen werden und noch in diesem Jahr in Kraft treten. Im Bundesrat ist die Große Koalition allerdings auf die Zustimmung von Oppositionsparteien angewiesen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel reiste am Sonntag mit den Beschlüssen des Klimakabinetts im Gepäck zur UN-Klimakonferenz nach New York. Dort kündigte sie den Staats- und Regierungschefs an, dass Deutschland 2050 klimaneutral sein werde – mithilfe der Maßnahmen, die das Klimapaket vorsieht.

Foto: Murat Tueremis/laif

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.