Mitten in der Nacht geht plötzlich das Licht an. Ich denke zuerst, dass es meine Tochter ist, die häufiger nachts zu mir kommt, um in meinem Bett weiterzuschlafen. Ich habe ein Hochbett und so kann ich die Szenerie nicht sofort überblicken. Es passiert sowieso alles sehr schnell. Ich höre, wie eine Schublade aufgeht, gucke runter und sehe einen großen Mann. Für einen Augenblick bin ich wie gelähmt, habe keine Ahnung, was ich machen soll. Meine Gedanken kreisen um meine Tochter. Ich weiß nicht, ob der Mann alleine ist. Ich fange an zu schreien. Er bleibt noch eine Sekunde stehen. Dann sagt er etwas wie „Entschuldigung“, dreht sich um und rennt weg.

Im Jahr 2016 gab es in Deutschland der offiziellen Polizeilichen Kriminalstatistik zufolge 151.265 Einbrüche. Das sind fast 10 Prozent weniger als 2015. Damit ist die Zahl der Einbrüche zum ersten Mal seit 2008 zurückgegangen. Ein Blick auf die Langzeitstatistik verdeutlicht aber: Vor zehn Jahren wurde etwa ein Drittel weniger Einbrüche als heute gemeldet. 2016 war der Rückgang vor allem in Nordrhein-Westfalen, Hamburg, dem Saarland und Hessen besonders stark. Mehr Einbrüche als 2015 gab es im Jahr 2016 dagegen in Sachsen-Anhalt und Sachsen.
Verbessert hat sich die Aufklärungsquote: von 15,2 auf 16,9 Prozent. Zum Vergleich: Bei Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen liegt die Aufklärungsquote bei fast 95 Prozent.

 

Ich laufe ins Zimmer meiner Tochter, die von alldem nichts mitbekommen hat und friedlich schläft. Dann gehe ich in die Küche und sehe, dass das Fenster offen steht. Ich kehre in mein Zimmer zurück und rufe die Polizei.

Die Beamten sind sehr schnell da, fragen kurz, ob alles okay ist, und fahren dann sofort in die Richtung, in die der Einbrecher gelaufen sein muss. Sie sagen mir noch, dass gleich ihre Kollegen von der Kripo eintreffen.

„Für einen Augenblick bin ich wie gelähmt“

In der Zeit, in der die ersten Polizisten weg, aber die anderen noch nicht da sind, bekomme ich Panik. Ich kann es nicht fassen, dass ich nicht eher bemerkt habe, dass jemand in der Wohnung ist. Ich wohne im Erdgeschoss und weiß, dass ich die Fenster eigentlich alle komplett schließen muss. Aber in dieser Nacht habe ich das Fenster in der Küche gekippt gelassen, weil es viel zu stickig in der Wohnung war.

Ein Einbrecher steigt durchs Fenster

Will ein Täter unbedingt in eine Wohnung, hält ihn selbst ein geschlossenes Fenster nicht auf. Glasscheiben einzuschlagen und groß Lärm zu machen, gehört aber nicht zu den beliebtesten Praktiken. Deshalb: Fenster zu!

 

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter bezeichnet Deutschland als „Paradies für Einbrecher“. Wegen lascher privater Sicherheitsmaßnahmen und zahlreicher reisender Banden, die für Einbruchserien ins Land kommen und anschließend rasch verschwinden, sehen Sicherheitsexperten die Lage weiterhin sehr kritisch. Deshalb wird immer wieder eine bessere Zusammenarbeit von EU-Staaten gefordert, um effektiver gegen solche Banden vorgehen zu können. In anderen mitteleuropäischen Ländern, etwa in Frankreich, stellt sich die Lage ähnlich wie in Deutschland dar. 

Heute kriege ich auch bei komplett geöffnetem Fenster keine Luft, weil ich daran denke, dass jemand in der Wohnung war und in welcher Gefahr meine Tochter und ich gewesen sind. Der Einbrecher muss durch das gekippte Fenster gegriffen und es einfach geöffnet haben. Ich bin unsicher, ob ich in diesem Augenblick wütender auf den Einbrecher bin oder auf mich selbst, da ich das Fenster nicht völlig geschlossen hatte.

Ich gehe durch die Wohnung und bemerke erst jetzt, dass meine Handtasche verschwunden ist. Darin waren viele Sachen, vor allem aber mein Portemonnaie – und mein Tagebuch. Ich bin in diesem Moment einfach nur fertig, fange an zu weinen. Ich rufe eine Freundin an und bitte sie zu kommen. Sie verspricht, gleich da zu sein.

„In diesem Moment fühle ich mich komplett hilflos, als würde ich keine Kontrolle mehr über mein eigenes Leben haben“

Ich bin froh, als dann die Kripo auftaucht. Die beiden Polizisten sind sehr ruhig und gefasst, das überträgt sich irgendwann auch auf mich. Während ein Beamter meine Aussage aufnimmt, kümmert sich sein Kollege um die Fingerabdrücke, verteilt Schwarzpulver dort, wo er welche vermutet. Ich muss wieder daran denken, dass mein Portemonnaie und mein Tagebuch weg sind, und mir kommen erneut Tränen. Als ich wieder ruhig bin, versuche ich den Täter zu beschreiben und stelle fest, dass ich kaum Details nennen kann. Ein großer Typ in dunkler Kleidung. Aber es ging eben alles sehr schnell. In diesem Moment fühle ich mich komplett hilflos, als würde ich keine Kontrolle mehr über mein eigenes Leben haben. Die Polizisten erzählen, dass in meiner Gegend im Südosten Berlins häufiger eingebrochen wird, auch der Einbruch bei mir ist Teil einer Serie, wie ich später erfahre. Das macht es für mich persönlich aber natürlich auch nicht besser.

Als die Polizei weg ist, bin ich zum Glück nicht alleine. Meine Freundin ist da und tröstet mich. Später in dieser Nacht kann ich nicht schlafen, wir gehen alle gemeinsam spazieren. Wir laufen durch den nahen Park und sehen plötzlich Polizisten einen Jungen in einem Kapuzenpulli verfolgen. Es sind dieselben Polizisten, die bei mir gewesen waren. Aber der Junge ist nicht der Einbrecher, da bin ich mir sicher. Als die Polizisten zurückkommen, fragen sie mich und ich sage ihnen, dass er nicht der Einbrecher ist.

Es hat danach lange gedauert, bis ich mich in meinem Viertel und meiner Wohnung wieder wohlfühlen konnte. Aber wegen des Einbruchs wegziehen will ich nicht.

Fotos: Jan Q. Maschinski