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So ein Gekrakel

Der Krake ist die Intelligenzbestie unter  den Tieren 

  • 2 Min.
Illustration: Frank Höhne

„Release the Kraken!“ Im Film „Kampf der Titanen“ ruft Liam Neeson als Zeus mit großer Geste das mächtigste Tiefseemonster von allen herbei. Die Szene wurde zu einem Meme im Netz. Aber auch ohne Internet wurde das dunkel-apokalyptische Gedicht „The Kraken“ des englischen Dichters Alfred Tennyson schon 1830 international berühmt. Kraken machen Eindruck. Allerdings ist das englische Wort „Kraken“ keine biologische Bezeichnung für eine Tierart wie im Deutschen, sondern meint eine rein mythologische Kreatur, ein Seeungeheuer, wie es zuerst wohl in mittelalterlichen skandinavischen Sagen beschrieben wurde. Seither tobt der mythische Fantasiekrake in Dichtung, Literatur, Malerei, Film und Comics durch die Jahrhunderte.

Zahlreiche erstaunlich erfinderische Ausbrüche aus Aquarien sind weltweit dokumentiert

Echte, lebendige Kraken, die zu den achtarmigen Tintenfischen gehören, fänden die Aufforderung „Release the Kraken!“ sicher begrüßenswert, denn offenbar leben sie nicht gern in Gefangenschaft. Zahlreiche erstaunlich erfinderische Ausbrüche aus Aquarien sind weltweit dokumentiert. Kraken besitzen keinerlei Knochen, sodass sie sich durch kleinste Öffnungen quetschen können, außerdem sind sie stark und können sogar Deckel von Aquarien anheben. Vor allem aber sind sie bemerkenswert intelligent und offenbar fähig zu gezielten Sabotageakten. Dass Kraken mit ihren Armen die Pumpen verstopfen und Aquarien so zum Überlaufen bringen, ist häufiges Thema in Internetforen, in denen Tintenfischhalter sich austauschen.

Im Sea Star Aquarium in Coburg hat ein Krake Steine von innen gegen das Glas geschlagen und wiederholt Kurzschlüsse ausgelöst, indem er vom Beckenrand aus Wasserfontänen gegen Lampen im Raum spritzte. Kein Einzelfall: Aus Neuseeland ist ein nahezu identischer Fall dokumentiert. Kraken mögen kein helles Licht, und diese beiden haben es kurzerhand ausgeschaltet.

Die Intelligenz der Kraken ist an sich schon eine Laune der Evolution, denn andere Weichtiere wie Schnecken und Muscheln haben in kognitiver Hinsicht nur wenig zu bieten. Der letzte gemeinsame Vorfahre von Kraken und Menschen war wohl irgendein namenloser Wurm vor 600 Millionen Jahren. Ihre Intelligenz hat sich damit auf ganz anderen evolutionären Pfaden entwickelt als die der Wirbeltiere und ist deshalb für uns viel unverständlicher als die von näheren Verwandten wie Affen oder auch Delfinen.

Nach dem Sex stirbt das Männchen

Zwar haben Kraken nicht neun Gehirne, sondern durchaus ein Zentralgehirn, aber ihre acht Arme besitzen mehr Nervenzellen als ihr Hirn, können selber riechen und schmecken, auf die Jagd gehen und Entscheidungen treffen. Kraken denken also nicht nur mit dem Kopf, sondern mit der Gesamtheit ihres weichen Körpers, weshalb ihre Erfahrungswelt und ihre Art, Informationen zu verarbeiten, eine komplett andere ist als unsere. In der Betrachtung des Kraken kämen wir der Begegnung mit einer außerirdischen Intelligenz am nächsten, meint Peter Godfrey-Smith, Wissenschaftsphilosoph und Autor des Buches „Der Krake, das Meer und die tiefen Ursprünge des Bewusstseins“.

Durchaus außerirdisch mutet auch der Krakensex an. Beim männlichen Oktopus schwillt bei der Fortpflanzung einer seiner acht Arme an, ähnlich wie ein Penis. Er streckt ihn nach dem Weibchen aus und deponiert eine Spermienkapsel in ihrem Körper. Gerade bei den größeren, langarmigen Arten bleiben die beiden dabei möglichst auf Abstand, was speziell im Interesse des Männchens ist, denn es soll vorkommen, dass dieses anschließend vom Weibchen stranguliert wird.

Es geht aber noch unromantischer: Bei einer anderen Krakenart lösen die kleinen Männchen ihren Penisarm gleich ganz vom restlichen Körper, worauf dieser selbstständig zu einem der viel größeren Weibchen schwimmt und sich dort einnistet. Beim Löcherkraken wiederum ist das Männchen gerade mal so groß wie eine Pupille des Weibchens. Nachdem es seine Spermien samt Arm losgeschickt hat, stirbt das Männchen. Das Weibchen hingegen sammelt die winzigen Ärmchen diverser Männer, bis es sich – Release the Kraken! – irgendwann zur Fortpflanzung entschließt. Danach stirbt auch das Weibchen. Es folgt eine neue Krakengeneration.

Illustration: Frank Höhne

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.