Thema – Klimawandel

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„Seit Jahren sinken die Grundwasserstände“

Deutschland wird wärmer und trockener. Könnten auch bei uns Konflikte ums Wasser entbrennen? Die Ressourcenforscherin Claudia Pahl-Wostl über Folgen und Lösungen der Wasserknappheit

Dürre

fluter.de: Der vergangene Sommer war erneut heißer und trockener als der Durchschnitt der Jahrzehnte zuvor. Sitzen wir bald auf dem Trockenen?

Claudia Pahl-Wostl: Deutschland ist eines der Länder weltweit, deren Wasservorräte am stärksten abnehmen. Wir verzeichnen geringere Niederschlagsmengen. Seit Jahren sinken die Grundwasserstände. Die Hitze wird das Problem künftig noch verschärfen. Dabei war Deutschland immer ein wasserreiches Land. Wie wir Wasser sparsam einsetzen oder Landschaften als Wasserspeicher dienen können, haben wir darum lange zu wenig beachtet. Bis vor einigen Jahren interessierte sich in der Öffentlichkeit oder auf politischer Ebene kaum jemand dafür. Dann hatten wir drei aufeinanderfolgende Jahre, die sehr trocken waren: 2018 bis 2020.

… und vergangenen Sommer brannten in Sachsen und Brandenburg wieder die Wälder.

Wie überall in Europa. Sehr wahrscheinlich Folgen des Klimawandels und erste Warnzeichen, was in Zukunft droht. Militär und Katastrophenschutz versorgten hier einige Regionen mit Wasser, zum Beispiel Weidevieh in den Alpen. Das sind Entwicklungen, die mich besorgen.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten befassen Sie sich mit Wassermanagement. Was bedeutet das genau?

Es ist ein Konzept zum nachhaltigen Umgang mit Wasserressourcen, das gleichermaßen das Wohl der Umwelt, der Gesellschaft und der Wirtschaft berücksichtigt. Es geht um Wasserknappheit durch Dürren auf der einen, um Hochwasser wie 2021 im Ahrtal auf der anderen Seite. Durch Wassermanagement versuchen wir, solche Extreme auszubalancieren.

„Es muss darum gehen, mehr Wasser in der Fläche zu halten. Wir müssen der Bodenversiegelung entgegenwirken“

Nehmen wir den Wassermangel: Die Erdoberfläche ist zu zwei Dritteln mit Wasser bedeckt. Warum ist es nötig, weltweit gegenzusteuern?

Klimawandel, Bevölkerungswachstum, wirtschaftliche Entwicklung und der Verlust an Biodiversität erhöhen den Druck auf die bereits übernutzten Wasserressourcen weltweit. Wie viel Wasser für welche Zwecke verfügbar ist, hängt von diversen Faktoren ab: etwa wie wir Flächen nutzen, wie die Ressource bei Mangel verteilt wird. Es genügt nicht, auf das Bad im privaten Pool im Garten zu verzichten – oder solche Arten der Wassernutzung während Extremphasen zu verbieten.

Was dann?

Wir brauchen ganzheitliche Ansätze, ein Zusammenspiel: Politik und vor allem auch die Land- und Forstwirtschaft sind nun in der Pflicht. Landkreise können zwar Verbote erlassen, Wasserentnahmerechte vergeben. Aber ebenso brauchen wir Strategien, die für mehr Wasser sorgen.

An wen oder was denken Sie?

Es muss beispielsweise darum gehen, mehr Wasser in der Fläche zu halten. Wir müssen der Bodenversiegelung entgegenwirken. Aber es geht auch um die Qualität: Wasser ist knapp und dann auch noch belastet durch Gülle aus der Massentierhaltung. Die Landwirtschaft verbraucht viel Wasser. Ackerflächen sind entwässert worden, damit schwere Maschinen auf den Böden rangieren können. Dem müssen wir entgegensteuern, etwa indem wir Wasser in die Felder leiten.

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Dürre, mitten in Europa: vertrocknete Maispflanzen und Sonnenblumen (Titelbild) im August 2022 bei Luckau in Brandenburg

Und wie sieht es mit den Wäldern aus?

Unsere Wälder sind dem Klimawandel nicht gewachsen. Forstwirtschaftlich genutzte Wälder sammeln wenig Wasser, da es abgeleitet wird. Außerdem speichern die weit verbreiteten Nadelbäume kaum Feuchtigkeit.

Das hört sich pessimistisch an.

Aktuell ändert sich viel, um Wälder zukunftsfähig zu gestalten: weg von Monokulturen, hin zu klimastabilen Mischwäldern. Ebenfalls bedeutsam sind Moore, die viel Wasser speichern können. Dort sollte der Wasserstand wieder angehoben werden. Trockengelegte Auenlandschaften sollten renaturiert werden. Dass sich hier einiges tut, macht Hoffnung. Aber die Renaturierung dauert lange.

Gibt es Länder, von denen wir lernen können?

In Israel war die Lage vor einigen Jahren bedrohlich: ausgetrocknete Flüsse und Seen, fallender Grundwasserspiegel. Mithilfe von Forschung, moderner Bewässerungstechnologien, rechnergestützter Bewässerungssysteme und Abwassernutzung hat Israel es aber geschafft, die Bewässerung in der Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten. Heute gehört das Land zu den führenden in der Wasseraufbereitung. Dort setzt man auch auf die Entsalzung von Meerwasser.

„Wir brauchen mehr Wertschätzung für das Wasser, das bei uns so selbstverständlich aus dem Hahn kommt“

Was können wir als Einzelne tun?

Ich appelliere an unsere Eigenverantwortung. Einerseits müssen wir uns anpassen, schonender mit den Ressourcen umgehen, Wasser sparen. Andererseits müssen wir mehr Wasser speichern. Wir brauchen mehr Wertschätzung für das Wasser, das bei uns so selbstverständlich aus dem Hahn kommt. Ein Hebel ist etwa die Ernährung. Bei der Produktion von Fleisch zum Beispiel braucht man wahnsinnig viel Wasser.

Über welche Größenordnung sprechen wir?

Für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch sind es circa 15.000 Liter Wasser. Das ist mehr als das 100-Fache des durchschnittlichen täglichen Wasserbedarfs von circa 125 Litern pro Person. Dabei berücksichtigt man den gesamten Wasserbedarf bei allen Produktionsschritten inklusive den für die Produktion der Futtermittel. Sich vegetarisch zu ernähren ist ein Ansatz. Auch beim Bepflanzen des Gartens können wir darauf achten und durch weniger Gießen und den Verzicht auf Rasensprenger und Anlage von Naturgärten viel Wasser sparen. Es hilft auch, Regenwasser aufzufangen und zu nutzen. Das Umweltbundesamt rät zudem, Wasserspararmaturen einzubauen für die Toilette und Dusche. Und nicht zuletzt: andere aufmerksam machen auf das Problem.

Experten sagen seit Jahrzehnten voraus, dass Kriege im 21. Jahrhundert nicht mehr um Öl geführt werden, sondern um Wasser. Drohen uns auch in Deutschland Konflikte?

Konflikte um die Verteilung von Wasser gibt es heute immer mehr, ein Fall mit nationaler Aufmerksamkeit beispielsweise in Grünheide, wo der Elektroautobauer Tesla ein Werk eröffnet hat mit enorm hohem Wasserverbrauch – in einer Region mit wenig Niederschlägen. Es gab Proteste. Und immer wieder gibt es in solchen Fällen Verhandlungen vor Gericht.

Wie sieht Ihre Prognose für die Zukunft aus?

Das Bundesumweltministerium hat seinen Entwurf für eine „Nationale Wasserstrategie“ vorgestellt. Damit will die Politik das Wassermanagement verbessern, unter anderem mit mehr Daten. Der Entwurf zeigt, dass den Politikerinnen und Politikern der Ernst der Lage bewusst ist. Aber der Bund hat wenig Einfluss. Umsetzen müssen die Strategien die Länder. Und wir Menschen müssten ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass wir alle davon profitieren, mit der Natur – und nicht gegen sie – zu arbeiten. Ich bleibe Optimistin. Ich fürchte nur, dass vieles zu langsam geht.

Claudia Pahl-Wostl ist Professorin für Ressourcenmanagement. Sie arbeitet am Institut für Geographie und am Institut für Umweltsystemforschung der Universität Osnabrück. Dort beschäftigt sich mit Wassermangel und den Lösungen. Derzeit erforscht sie, wie sich die Digitalisierung für ein anpassungsfähiges Wassermanagement nutzen lässt. (Foto: Manfred Pollert)

Fotos: Krisztian Bocsi/Bloomberg via Getty Images

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