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Na sicher

Türsteher entscheiden, wer mitfeiern darf – und wer nicht. Diese Dresdner Sicherheitsfirma will dem Bild des breiten, wortkargen Mackers an der Tür etwas entgegensetzen

United Türsteher

Es wird eine lange Nacht. Knapp zwölf Stunden werden Sophie und ihre Kollegen im Einsatz sein, bis zum frühen Morgen. „Aber das kriegen wir schon hin. Hauptsache, alle bleiben entspannt.“ Bässe wummern, Scheiben klirren, in der Tante JU, einem Club im Dresdner Industriegelände, ist heute Technoparty. Viel junges Publikum, das überraschend früh da ist. Um 22 Uhr, als der Einlass beginnt, wartet schon eine lange Schlange vor der Tür. „Darf ich in eure Taschen schauen und eure Ausweise sehen? Und ich würde euch mal kurz abtasten“, sagt Sophie zu den ersten Gästen und lächelt. In den Taschen entdeckt sie Schminkzeug, Handys, Kopfschmerztabletten. „Alles klar, passt, habt einen schönen Abend.“

Damit er schön wird, hat der Dresdner Sicherheitsdienst United fünf Securitys geschickt, drei Männer, zwei Frauen. Sophie und ihre Kollegen sind vorher die Location abgelaufen, sie haben Notausgänge gecheckt, sich mit dem Veranstalter abgestimmt, die Regeln für den Einlass geklärt: keine gefährlichen Gegenstände, keine Getränke, kein Glas. Das Publikum soll sicher feiern. United hat sich auf achtsames Feiern spezialisiert: ohne Belästigungen, ohne Übergriffe, ohne Diskriminierung. Wenn sich ein Gast mit etwas unwohl fühlt, wird sich das United-Team kümmern. Zusätzlich hat der Veranstalter ein Awareness-Team organisiert. Zwei Leute, sie drehen im Club ihre Runden, sind ansprechbar für Gäste und stimmen sich mit United ab. Man hilft sich.

Security ist eine männlich dominierte Branche – die mitunter Probleme mit Rechtsextremen hat

Das Angebot von United ist eine Absage an Sicherheitsdienste, wie man sie vielerorts immer noch nicht anders kennt: Muskelmänner, die wortkarg regeln, wer mitfeiern darf und wer nicht. Mackertum, kurze Zündschnur, kaum Kommunikation. United will es anders machen, progressiv, divers, positiv. Dafür soll schon mal ihr Logo stehen: ein T. Rex in Pink. „Der ist ja bekannt dafür, dass er sehr kleine Arme hat, aber ein großes Maul. Die Kombi beschreibt uns gut“, sagt Andi. „Wir wollten damit auch die typischen Security-Embleme, die oft mit kriegerischen Symbolen werben, auf die Schippe nehmen.“

Andi, Mitte 30, einer der Gründer von United, steht an diesem Abend mit an der Tür. Er checkt Taschen, kontrolliert Ausweise, bestimmt, aber zugewandt. Als ein Gast betrunken vor ihm steht, nicht aggressiv, aber unaufhörlich auf ihn einredet, bleibt er ruhig. „Mit manchen führt man ein kurzes Gespräch. Um zu merken, wie die Leute ticken.“ Auch Reden kann deeskalieren.

Andi, Sophie und ihre Kollegen heißen eigentlich anders. United-Securitys arbeiten auch auf Demonstrationen oder Veranstaltungen, bei denen mit Bedrohungen von Rechtsextremen zu rechnen ist. Andi will was verändern, das motiviert ihn, deshalb hat er United mit aufgebaut. „Gerade ein Landstrich wie Sachsen, in dem es starke rechtsextreme Strukturen gibt, braucht diskriminierungsarme Räume“, sagt er. „Dafür müssen wir auch unsere Branche verändern, die davon noch weit entfernt ist.“

Dass Sicherheitsdienste Personal beschäftigen, das Verbindungen in die rechtsextreme Szene hat, ist überall in Deutschland immer mal wieder Thema, auch in Sachsen. Flächendeckende Statistiken gibt es nicht, allenfalls Erhebungen aus einzelnen Städten. Also keine Zahlen, die zeigen, wie groß das Problem ist. Wenn man mit Veranstaltern spricht, hört man von Erfahrungen. Carsten Becker, Chef des Dresdner Konzertclubs Beatpol, arbeitet seit ein paar Jahren mit United zusammen. Für ihn die beste Lösung. Die Sicherheitsfirmen davor hätten ihren Job gemacht, sagt Becker. „Aber bei einigen hat es vom Weltbild her nicht zu uns gepasst.“

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Security-Mitarbeiterin von United
30 bis 40 Leute arbeiten für United, rund ein Viertel davon sind Frauen

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Schlange vor einem Club
Wer diskriminiert, fliegt raus – oder kommt gar nicht erst rein. Dann klappt's auch mit der Party

Auch die Scheune, eine Veranstaltungslocation in der Dresdner Neustadt, arbeitet schon lange mit United zusammen. Im Grunde wurde die Firma dort initiiert: Vor vielen Jahren, erzählt Geschäftsführerin Romy Jaehnig, habe es in der Scheune einen Vorfall gegeben, an einem 13. Februar. Wegen der Bombardierung Dresdens durch die Alliierten im Zweiten Weltkrieg am 13. Februar 1945 ziehen an diesem Tag traditionell Neonazi-Aufmärsche durch die Stadt.

Als Veranstalter müsse man seine Gäste an so einem Tag noch besser schützen, sagt Jaehnig. In der Scheune ging damals das Gerücht um, einer der Sicherheitsmänner, der an jenem Abend Dienst hatte, hätte Verbindungen zu Rechtsextremen. Sein Arbeitgeber habe den Verdacht nicht ausräumen können, erzählt Jaehnig. „Das war ein richtiger Anstoß, etwas an unseren Sicherheitsstrukturen zu ändern.“ Im Umfeld der Scheune fanden sich Leute, die an der Tür helfen wollten. Mit den Jahren haben sie sich professionalisiert, es entstand der Sicherheitsdienst United.

Seit 2020 ist United ein eingetragenes Unternehmen, die Nachfrage ist stetig gewachsen. Eine Website oder Telefonnummer findet man bis heute nicht im Netz, es gibt keine Werbung. Anfragen kommen ausschließlich über Empfehlungen. Sie arbeiten für Clubs, für Festivals, für Journalisten, die auf Demos Personenschutz benötigen. Andi hat die Verantwortung, er regelt die Logistik und die Buchhaltung. Welchen Job sie annehmen, entscheidet die Gruppe basisdemokratisch. Aktuell arbeiten 30 bis 40 Personen für United, ein Viertel Frauen. Es könnten gern mehr werden, findet Andi.

Das United-Team beobachtet, dass Frauen meist deeskalierender auf aggressive Gäste wirken

Frauen im Sicherheitsdienst sind wichtig. Wenn es in einem Club zu einem sexualisierten Übergriff kommt, sind die Betroffenen oft froh, wenn sie sich an eine andere Frau wenden können. Und auch das United-Team beobachtet, dass Frauen meist deeskalierender auf aggressive Gäste wirken. Normal seien Frauen in der Security aber noch längst nicht, erzählt Sophie. Sie bekommt schon mal blöde Sprüche, zum Beispiel wenn sie Körperkontrollen macht. „Manchmal gehe ich darüber hinweg, manchmal gibt es einen Spruch zurück.“ Auf Typen, die sich nicht damit abfinden können, dass sie das Sagen hat, trifft sie immer wieder. „Gerade deshalb finde ich wichtig, dass die sehen, dass es auch Frauen gibt, die als Security arbeiten.“

Am Einlass gibt es keine Probleme. Gerade ist Matthes dran, um die 20, er trägt einen Turban aus bunten Schals und auffällige Ohrringe. Und freut sich geradezu über die Kontrolle. „Ich finde es voll schön, wenn die Leute an der Tür lieb zu einem sind. Wenn mein Outfit mal kein Thema ist.“

Für die meisten bei United sind die Einsätze ein Zweitjob. Securitys arbeiten, obwohl es an geschultem Personal mangelt, oft für Niedriglöhne, vor allem wenn sie Objekte und Veranstaltungen bewachen – oder eben vor Clubs stehen. Für viele ihrer Aufträge brauche es einen Sicherheitsschein, sagt Andi. Für den muss man rechtliche und psychologische Grundlagen nachweisen, die Prüfung nehmen Industrie- und Handelskammern ab. Und Securitys müssen sich im „Bewacherregister“ eintragen lassen. Das Register ist noch recht neu. Irgendwann soll es eine Datenbank der privaten Sicherheitsfirmen werden. Und damit der gut 260.000 Menschen, die in Deutschland in der Security arbeiten; nicht wenige davon für unübersichtliche Subunternehmen, die sich nicht immer an deutsches Arbeitsrecht halten.

Dieser Text ist im fluter Nr. 90 „Barrieren“ erschienen

Das Register ist auch ein Versuch, zu verhindern, dass Neonazis zum Schutz von Geflüchtetenunterkünften eingesetzt werden oder dass politisch Radikale kritische Infrastrukturen wie Wasserwerke oder Krankenhäuser bewachen. „Aber Kontrollen“, sagt Andi, „gibt es nur ganz wenige in der Sicherheitsbranche.“

Viele im Team von United arbeiten hauptberuflich in sozialen Berufen, als Erzieherin oder Sanitäter. Auch Sophie hat heute tagsüber gearbeitet, jetzt steht sie bis morgen früh an der Tür. Soziale Erfahrungen helfen, sagt sie, um in problematischen Situationen besser deeskalieren zu können. Nicht sofort fronten, erst mal beruhigen. Für Auseinandersetzungen gibt es bei United regelmäßig Sicherheitstrainings, in denen sie Techniken zur Selbstverteidigung üben. Zweimal im Monat trifft sich das Team, um Einsätze auszuwerten und Probleme zu besprechen.

Die Nacht an der Tür im Dresdner Industriegebiet ist lang und kalt. Andi hat für das Team Heizsohlen und Handwärmer mitgebracht. Und Kartenspiele für die zähen Stunden kurz vor dem Morgengrauen. Größere Probleme gibt es heute nicht. Das Awareness-Team hat sich um einen Gast im Vollrausch gekümmert, sonst alles ruhig. Andis Bilanz am nächsten Morgen: „Junges, sehr nettes Publikum, überraschend entspannt alles.“

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