Populismus ist einfach. Er folgt im Grunde einem Gedanken: Hier sind wir, dort die anderen, die etablierten Eliten. So zu sehen auch Anfang April in Mailand.
Europa wählt … aber wen? Unser Crashkurs Europawahl
Die Chefs der rechten Parteien AfD, La Lega (Italien), Dansk Folkeparti (Dänemark) und „Die Finnen“ verkündeten vor laufenden Kameras, nach den Europawahlen eine gemeinsame Fraktion bilden zu wollen: Die „Europäische Allianz der Völker und Nationen“ soll dem restlichen Europaparlament mit EU-Skepsis gegenübersitzen.
Von solchen Terminen träumt Steve Bannon schon lange. Der rechtspopulistische Publizist und ehemalige Berater von US-Präsident Donald Trump unterstützt seit vergangenem Jahr mit der Stiftung „Die Bewegung“ die Vernetzung der rechtspopulistischen Parteien Europas.
„Die Bewegung“ hat gute Voraussetzungen: Täten sich alle nationalistischen und die EU ablehnenden Parteien zusammen, könnten sie zweitstärkste Kraft im Europaparlament werden, rechnet die „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (SWP).
EKR, EFDD und ENF: Es gibt viele Rechte und Europa-Skeptiker im EU-Parlament. Aber noch verteilen sie sich auf drei Fraktionen
Noch aber ist unklar, ob die Idee der „Bewegung“ Erfolg hat. Um die Geschlossenheit unter den europäischen Nationalisten steht es nicht gut. Im Europaparlament verteilten sie sich bislang auf:
-
die gemäßigtere „Europäische Konservative und Reformer“ (EKR), in der rechtskonservative Parteien wie die polnische PiS oder Dansk Folkeparti sitzen.
-
die radikal EU-ablehnende "Europa der Freiheit und der direkten Demokratie" (EFDD), gegründet von Brexit-Wortführer Nigel Farage, mit zum Beispiel der AfD, der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung, der UK Independence Party und den Schwedendemokraten.
-
die ebenfalls radikal EU-ablehnende „Europa der Nationen und der Freiheit“ (ENF), gegründet von Marine Le Pen, unter anderem mit der deutschen „Die blaue Partei“, dem französischen Rassemblement National (ehemals Front National), der italienischen Lega Nord, der belgischen Vlaams Belang und der niederländischen Partij voor de Vrijheid (PVV).
Diese Zersplitterung der EU-Skeptiker – diesen Begriff nutzen Wissenschaftler, um die Kategorisierung in rechts und links zu vermeiden – ist vor allem inhaltlich begründet. Die Parteien unterscheiden sich in der politischen Verortung, etwa in ihrer Haltung zu Russland, zum Thema Migration oder zum Verbleib ihrer Länder in der EU. „2014 war die Chance für die EU-Skeptiker schon einmal da“, sagt Nicolai von Ondarza, Europa-Experte der SWP. „Gemeinsam hätten sie eine der größten Fraktionen im Parlament stellen können. Damals sind sie vor allem an ihren unterschiedlichen Positionen gescheitert.“
Für nationale Vorhaben macht es sich nicht immer gut, auf europäischer Ebene mit Rechten zu kooperieren
Zum Beispiel tat sich Farage, der die EFDD-Fraktion bereits 2009 gegründet hatte, nach dem populistischen Wahlerfolg 2014 nicht mit Le Pen zusammen: Er sorgte sich wohl, zu stark dem rechten Spektrum zugeordnet zu werden – und damit in Großbritannien gemäßigte Wähler für seine Brexit-Kampagne zu verlieren. Kürzlich lud Le Pen Farages Brexit-Partei erneut zur Kooperation ein.
Momentan stellt die EFDD-Fraktion um Farage 42 der insgesamt 751 Sitze im Parlament. Wegen des Brexits steht die EFDD nun kurz vor der Auflösung. Dann muss sich auch eine andere Partei eine neue Fraktion suchen: die italienische Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo (11 Mitglieder). Die ist in Italien inzwischen an der Regierung beteiligt, wird nach der EFDD-Auflösung aber wahrscheinlich auch nicht mit den Rechten kooperieren wollen.
Anders das deutsche Mitglied der EFDD: Jörg Meuthen von der AfD. Meuthen zog 2017 ins EU-Parlament ein, nachdem seine Vorgängerin Beatrix von Storch in den Deutschen Bundestag gewechselt war. Als von Storch 2014, im Jahr der vergangenen Europawahl, ins EU-Parlament einzog, war die AfD inhaltlich noch anders orientiert: mehr Euro-Kritik, weniger Migrationsthematik. Beim Treffen in Mailand verkündete Jörg Meuthen nun die Gründung der neuen, rechten Fraktion mit – mindestens – der Rechten aus Italien, Dänemark und Finnland.
Einig sind sich die Rechten in ihrer EU-Skeptik. Ein konkretes Wahlprogramm ist aber noch nicht in Aussicht
Klar ist: Richtig groß kann sie nur werden, wenn auch die Franzosen, Niederländer oder Österreicher mitmachen. Bislang stellen die den Rechten-Zusammenschluss im Parlament, genannt „Europa der Nationen und der Freiheit“ (ENF), mit 36 Mitgliedern. Darunter die französische Rassemblement National, die österreichische FPÖ, die PVV um Geert Wilders, die Lega Nord und auch Marcus Pretzell für die „Die blaue Partei“.
Die bekanntesten Mitglieder der ENF waren Marine Le Pen und Matteo Salvini, beide sitzen aufgrund der Mandate in ihrer Heimat nicht mehr im Europaparlament. Die Fraktion sorgte in der vergangenen Periode für einen Skandal: „Champagnergate“. Demnach soll die Fraktion laut Haushaltskontrollausschuss allein im Jahr 2016 234 Flaschen Champagner auf EU-Kosten konsumiert haben. Dazu teure Weihnachtsgeschenke und luxuriöse Essen – alles zusammen kostete rund 420.000 Euro. Das widersprach dann doch mit der vermeintlichen Volksnähe und dem Anti-Establishment der Populisten, die Kritik ließen nicht lange auf sich warten. Der Popularität in ihren Heimatländern tat das jedoch keinen Abbruch, alle rechnen mit Zuwächsen.
Ob nun die große Einheit folgt? Angeblich sollen sich der Rassemblement National, Vlaams Belang und die FPÖ den vier Gründungsmitgliedern anschließen wollen. Ein abgestimmtes Wahlprogramm aufzustellen ist aber schon für die vier ein Problem; zu sehr unterschieden sich ihre Positionen zur Umverteilung von Migranten. Wie EU-Experte Nicolai von Ondarza berichtet, zeigten die EU-skeptischen Parteien schon zuvor die geringste Fraktionsdisziplin, waren bei Abstimmungen also uneins wie keine andere Fraktion. Der Nationalismus in Europa spricht noch nicht mit einer Stimme.
Das Titelbild von Alessandro Garofalo/REUTERS zeigt – von links nach rechts – Olli Kotro (Die Finnen), Jörg Meuthen (AfD), Matteo Salvini (Lega Nord) und Anders Vistisen (Dänische Volkspartei) beim Treffen in Mailand.