Illustration einer Person die beschämt einen Porno auf einem Laptop schaut in dem ein riesiger, Schwarzer Mann Sex mit einer blonden Frau hat

„Pornografie spiegelt, was eine Gesellschaft bewegt“

Die Filmwissenschaftlerin Leonie Zilch forscht seit zehn Jahren zu Pornografie und fordert, offener und reflektierter mit ihr umzugehen. Wir haben mit ihr über Rassismus in Pornos gesprochen

Interview: Martin Seng
Thema: Körper
9. Juli 2025

fluter: Frau Zilch, Pornografie ist überall. Warum sprechen manche immer noch mit vorgehaltener Hand darüber?

Leonie Zilch: Pornografiekonsum ist mit viel Unsicherheiten und Scham verbunden. Viele stellen sich die Frage, ob es normal ist, was sie schauen, bleiben mit der Frage aber alleine. Das ist ein Problem, denn Pornografie zeigt nicht, wie Menschen im Alltag Sex haben, sondern sie verfilmt sexuelle Fantasien – also eher Actionfilm als Dokumentation. Die Darsteller:innen sind in der Regel Profis. Sie bereiten sich vor, es gibt Pausen und Absprachen – die natürlich alle weggeschnitten werden.

In Ihrer Forschung beschäftigen Sie sich auch mit Rassismus in Pornos. Woran zeigt sich dieser konkret? 

Pornos existieren nicht im luftleeren Raum und sind immer von der gesellschaftlichen Realität beeinflusst. Unsere Gesellschaft ist rassistisch. Deswegen überrascht es nicht, dass wir auch im Porno rassistische Darstellungen finden. Das äußert sich zum Beispiel durch Kategorien wie „Interracial“ und „Ebony“ als Bezeichnung für Schwarze Frauen oder „BBC“ für den „big black cock“. Die Kategorie „White“ gibt es dagegen nicht, denn sie stellt in unserer Gesellschaft und im Porno implizit die Norm dar. Ebenso gibt es rassistische Darstellungen von Personen, die als asiatisch oder muslimisch markiert werden, zum Beispiel, indem weibliche Darstellerinnen einen Hijab tragen.

Wenn Pornos durch die Gesellschaft beeinflusst werden, müssten sie ja in jedem Land etwas anders sein, oder?

In den USA wird häufiger nach Sex zwischen Schwarzen und weißen Personen gesucht, wofür ja „Interracial“ steht. In Deutschland ist dagegen die Kategorie „türkisch“ sehr weit oben in den Suchbegriffen. Das liegt wahrscheinlich einerseits daran, dass wir in Deutschland eine große türkischstämmige Community haben. Andererseits funktionieren Pornos eben oft über die Fetischisierung von „Anderen“. So kam es 2015 durch die Fluchtbewegungen zu einem Anstieg an Anfragen nach „refugee porn“. Pornografie spiegelt, was eine Gesellschaft bewegt.

„Die Faszination für den Schwarzen muskulösen Mann mit großem Penis ist ein Produkt historisch gewachsener rassistischer Zuschreibungen“

Solche „Interracial“- und „BBC“-Videos zeigen oft dasselbe: Ein Schwarzer muskulöser Mann hat harten Sex mit einer weißen zierlichen Frau.

Diese Faszination für den Schwarzen muskulösen Mann mit großem Penis ist ein Produkt historisch gewachsener rassistischer Zuschreibungen. Ursprünglich galten solche körperlichen Merkmale als „Beweise“ für Triebhaftigkeit und Primitivität Schwarzer Menschen. Sie dienten als Rechtfertigung für Unterdrückung und Versklavung. Heute werden diese Klischees umgedeutet und sexualisiert. Der große Schwarze Penis wird begehrt, aber eben auf Grundlage rassistischer Fantasien.

Und auch die Konstellation der Darsteller und Darstellerinnen ist wohl kein Zufall.

In vielen Staaten der USA waren bis in die 1960er-Jahre Beziehungen zwischen Schwarzen und weißen Menschen verboten. Jedes Verbot erzeugt Begehren, und Pornografie lebt bekanntlich davon, sexuelle Fantasien zum Leben zu erwecken und mit Grenzen zu spielen. Der Sex zwischen einer weißen Frau oder, im Schwulenporno, einem weißen „Twink“, also einem eher zierlichen Mann, und einem Schwarzen muskulösen Mann inszeniert dieses historische Tabu.

Was macht diese Darstellung so problematisch?

Der Fokus auf die Hautfarbe festigt die Unterschiede, statt sie aufzulösen. Die Angst vorm triebgesteuerten Schwarzen Mann, der sich an weißen Frauen vergeht, ist tief in der westlichen Kulturgeschichte verankert und wurde bereits früh durch rassistische Spielfilme wie „Birth of a Nation“ von 1915 massenwirksam verbreitet. Wir sollten also immer vorsichtig sein, wenn wir mit solchen Darstellungen konfrontiert sind.

„The Birth of a Nation“ – ein rassistischer Blockbuster

„The Birth of a Nation“ von D.W. Griffith war einer der ersten Blockbuster der Kinogeschichte. Gleichzeitig verbreitete er offen rassistische Botschaften und stellte Afroamerikaner auf entmenschlichende Weise dar. Der Film trug maßgeblich zur Wiedererstarkung des Ku-Klux-Klans in den 1920er-Jahren bei, indem er den Klan als heldenhaft darstellte und dessen rassistische Ideologie popularisierte.

Wie können wir vermeiden, dass wir rassistischen Darstellungen zusätzliche Klicks geben?

Es gibt Pornoseiten, die bewusst auf stereotypisierende Kategorien verzichten. Kategorisiert werden dann äußere Merkmale wie Haarfarbe, Tattoos, Piercings, aber eben nicht Hautfarbe oder ethnische Zuschreibungen. Meistens sind solche Plattformen allerdings bezahlpflichtig. Für junge Menschen ist das natürlich schwierig. Aber auch auf den großen Plattformen findet man tolle diverse und gleichberechtigte Darstellungen. Man muss nur gezielt danach suchen.

Ist der Rassismus in der Pornografie ein Problem der Industrie, oder zeigt sie dem Publikum nur das, was es sehen will? 

Man sollte die Problematik nicht vorschnell auf die Pornoindustrie abschieben, ohne die gesellschaftlichen Ursachen zu reflektieren. Gerade in Pornos zeigt sich, wie tief verwurzelt gewisse Stereotype sind. Schwarze Darsteller:innen berichten zum Beispiel davon, dass ihnen Rollen, in denen sie die „unterwürfige“ Person darstellen, verwehrt bleiben. Denn diese Rollen sind als „weiß“ codiert. Von ihnen wird stattdessen Dominanz und ein geradezu hypersexuelles Begehren erwartet. Es geht weniger um realistische Darstellungen als um die Darstellung von Fantasien – denn die lassen sich gut verkaufen.

Portrait von Leonie Zilch

Dr. Leonie Zilch ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für für Film-, Theater-, Medien- und Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sie forscht unter anderem zu Pornografie und feministischen Filmtheorien

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.

Illustration: Raúl Soria