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Malaika macht sexy Selfies, Oma die Wäsche

Die Serie „WatchMe – Sex sells“ erkundet die Welt von Menschen, die pornografische Inhalte für Plattformen wie OnlyFans produzieren – ganz ohne Voyeurismus

  • 4 Min.
Watch me

Worum geht’s?

Um die Fragen, wie und warum Menschen als „Creator:innen“ auf Plattformen wie OnlyFans landen. In der sechsteiligen ZDF-Miniserie ist „WatchMe“ das fiktive Pendant zur realen Vorlage OnlyFans. Hier können explizite Inhalte verkauft werden: von der „Girlfriend Experience“ oder erotischen Sprachnachrichten bis hin zu Porno-Livestreams. Die Gründe, warum Menschen diese Inhalte posten, sind ganz unterschiedlich: Für die Sexarbeiterin und Aktivistin Malaika (Maddy Forst) ist „WatchMe“ das perfekte Medium, um die Freude über sich und ihren Körper „abzufeiern“, wie sie es nennt. Als „curvy babe“ will sie ein Vorbild für Empowerment und Selbstbestimmung sein. Der Abiturient Tim (Michelangelo Fortuzzi) hingegen betreibt einen pornografischen Pärchenkanal mit seinem wesentlich älteren Partner Josh (Simon Mantei), der wie besessen davon ist, die Abo-Zahlen in die Höhe zu treiben. Die alleinerziehende Mutter Toni (Anna Werner Friedmann) ist so pleite, dass sie nicht mal mehr den Nachhilfelehrer ihres Sohnes bezahlen kann. Zu dieser Misere gesellt sich ein nicht existentes Liebesleben: „Ich weiß nicht, wann ich mich das letzte Mal sexy gefühlt habe“, gesteht Toni ihrer besten Freundin. Und dann entdeckt Toni zufällig „WatchMe“ …

Worum geht’s eigentlich?

Um die Erkundung dieser Welt, ohne ein Urteil über sie zu fällen. Kontroverse Meinungen über Plattformen wie OnlyFans gibt es ja ohnehin schon genug: Während die Creator:innen den Zuwachs an Selbstbestimmung loben, sehen Kritiker:innen in ihnen häufig nur neue Formen der Ausbeutung. In diesem Spannungsraum erzählt die Serie die Geschichten von Malaika, Tim und Toni. Ein großes Thema ist die gesellschaftliche Akzeptanz ihrer Arbeit. Konsens ein anderes. Wir lernen: Je expliziter die Inhalte, desto mehr kann man auf „WatchMe“ verdienen. Und das erzeugt natürlich Druck. Wie verschiebbar, fragt die Serie, sind persönliche Grenzen, wenn es darum geht, Abo-Zahlen zu maximieren? Wie käuflich sind die Creator:innen am Ende? Welche strukturellen Abhängigkeiten erzeugt die Plattform mit ihrem Geschäftsmodell?

Wie wird’s erzählt?

Es gibt durchaus nackte Haut und explizite Sexszenen zu sehen. Und es sollte erwähnt sein, dass die Serie mit FSK 16 bewertet ist. Allerdings vermeidet „WatchMe – Sex sells“ einen objektivierenden Blick auf die Körper der Figuren. Am faszinierendsten ist es, ihnen dabei zuzuschauen, wie sie ihre eigene Nacktheit für „WatchMe“ inszenieren. Der Eindruck von „Sexyness“ ist fragil und kann von einer Sekunde auf die nächste in sich zusammenfallen. Unterhaltsam ist etwa die Szene, in der Toni zum ersten Mal Unterwäsche-Selfies vor dem Badezimmerspiegel schießt. Sie erlaubt sich hier einen kleinen Moment des Ausbruchs, des spielerischen Umgangs mit ihrem Körper. Gerade als sie sich in einer besonders albernen Pose befindet, steht plötzlich ihr Sohn im Türrahmen. „Was machst du da, Mama?“, fragt er. „Ach, gar nichts“, entgegnet Toni, sichtlich verschämt. Es ist eine Stärke der Serie, dass sie die Figuren eben nicht nur dabei zeigt, wie sie Content für die Plattform produzieren, sondern durch Einblicke in ihren Alltag Nahbarkeit herstellt.

Watch me (Fotos: ZDF/Tiana Lenz)
(Fotos: ZDF/Tiana Lenz)

Gut zu wissen:

„WatchMe – Sex sells“ ist eine hochaktuelle Serie, die versucht, sich einer Wirklichkeit zu nähern, die sich am besten in Zahlen beschreiben lässt. Denn die Creator-Economy ist – auch bedingt durch die Einschränkungen der Corona-Pandemie – in den vergangenen Jahren rasant gewachsen: Die Anzahl der registrierten Nutzer:innen von OnlyFans stieg laut Unternehmen von einer Million im Jahr 2017 auf derzeit mehr als 150 Millionen.

Challenge:

Wie schwer es sein muss, eine Unterhose anzuziehen, wenn man dabei etwa 15 cm Zentimeter hohe Stilettos trägt? Das will man sich eigentlich gar nicht vorstellen! Maddy Forst, die Malaika spielt, meistert die Szene mit so viel Bravour, dass die Aktion völlig lässig wirkt und nicht in einen Cringe-Moment abrutscht. Krasse Leistung!

Lieblingsmoment:

Einmal posiert Malaika in einem glitzernden Bikini auf ihrem Bett, ihr Körper ist in den schmeichelhaften Schein einer Ringleuchte getaucht. Während sie laszive Selfies schießt, kommt ihre Oma ganz beiläufig mit einem Wäschekorb in ihr Zimmer und fragt die Enkelin, ob sie noch Wäsche für die Waschmaschine habe. Diese entspannte Interaktion erzeugt das Gefühl, dass Malaikas Job eben auch nur ein „Job wie jeder andere auch“ sein kann.

Good Job!

Die Serie ist ausgezeichnet besetzt, unterhaltsam inszeniert und schafft es, das Thema Plattform-Sexarbeit aus ganz unterschiedlichen Perspektiven zu zeigen, ohne sich auf eine Seite zu schlagen. Und obwohl die Serie von pornografischen Inhalten erzählt, blickt sie nicht mit einem voyeuristischen Blick darauf. Vielleicht liegt es auch daran, dass es am Set eine Intimitätskoordinatorin gab? Ein Standard, den man sich für Filmproduktionen der Zukunft wünschen würde.

„WatchMe – Sex sells“ (Regie: Alison Kuhn, Drehbuch: Jonas Bock, Christian Hödl, Lene Pottgiesser) läuft seit dem 12. Mai 2023 in der ZDF-Mediathek und wird ab dem 3. Juni auf ZDFneo ausgestrahlt.

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.