Sollte die Arktis Mitte des Jahrhunderts tatsächlich weitgehend eisfrei sein, dann würde das Chinas Schifffahrt ganz neue Seewege eröffnen. Denn bislang muss ein Großteil des chinesischen Handels (unter anderem rund 80 Prozent der chinesischen Ölimporte) durch die schmale Straße von Malakka zwischen Indonesien und Malaysia, einem der wichtigsten Seewege für den Welthandel. Eine Blockade der Meeresenge würde Chinas Energiesicherheit dramatisch gefährden. Zudem würde eine eisfreie Arktis die bisherigen Seeverbindungen von Asien nach Europa um rund 8.000 Kilometer verkürzen, nach Nordamerika um 4.500 Kilometer. Besonders interessant sind auch die in arktischer Erde lagernden Bodenschätze. Amerikanische Geologen vermuten, dass sich bis zu 13 Prozent der unentdeckten Öl- und 30 Prozent der Erdgasvorkommen unter dem Eis verbergen.
Doch Peking hat ein Problem: China ist kein Anrainerstaat der Arktis und kann somit nicht einfach Anspruch auf die Region erheben – wie es die Staaten Russland, Kanada, die USA, Dänemark (Grönland) und Norwegen tun, die ebenfalls an die Bodenschätze heran- und Zugang zu den neuen Seewegen haben wollen. Chinas Ausweg: Man nennt sich „arktisnaher Staat“ und bekundet, sich als vom Klimawandel betroffener Staat dem Schutz der Polarmeere widmen zu wollen. Vize-Außenminister Kong Xuanyou versucht jegliche Zweifel an Chinas Redlichkeit in der Arktis zu zerstreuen:
„Manche Leute zweifeln Chinas Mitwirkung in der Arktis an und sorgen sich, dass wir nur Rohstoffe ausbeuten und die Umwelt schädigen werden. Ich denke, solche Bedenken sind völlig unnötig.“
Titelbild: Christian Åslund