Thema – Klimawandel

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„Man kann sich selbst Gründe für Hoffnung schaffen“

Das 1,5-Grad-Ziel ist kaum noch erreichbar, weltweit brennen Wälder, ein Extremwetter folgt aufs Nächste. Ist alle (Klima-)Hoffnung verloren? Nein, sagen die Philosophin Claudia Blöser und der Umweltpsychologe Immo Fritsche

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Hoffnung

fluter.de: Vergangenen Winter saß die Aktivistin Carla Rochel von der „Letzten Generation“ bei „Markus Lanz“. Lanz sagte ihr: „Sie sitzen hier mit 20, sie müssten optimistisch sein.“ Können junge Menschen noch mit Hoffnung in die Klimazukunft schauen?

Immo Fritsche: Wenn man auf die internationalen Klimaziele schaut, allen voran das 1,5-Grad-Ziel, sieht es düster aus. Andererseits hat sich viel getan. Als ich mit der Forschung zur Umweltpsychologie begonnen habe, war Umweltschutz eine Sache zukünftiger Generationen und anderer Länder. Jetzt sitzen hier Leute mit am Tisch, die das Jahr 2100 noch erleben könnten.

Claudia Blöser: Ich würde zwei Arten von Gründen für Hoffnung unterscheiden. Zum einen Gründe wie das Pariser Abkommen oder große kollektive Klimabewegungen. Die beschreiben, inwiefern es Anlass zur Hoffnung gibt. Von diesen Gründen hat aber gerade die ältere Generation wenige geschaffen, deshalb finde ich die Aussage von Lanz anmaßend. Und zum anderen gibt es „pragmatische“ Gründe, die sich auf unser Handeln beziehen – egal wie die Welt beschaffen ist. Wir haben ganz einfach Grund zu hoffen, weil es nützlich wäre.

Mit Hoffnung ist man besser in der Lage zu handeln?

Blöser: Ja. Mit mehr Elan, größerer Ausdauer. Wer etwas verändern will, kann Hoffnung gut gebrauchen. Und die kann sich, anders als zum Beispiel Optimismus, auch auf das Unwahrscheinliche richten.

„Hohe Risiken zu kommunizieren motiviert insbesondere, wenn die Leute gleichzeitig das Gefühl haben: Ich kann etwas tun“

Sollten Politik oder Medien dann nicht eher Hoffnung kommunizieren, anstatt sich auf die Risiken der Klimakrise zu konzentrieren?

Fritsche: Man muss den Leuten schon sagen, wie es steht und wie bedrohlich die Lage ist. Aber man muss wissen, wie. Hohe Risiken zu kommunizieren motiviert insbesondere, wenn die Leute gleichzeitig das Gefühl haben: Ich kann etwas tun. Wenn ich Sie dazu bringen will, zur Krebsvorsorge zu gehen, muss ich Ihnen sagen: Es kann für Sie schlimm enden, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass Sie Krebs bekommen – aber hier sind Dinge, die Sie tun können, um schwere Formen von Krebs zu verhindern. Ähnliches gilt für die Klimakrise. Und andersherum gilt auch: Hoffnung motiviert vor allem die Leute zum Handeln, die wegen des Klimas in Sorge sind.

Blöser: Furcht und Hoffnung schließen sich übrigens nicht aus. Hoffnung bezieht sich auf etwas, das man für gut hält und von dem man gleichzeitig unsicher ist, ob es eintritt. Furcht funktioniert ähnlich, nur wünscht man sich da, dass etwas eben nicht passiert. Eine Person, die an die ungewisse Zukunft denkt, empfindet deshalb oft beides.

Greta Thunberg zieht die Furcht offenbar der Hoffnung vor. In einer berühmten Rede auf dem Weltwirtschaftsforum 2019 sagte sie: „I don’t want you to be hopeful. I want you to panic.“ Warum hat sie ein so negatives Bild von Hoffnung?

Blöser: Da spielte das Publikum, vor dem sie sprach, vermutlich eine große Rolle. Wenn sie den Wirtschaftsvertretern in Davos sagt: „Ich will eure Hoffnung nicht“, dann wohl auch, weil Hoffnung oft mit begrenztem Einfluss einhergeht – sonst müsste man ja nicht hoffen. Ihr gegenüber saßen aber vor allem Personen in Machtpositionen. Die sollten lieber davon reden, was zu tun ist, statt davon, was zu hoffen ist.

Vielleicht hat Thunberg auch Angst, dass die Hoffnung uns in Sicherheit wiegt. Kann Hoffen ins Nichtstun führen?

Blöser: Wenn ich sage, ich hoffe etwas, dann heißt das auch: Ich bin nicht sicher, ob meine Handlungen ausreichen, um das zustande zu bringen. Wer hofft, ist von anderen Faktoren abhängig. Und läuft damit Gefahr, sich zu sehr auf die anderen Faktoren zu konzentrieren, statt selbst aktiv zu werden. Vielleicht meint Thunberg deshalb auch, Panik motiviere stärker zum Handeln.

„Furcht und Hoffnung schließen sich übrigens nicht aus. Eine Person, die an die ungewisse Zukunft denkt, empfindet deshalb oft beides“

Auch die „Letzte Generation“ treibt vor allem die Angst vor der Zukunft in den Protest. Das Endzeitszenario steckt schon im Namen.

Fritsche: Im Namen steckt aber auch eine Handlungskomponente. Sie verstehen sich als letzte Generation, die Klimaextreme verhindern kann. Es geht also schon in Richtung Motivation, aber stärker über die Risikowahrnehmung.

Viele schreckt das eher ab. Finden Sie die Proteste und die Kommunikation der „Letzten Generation“ klug?

Blöser: Zunächst mal sind Angst und Verzweiflung angesichts der Bedrohung eine angemessene Reaktion. Das müssen junge Menschen ausdrücken dürfen. Nur scheinen sie so keine Mehrheit hinter sich versammeln zu können, um dem eigenen Ziel näher zu kommen. In der Philosophie nennt man das „affektive Ungerechtigkeit“: Menschen haben angemessene Emotionen, der Ausdruck dieser Emotionen ist für sie aber kontraproduktiv und dient nicht dem Erreichen des Ziels. Das ist der Konflikt, den ich da sehe.

Wäre Hoffnung besser geeignet, größere Gruppen hinter sich zu versammeln?

Fritsche: Hoffnung ist für Gruppen jedenfalls wichtig, die Hoffnung auf Veränderung liegt im Kollektiv. Individuell ist unsere Motivation, etwas für die Umwelt zu tun, oft eingeschränkt, mein Einfluss aufs Klima ist ja begrenzt. Aber wenn man sich nicht nur als Individuum, sondern als Mitglied einer Gruppe definiert – und das können wir Menschen –, kommt man schnell zum Schluss: Wir sind in der Lage, etwas zu verändern.

In der Klimakrise hoffen wir vor allem auf die Abwendung der Katastrophe. Gibt es zu wenige positive Zukunftsbilder?

Blöser: Es gibt schon einige, nur schüren die oft falsche Hoffnungen. Auf rettende Technologie etwa, mit der wir das CO₂ bald einfach aus der Atmosphäre saugen. Solche Visionen wecken auch die Hoffnung, dass wir weiterleben und konsumieren können wie bisher. Und diese Hoffnung wiederum motiviert gar nicht: Sie fokussiert auf etwas, das die Probleme lösen soll, ohne dass man selbst handeln müsste.

Dann bräuchte es größere Visionen, Utopien, um die Leute für sperrige Klimaschutzthemen zu begeistern?

Fritsche: Gemeinsam darüber nachzudenken, wie eine nachhaltige und gerechte Gesellschaft aussehen könnte, erhöht die Handlungsfähigkeit tatsächlich eher als das Nachdenken über Technologien, die die Klimakatastrophe abwenden. Kollektive Projekte helfen, ins Handeln zu kommen. Das können ruhig sehr große Kollektive sein – ein ganzes Land etwa.

Blöser: Andererseits scheint die Zeit der großen gesellschaftlichen Visionen vorbei. Die Utopien des 20. Jahrhunderts, zum Beispiel der Sozialismus, haben nur noch wenige Anhänger. Vielleicht ist es auch der Moment für kleinere, handhabbare Hoffnungen: dass die eigene Stadt klimaneutral wird oder erst mal grüner. Lokal zu denken erleichtert es enorm, Hoffnung in Handeln zu übersetzen.

„Klimahandeln könnte so etwas wie persönliche Therapie sein, eine Möglichkeit, mit Ängsten umzugehen, aus der Schockstarre auszubrechen“

Können denn Handlungen selbst wiederum Hoffnung erzeugen? Die Aktivistin Luisa Neubauer sagt oft: „Hoffnung ist harte Arbeit.“

Blöser: Ja, dieses Wechselspiel ist spannend. Weil es auch bedeutet: Man kann sich die Gründe für Hoffnung selbst schaffen.

Fritsche: Klimahandeln könnte sogar so etwas wie persönliche Therapie sein, eine Möglichkeit, mit Ängsten umzugehen, aus der Schockstarre auszubrechen.

Sollte man darüber reden, wenn man etwas für die Umwelt und Klimapolitik tut?

Fritsche: Ja. Wir Menschen sind stark soziale Wesen. Viele, die was tun oder tun wollen, schweigen darüber, weil sie glauben, andere stünden nicht dahinter. Es ist uns wichtig, nicht aus der Reihe zu tanzen. Dabei hat Klimaschutz in vielen Gesellschaften Mehrheiten. Es ist wichtig, das sichtbar zu machen.

Was macht Ihnen Hoffnung?

Fritsche: Dass sich die Wahrnehmung der Normalität verändert. Auch durch jüngere Debatten wie die zu den Wärmepumpen. Die werden hart geführt und verlangen manchen viel ab. Sie sind aber wichtig, um unsere Normalität herauszufordern: In 15 Jahren wird kaum jemand eine Gasheizung im Keller stehen oder ein Auto mit Verbrennungsmotor haben.

Blöser: Ich habe einen siebenjährigen Sohn. Bei ihm in der Klasse sind die Themen Klima und Umwelt viel normaler als für unsere Generation. Die Sorge um das Klima kann man weitergeben – die nächste Generation wird das Thema mit noch mehr Selbstverständlichkeit und Elan verfolgen.

Immo Fritsche erforscht als Professor für Sozialpsychologie an der Universität Leipzig unter anderem, was Menschen zum Klimaschutz motiviert.

Claudia Blöser hat Physik und Philosophie studiert und hat gerade ihre Habilitation abgeschlossen. Die fragt danach, was Hoffnung ist und welche Funktionen sie hat.

Titelbild: Eric Ruby

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