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Das waren die Jungtürken

Historische Jugendbewegungen, Teil 3: Das Reich des Sultans in eine moderne Republik verwandeln – das wollten Ende des 19. Jahrhunderts die Jungtürken. Dann errichteten sie ein nationalistisches Unterdrückerregime

Jungtürken

Ende des 19. Jahrhunderts galt das Osmanische Reich als „kranker Mann am Bosporus“. Von Mehrfronten-Kriegen, Korruption und Misswirtschaft gebeutelt, zerfiel das von herrschsüchtigen Sultanen geleitete einstige Großreich nach und nach in seine Einzelteile. Wie sollte man das Imperium reformieren?

Die Jungtürken, eine nationalistische Gruppe, die aus einer Geheimorganisation an einer militärischen Medizinschule hervorging und der neben Studenten und Kadetten schnell auch andere Intellektuelle und Eliten angehörten, sahen die Lösung für das Problem in einem Staat nach europäischem Vorbild. Je mehr wirtschaftliche Freiheit und Gleichheit, je strikter die Trennung von Staat und Religion, desto stärker und wohlhabender würde das türkische Reich nach ihrer Meinung werden.

Bis heute nennt man Cliquen, die sich gegen die Herrschenden wenden, Jungtürken

Doch weil ihre Arbeit als umstürzlerisch angesehen wurde, mussten die Jungtürken im Untergrund bleiben. Im Jahr 1908 schließlich erhoben sie sich in einem Aufstand, brachten einige Militärs auf ihre Seite – und zwangen die alte Elite in die Knie. Der Sultan kapitulierte, im Osmanischen Reich galt wieder die liberalere Verfassung von 1876.

Die Jungtürken inspirierten verschiedene Nationalisten des Nahen Ostens. Ohne sie wäre die spätere Ausrufung der Republik Türkei nicht denkbar gewesen. Bis heute wird der Ausdruck Jungtürken für Cliquen verwendet, die sich gegen die Herrschenden wenden.

Doch der Eifer der Jungtürken richtete sich damals nicht nur gegen das Sultanat. Nach einem erneuten Staatsstreich 1913 errichteten die Jungtürken ein Unterdrückungsregime, in dem politische Gegner verfolgt wurden. Hunderttausende Armenier wurden unter der Herrschaft der jungtürkischen Bewegung „Komitee für Einheit und Fortschritt“ in die syrische Wüste deportiert und ermordet. Schätzungen zufolge starben zwischen 1,2 und 2 Millionen Menschen bei diesem Völkermord.

Immer wieder: Die junge Generation begehrt auf und fordert radikale Erneuerung. Unsere historische Reihe über politische Jugendbewegungen:

Teil 1: Wartburgfest und Hambacher Fest – Bürger sein, nicht Untertan

Teil 2: Die 68er – Lüften in einem muffigen und verstaubten Land

Teil 3: Die Jungtürken – für eine Republik gekämpft, dann Unterdrücker geworden

Teil 4: Der Schüleraufstand in Soweto - der Anfang vom Ende der Apartheit

Illustration: Enrico Nagel

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.