Wer anders aussieht, zum Beispiel eine dunkle Hautfarbe hat, wer mit Akzent spricht oder einen ungewöhnlichen Namen trägt, der wird in Deutschland – auch wenn er einen deutschen Pass hat – oft als Ausländer wahrgenommen. Das kann die italienische Kellnerin sein, die von Mai bis Oktober die Eisbecher an die Tische bringt, der spanische Ingenieur, die Finanzexpertin aus New York, die in Frankfurt arbeitet, der türkische Friseur oder der Arzt aus Aleppo, der vom jahrelangen Bürgerkrieg in Syrien traumatisiert ist.

Eigentlich handelt es sich bei dem Begriff „Ausländer“ um eine juristische Kategorie, die für Statistiken sinnvoll sei, erklärt Coskun Canan, Mitarbeiter am Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung. Regelmäßig teilt das Statistische Bundesamt die Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer mit. Der Ausländeranteil ist jener prozentuale Anteil von Menschen, die keine Staatsangehörigen des Landes sind, in dem sie ihren Wohnsitz haben. Darunter fallen auch Staatenlose.

Das Problem: Der Begriff Ausländer suggeriert, dass jemand nicht dazugehört, da er keine deutsche Staatsangehörigkeit hat. Viele Begriffe erweitern diese Ab- bzw. Ausgrenzung: Ausländergesetz, Ausländerkriminalität, Ausländerwahlrecht. Rechtspopulisten können sich das zunutze machen.

Migrationsforscher Canan erklärt, der Begriff „Ausländer“ entspräche bei den meisten gesellschaftlichen Themen eine Scheinkategorie und sei nicht hilfreich, beispielsweise beim Beurteilen des schulischen und beruflichen Erfolgs: „Bei zwei Personen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland geboren wurden, hier das Erziehungssystem durchlaufen und gleiche Qualifikationen erreicht haben, sich jedoch lediglich in ihrer Staatsbürgerschaft unterscheiden, nämlich deutsch und nicht deutsch, erscheint es absurd, eine Unterscheidung nach dem Merkmal der Staatsbürgerschaft vorzunehmen.“

Dort, wo es auf die Staatsbürgerschaft ankomme, zum Beispiel beim Wahlrecht, könne man stattdessen von Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sprechen.

Eine eindeutige Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer gibt es übrigens nicht. Laut Statistischem Bundesamt lag der Wert zum Jahresende 2014 bei 7,2 Millionen Personen, das ist ein Anteil von 8,9 Prozent. Die Zahl stammt aus der Volkszählung „Zensus 2011“, deren Werte aktualisiert werden. Legt man hingegen die Zahl des Ausländerzentralregisters zugrunde, die ebenfalls regelmäßig von den Medien vermeldet wird, dann leben 8,2 Millionen Ausländer in Deutschland. Dieser Wert wird allerdings von Fachleuten des Statistischen Bundesamtes als etwas zu hoch eingestuft. Eines ist jedenfalls klar: Deutschland ist unbestritten ein Einwanderungsland, ebenso wie viele andere Staaten auf der Welt.

Felix Ehring arbeitet als freier Journalist. Bei der Recherche wurde ihm von Zahl zu Zahl klarer: Ob es nun um Armut, Geburten, Arbeitslosigkeit oder Klimaschutz geht – Interessengruppen führen eine teilweise erbitterte Debatte um die Deutungshoheit dieser Zahlen. Und: Einige Journalisten vermelden amtliche Zahlen einfach, ohne sie zu hinterfragen und einzuordnen. Dabei gilt für jede Zahl: Sie sagt nicht nur etwas aus, sie verschweigt auch etwas.