In Hollywoodfilmen reisen Helden durch die Zeit, indem sie einfach einen Knopf drücken. Das ist völlig unrealistisch, oder?

Nein, theoretisch ist das durchaus möglich. Allerdings müsste dieser Knopf eine Menge komplizierter Vorgänge auslösen: die Zeit verbiegen, im Weltall ein so genanntes Wurmloch herstellen, es so vergrößern und so lange offen halten, dass man hindurchschlüpfen kann. Alles Sachen, die nicht ganz so einfach sind, wie es in Filmen oder Büchern immer scheint.

Wer hat denn überhaupt damit angefangen?

Herbert George Wells schrieb 1895 den Sciencefiction-Roman "Time Machine" - "Die Zeitmaschine". Gleich zu Beginn des Romans schreibt er, dass Raum und Zeit relativ sind. Zehn Jahre später wurden Wells' Fantastereien von der Wissenschaft belegt: Albert Einstein formulierte die Spezielle Relativitätstheorie. 

Wissenschaftler sagen seitdem also, dass man durch die Zeit reisen kann?

Im Grunde ja. Einstein bewies, dass die Vorstellung von einem universellen "Jetzt" falsch ist. Zeit ist elastisch. Es kommt darauf an, wie schnell wir uns bewegen. In den Siebzigerjahren haben das Physiker in einem Experiment nachgewiesen: Sie ließen eine Atomuhr in einem Flugzeug um die Welt fliegen und verglichen die Zeit dann mit einer gleichen Uhr, die am Boden geblieben war: Im Flug war die Zeit langsamer vergangen, wenn auch nur um wenige Nanosekunden, aber um genau die Zeit, die Einstein vorhergesagt hatte.

Wie schnell müsste ich dann sein, damit die Zeit wirklich spürbar langsamer vergeht?

Man müsste versuchen, Lichtgeschwindigkeit zu erreichen. Und das sind immerhin 300000 Kilometer pro Sekunde. Könnte man in einem Raumschiff mit Lichtgeschwindigkeit reisen, würde die Zeit still stehen. Aber schon mit nur halber Lichtgeschwindigkeit, also 150000 km/s, läuft die Zeit ganze 13 Prozent langsamer ab. Und flöge man heute mit 99,99999 Prozent der Lichtgeschwindigkeit los, könnte man in einer knapp sechsmonatigen Reise im Jahr 3000 landen.

Sind denn solche Geschwindigkeiten überhaupt möglich?

Derzeit fliegen Raumfahrzeuge gerade mal mit 0,01 Prozent der Lichtgeschwindigkeit - da verlangsamt sich die Zeit also so gut wie gar nicht. In Belgien steht aber ein Elektron-Positron-Speicherring, der Elektronen auf 99,999 999 999 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen kann. 

So schnell wird ein Raumschiff doch nie werden...

Deswegen denken Wissenschaftler noch über eine zweite Möglichkeit der Zeitreise nach. Einstein erweiterte nämlich 1915 seine Spezielle Relativitätstheorie. Er untersuchte den Einfluss der Gravitation der Erde und stellte fest: Schwerkraft verlangsamt die Zeit! In den Weiten des Weltraums läuft also die Zeit schneller ab als zum Beispiel in der Nähe der Erde. In ihrer Umgebung wird die Raumzeit - also sowohl der Raum als auch die Zeit - gekrümmt. Einstein entwarf ein einfaches Bild: Die Raumzeit soll man sich wie eine frei hängende Gummimatte vorstellen. Wenn auf diese eine sehr schwere Kugel fällt, entsteht eine Vertiefung. Je schwerer diese Kugel ist, desto größer wird die Vertiefung in der Gummimatte, desto mehr wird also die Raumzeit gekrümmt.

Man könnte also sehr schwere Objekte nutzen, um in die Zukunft zu reisen?

Ja. Diese Objekte müssen aber gleichzeitig auch sehr klein sein. Denn die Dichte eines Körpers bestimmt, wie schnell die Zeit in seiner Nähe abläuft. Die höchste Dichte haben Forscher bei implodierten Sternen gefunden. Wenn ein Stern unter seinem eigenen Gewicht in sich zusammenfällt, dann hat er an-schließend nur noch einen Bruchteil seiner Ausgangsgröße, obwohl er genauso schwer ist wie vorher. Ist alle Masse bis auf einen letzten Punkt in sich zusammengefallen, nennen Wissenschaftler das ein "Schwarzes Loch". Würde man auf einer Bank in der Nähe eines Schwarzen Loches sitzen und auf die Erde schauen, würde man das Geschehen dort im Zeitraffer ablaufen sehen. Weil auf unserer Bank die Zeit wegen der starken Schwerkraft viel langsamer vergeht. Damit sind wir aber noch nicht durch die Zeit gereist. Es macht aber das Prinzip klar. Wenn man erst einmal akzeptiert, dass Zeit nicht universell ist, sondern relativ, dann erscheint es auch möglich, an einen Ort zu reisen, wo die Zeit viel langsamer vergeht. Von dort aus kann man auf die Erde zurückkehren, wo die Zeit schon sehr viel schneller vergangen ist, man kommt also zurück und ist in der Zukunft.

Und warum gibt es das noch nicht?

Weil wir, würden wir zum Beispiel in die Nähe eines Schwarzen Lochs reisen, von der großen Schwerkraft ins Innere des Schwarzen Lochs gesogen werden würden. Zwar denken die theoretischen Physiker auch darüber nach, wie dieses Problem zu lösen sein könnte. Aber es existiert noch kein Ansatz, der Grund zum Jubeln gibt.

Interessanter ist es ja vielleicht auch, in die Vergangenheit zu reisen. Das ginge ja mit diesen beiden Methoden gar nicht.

Das stimmt. Sowohl mit der Verlangsamung der Zeit durch Schwerkraft als auch mit an-nähernder Lichtgeschwindigkeit könnte man lediglich in die Zukunft reisen. Die Wissenschaftler gehen allerdings davon aus, dass sich mit Überlichtgeschwindigkeit "Vorher" und "Nachher" umdrehen ließen. Ein rotierendes Schwarzes Loch erscheint den Wissenschaftlern geeignet, Überlichtgeschwindigkeit zu erreichen. Denn durch seine unendlich hohe Masse und die minimale Größe werden die Raumzeit in seiner Umgebung unendlich gekrümmt und das Licht auf diese gekrümmte Bahn abgelenkt. Ein Zeitreisender müsste in das Innere des Raumzeit-Trichters springen.

Und dann würde er in die Vergangenheit reisen?

Nicht ganz. Er müsste zwei weitere Probleme überwinden. Der Zeitreisende muss nicht nur in ein Schwarzes Loch springen, sondern dort auch wieder herauskommen. Das ist zum einen schwierig, weil der Tunnel sich immer mehr verengt und an einem Punkt endet, wo die Zeit stehen bleibt. Deshalb müssten zwei Schwarze Löcher sich so verbinden, dass es nicht nur einen Eingang, sondern auf der anderen Seite auch wieder einen Ausgang gibt. Das nennen die Wissenschaftler ein Wurmloch. Und zum anderen muss der Zeitreisende es schaffen, der Sogkraft des Schwarzen Loches zu entkommen. Dazu braucht er Antischwerkraft.

Antischwerkraft klingt ja noch absurder als Wurmloch.

Ist sie aber nicht. Antischwerkraft wird durch negative Energie hervorgerufen - und die haben Wissenschaftler schon erzeugt, wenn auch nur in geringen Mengen. Wenn der Zeitreisende diese beiden Hürden überwunden hat, dann könnte er durch das Wurmloch schlüpfen und würde in der Zeit rückwärts reisen. Denn das Licht hätte den gesamten langen Weg durch das Weltall nehmen müssen, während der Zeitreisende selbst die Abkürzung durch das Wurmloch genutzt hätte.

Gut. Jetzt gibt es also für jedes Problem, das uns noch daran hindert, in der Zeit zu reisen, hoffnungsvolle Ansätze. Aber was ist, wenn ich - wie es in Filmen vorkommt - die Vergangenheit verändere und zum Beispiel daran schuld bin, dass meine Mutter stirbt und ich selbst nie geboren werde. Bin ich dann tot oder lebendig?

Beides. Es gäbe unendlich viele Realitäten und unendlich viele Universen. So wie in der Quantenphysik ein Objekt mehrere Zustände besitzen kann, könnten wir - wenn wir durch Zeitreisen Ursache und Wirkung stören - in zwei Paralleluniversen existieren; oder eben in der einen Realität am Leben und in der anderen überhaupt nicht geboren sein. Innerhalb eines Universums wäre allerdings die Realität absolut stimmig und jede Person wäre sich absolut sicher, einzigartig zu sein und auch in der einzig wahren Wirklichkeit zu leben. In der Realität, aus der du gekommen bist, wärst du eben nicht auf der Welt. In der Realität, in der du dich jetzt gerade befindest, bleibst du aber einfach am Leben.