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Schmiegt sich malerisch an die raue Pazifikküste: Das Diablo Canyon Power Plant (Foto: picture alliance)

Schmiegt sich malerisch an die raue Pazifikküste: Das Diablo Canyon Power Plant

(Foto: picture alliance)

Große geschälte Mangos am Stil, Livemusik auf der Strandpromenade und ein für Pazifikverhältnisse ziemlich warmes Meer: Avila Beach ist der perfekte Ort zum Entspannen. Genau das Richtige nach einem dreiwöchigen Roadtrip quer durch Kalifornien, der von den überfüllten Surferstränden in Orange County über das trubelige L.A. hin zum hitzewellengeplagten Palm Springs führte.

Nach unserem Strandtag kehren wir bei einem alten Schulfreund ein, der inzwischen Mathematikprofessor in San Luis Obispo ist. Und der sät beim abendlichen Fisch-Taco-Essen ernste Zweifel am vermeintlichen Beach-Idyll. „Echt, da wart ihr schwimmen?“, fragt er. „Wisst ihr denn nicht, dass eine Bucht weiter ein Atomkraftwerk steht?“

Nein, das wussten wir nicht.

Die anschließende schnelle Recherche mit dem Smartphone zaubert zunächst einmal das Bild eines irgendwie pittoresken backsteinroten Gebäudes direkt am Meer aufs Display: Das Diablo-Canyon-Atomkraftwerk. Fast wie ein Kloster sieht es aus, auf jeden Fall fehlen diese typischen großen Kühltürme, denn zum Kühlen nutzt der Betreiber direkt das Wasser aus dem Meer. Und dorthin fließt es auch wieder zurück.

Die Angst vor „The Big One“

Diablo Canyon ist das einzige der ehemals fünf kalifornischen AKW, das noch in Betrieb ist. Am bekanntesten von ihnen ist San Onofre nördlich von San Diego. Es wurde durch einen zotigen Gag im Kultfilm „Die nackte Kanone“ berühmt, weil die beiden Meiler die Form von zwei Frauenbrüsten haben. 2013 wurde es stillgelegt, was sich das Gros der Kalifornier auch von Diablo Canyon wünscht. Schließlich befindet sich der Bundesstaat durch die San-Andreas-Verwerfung in permanenter Erdbebengefahr.

Auf einer Länge von über 1.000 Kilometern reiben die pazifische und die nordamerikanische Kontinentalplatte aneinander. Experten schätzen die Gefahr eines „sehr zerstörerischen Erdbebens“ mit einer Stärke von mehr als 6,7 bis zum Jahr 2032 inzwischen für Südkalifornien auf 99,7 Prozent – im Volksmund wird die drohende Katastrophe nur „The Big One“ genannt. Diablo Canyon aber soll noch bis zum Jahr 2025 Strom liefern.

Schon als das AKW errichtet wurde, gab es Proteste, denn nach fünf Jahren Bauzeit wurde pünktlich zur Fertigstellung 1973 eine weitere Verwerfung auf dem Meeresboden entdeckt – nur wenige Kilometer vom Kraftwerk entfernt, das daraufhin nachgerüstet wurde. In den Folgejahren, insbesondere 1979 nach dem Unfall im Atomkraftwerk Three Mile Island bei Harrisburg, gab es in Kalifornien die größten Anti-Atom-Proteste in der US-amerikanischen Geschichte. 25.000 demonstrierten in San Francisco, 40.000 waren es in San Luis Obispo.

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Demonstranten, verkleidet als atomverseuchtes Essen: Schon vor über 25 Jahren wurde gegen das AKW protestiert (Foto: Thom Halls)

Demonstranten, verkleidet als atomverseuchtes Essen: Schon vor über 25 Jahren wurde gegen das AKW protestiert

(Foto: Thom Halls)

Über die Jahre ebbte der Widerstand ab, das AKW am Pazifik rutschte ein wenig aus der öffentlichen Wahrnehmung – bis zum Unfall im japanischen Fukushima. Der führte der Welt vor Augen, welche Folgen es haben kann, wenn ein AKW in einem Erdbebengebiet steht. Doch nicht nur das sorgt im Fall von Diablo Canyon immer wieder für Proteste. Durch die Ableitung des erwärmten Wassers ins Meer werde die Meeresfauna und -flora massiv geschädigt, geben Naturschützer zu bedenken und verweisen auf das einzigartige Ökosystem an der kalifornischen Pazifikküste.

Tatsächlich hatten wir einen Tag vor unserem Abstecher in die Atombucht an einem Küstenabschnitt ganz in der Nähe ein paar einzigartige Strandbesucher beobachtet: eine Kolonie von Seeelefanten, die träge in der Sonne lagen oder auf unnachahmliche Art ins Wasser schwabbelten. Auch um den Erhalt dieser Urviecher geht es, wenn die kalifornischen Atomgegner auf die Barrikaden gehen.