In dem Bild „Take Off Your Clothes“ hat der nordkoreanische Künstler Song Byeok den Kopf des ehemaligen nordkoreanischen Diktators Kim Jong-il auf Marilyn Monroes Körper platziert. In ihrer berühmten Pose aus dem Film „Das verflixte siebte Jahr“ hält sich der Diktator das weiße Kleid, das vom Luftzug hochgewirbelt wird und ihm über den Kopf zu fliegen droht. Eine Haltung, die jeglichen Personenkult untergräbt und damit ein typischer Irritationsmoment der Arbeiten Songs. Sie wirken wie Propagandakunst, sind jedoch ironisch-kritische Botschaften über das nordkoreanische Regime. Auch haftet ihnen der Stolz an, den Song einst für sein Heimatland empfand.

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Nur auf den ersten Blick Propagandakunst: Song Byeok vor einigen seiner Werke. (Foto: Hannes Jung)

Nur auf den ersten Blick Propagandakunst: Song Byeok vor einigen seiner Werke.

(Foto: Hannes Jung)

Auch Kim Jong-ils Vater und Amtsvorgänger Kim Il-sung hat Song oft gemalt, als Propagandakünstler des Staates, zu dem er in den frühen 1990er-Jahren ernannt wurde. Da war er gerade mal 24 Jahre alt. Voller Verehrung malte er Kim in vielfacher Ausführung auf Plakaten, die in ihrer Größe ganze Hauswände bedeckten. Song unterstützte den Führerkult des diktatorischen Regimes jahrelang mit dem Pinsel.


Gegen Ende der 1990er-Jahre wird Songs Begeisterung erschüttert. Die große Hungersnot forderte Schätzungen zufolge eine Million Opfer. Song und sein Vater beschließen, nach China zu reisen, um dort Nahrung für die Familie zu beschaffen. Ein illegaler Plan. Am Fluss Tumen, der die Grenze zu China bildet, endet ihre Reise: Der Vater wird von der Strömung erfasst und ertrinkt. Song wird vom nordkoreanischen Geheimdienst verhaftet. Nach qualvoller Haft wird er ein halbes Jahr später überraschend freigelassen.

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cms-image-000048944.jpg (Foto: Hannes Jung)
(Foto: Hannes Jung)

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(Foto: Hannes Jung)

Doch die Freiheit fühlt sich nicht befreiend an – im Gegenteil: Die Situation im Land ist noch schlimmer geworden, seine Schwester inzwischen verhungert. Tief enttäuscht vom Regime versucht er 2002 ein zweites Mal zu fliehen, dieses Mal gelingt es ihm. Von China geht es nach Südkorea.


Auch in seiner Bildsprache verändert Song seine Position: Es wirkt, als ob er sich nun über etwas lustig macht, was ihm vorher so ernst und bedeutsam erschien.

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cms-image-000048946.jpg (Foto: Hannes Jung)
(Foto: Hannes Jung)

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cms-image-000048947.jpg (Foto: Hannes Jung)
(Foto: Hannes Jung)

Kurios ist, dass Songs Werke in Südkorea kaum geschätzt werden, denn Nordkorea ist für viele dort bedeutungslos. Vor allem interessieren sich Menschen aus westlichen Ländern für seine Arbeiten. Die physische und mentale Distanz, die sie zu Nordkorea und der kommunistischen Propaganda haben, lässt sie seine Kunst anders wahrnehmen. Vielleicht auch, weil sie mit der Symbolsprache aus der amerikanischen Popkultur vertraut sind, die Song in seinen Arbeiten verwendet. Er zeigt dabei nicht nur einen anderen Lebensentwurf auf, sondern offenbart auch den Wahnsinn des totalitären nordkoreanischen Regimes.