Kultur

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Pistole in der Hose

Robert Yangs Computerspiele thematisieren schwule Kultur und Intimität. Seine Spiele werden immer wieder angegriffen und zensiert. Wir haben ihn gefragt, wie er damit umgeht

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the tearoom

fluter.de: Robert, dein Spiel „The Tearoom“ ist angeblich ein „historischer Herrenklo-Simulator”, der in Männertoiletten spielt. Es geht darum, Sex mit möglichst vielen Männern zu haben, ohne von der Polizei erwischt zu werden. Die Herren haben alle eine Pistole statt eines Penis. Was soll das?

Robert Yang: Meine Spiele werden vor allem wegen Nacktheit und sexueller Inhalte zensiert oder gesperrt. Also habe ich die Penisse mit dem Objekt ersetzt, das im Gaming am besten akzeptiert wird – mit Pistolen.

Aber auf dem Marktplatz „Steam“ und der Streamingplattform „Twitch“ gibt es ja auch Altersfreigaben. Warum wirst du dann zensiert?

Steam und Twitch verbannen Sex, weil wir alle denken, Computerspiele seien immer noch vor allem Kindersache und dass Kinder bloß nicht mit sexuellen Inhalten konfrontiert werden sollen. Aber wenn Spiele eine ernstzunehmende Kunstform sind, wie können sie dann Sex und Nähe ausklammern? Moderation, Alterskennzeichnungen, Inhaltswarnungen, kann ich alles akzeptieren. Doch ich akzeptiere nicht den kompletten Ausschluss einer ganzen Kultur – vor allem dann nicht, wenn das heimlich gemacht wird.

Wieso heimlich?

Twitch schmeißt meine Spiele ohne Benachrichtigung raus. Wenn ich nachfrage, was genau erlaubt ist und was nicht, dann verweigern sie mir eine Erklärung. Diese Geheimpolitik hat eine abschreckende Wirkung: Viele Leute auf Twitch denken jetzt einfach, alle meine Spiele seien verboten, obwohl das nicht stimmt.

Darf man „The Tearoom“ jetzt auf Twitch streamen?

Ja. Ich habe jemanden beim Spielen auf Twitch zugesehen, und die ganze Zeit haben Zuschauer im Chat behauptet, es sei verboten. Es war fürchterlich, das anzuschauen.

Succulent

Robert Yang mag es nicht, wenn der Sex hinter 40 Stunden Fantasyschlachten versteckt wird. Deshalb geht es in seinem Game „Succulent“ einfach nur um diesen knackigen Typen, der sexy Sachen mit seinem Mund macht.

 

Steam hat kürzlich angekündigt, in Zukunft so offen wie möglich zu sein. Denkst du jetzt doch darüber nach, auf der Plattform zu veröffentlichen?

Das Problem ist Vertrauen. Es gibt kein Vertrauen, keine Beziehung. Die können versprechen, was sie wollen – bestimmt mit den besten Absichten – aber sie halten sich offenbar nicht an ihre Versprechen. Es gibt ein wunderbares Spiel namens NSFWare von Pierre Corbinais, zu dem Valve nun seit einem vollen Monat nicht verraten hat, ob es reindarf. Also muss ich und müssen all die anderen Entwickler erstmal annehmen, dass die neue Richtlinie bedeutungslos ist.

Kann man die Plattforminhaber umstimmen? Was hältst du von Boykottforderungen?

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Robert Yang

Robert Yang staunt selbst, wie populär seine kurzen Spiele über Spanking, Duschräume, Penisfotos und Auto-Erotik sind. „Radiator 2“, sein einziger Titel auf der populären PC-Spieleplattform Steam, wurde über 150.000 Mal heruntergeladen. Er lehrt am Game Center der New York University und spricht regelmäßig auf Fachkonferenzen

Ich weiß nicht, ob ein Boykott funktionieren würde; oder ob ich all meine Zeit und Energie dafür aufbringen will, statt einfach weiter Spiele zu machen. Erstmal finde ich die Unterstützung ethisch stärkerer Plattformen wie itch.io am sinnvollsten.

Deine Spiele zeigen ja Sexualität ganz explizit, aber die Darstellung wirkt humorvoll.

Ich versuche, kommerzielle und hochwertig produzierte Spiele zu machen, aber ich weiß nicht, ob man die humorvoll nennen kann.

Du stellst menschliche Körper ungewöhnlich dar. Wenn Games versuchen, menschliche Nähe realistisch abzubilden, geht das meistens schief und die Menschen sehen aus wie Roboter. Einerseits sehen deine Körper ziemlich realistisch aus, andererseits bewegen sie sich oft merkwürdig oder übertrieben, so als seien es eben doch keine Menschen. Ist das Absicht?

Ich finde, ein Bild soll aussehen wie ein Bild und ein Videospiel wie ein Videospiel, und ein Körper in einem Videospiel darf sich fremdartig anfühlen. In großen kommerziellen Games ist der Charakter oft ein Bodybuilder mit flüssigen, per Motion Capture erfassten, von K.I. gesteuerten Animationen – wie soll ich mich mit so einem unmöglichen Körper identifizieren? Meine Erfahrungen sehen ganz anders aus. Ein fremdartiger Roboterkörper ist ehrlicher, als ein vermeintlich realistischer, perfekter Körper.

Wie erlebst du als progressiver Spielemacher die aktuelle Lage in den USA? 

Die Apokalypse hat für die Progressiven in der Spieleszene schon vor Trump stattgefunden – 2014, mit Gamergate. Da haben sich radikalkonservative Alt-Right-Mobs zusammengeschlossen, um Frauen und queere Menschen aus der Szene rauszuschikanieren. Der Mainstream der Spieleindustrie hat uns nicht geholfen, hat uns Sterben lassen. Also herrscht bei uns seit Jahren eine finstere Stimmung. Als Künstler habe ich gelernt, sehr misstrauisch zu sein – und niemals großen Firmen oder Institutionen zu trauen, denen geht es immer mehr um Profit und den Anschein von Ordnung, als um Gerechtigkeit.

Welchen Titel würdest Du Menschen empfehlen, die Dein Werk nicht kennen?

Ich mag „Succulent“, weil es genau das ist, wonach es aussieht. Du schaust dem knackigen Typen dabei zu, wie er erotische Sachen mit dem Mund macht. Das war‘s. Ich verstecke den Sex nicht hinter 40 Stunden Fantasyschlachten oder Ressourcenmanagement. Mein Fokus ist: dem Sex den Respekt und die Aufmerksamkeit geben, die er verdient, ohne all diesen Extra-Videospielscheiß obendrauf.

Bilder: Robert Yang

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.