Fast zwanzig Jahre lang hatten die Brüder Sven und Rouven Brauers an ihrem Traum vom perfekten Surfboard gearbeitet. Doch mit dem, was Ende 2005 passierte, hatten sie nicht gerechnet: Die US-amerikanische Firma Clark Foam, mit 80 Prozent Weltmarktanteil der Riese unter den Herstellern von Surfboardrohlingen, hatte ihre Produktion eingestellt. Bis zu 140 Mails täglich gingen bei der Bufo Boards GmbH in Wolfsburg ein, dem Unternehmen, das die Brüder im Februar 2003 gegründet hatten: Potenzielle Kunden suchten nach neuen Geschäftspartnern, Bestellungen für Tausende Wellenreitbretter hätten die Brauers annehmen können. Doch statt die Bedürfnisse des Marktes zu befriedigen, beantworteten sie die Mails bald gar nicht mehr – die Kapazitäten von Bufo Boards waren längst erschöpft.

Noch heute wird Sven lauter, wenn er an diese Zeit denkt. Er wird lauter, weil er bekannte Hersteller mit Interesse an mehr als 3000 Boards enttäuschen musste. Er wird lauter, weil er und sein Bruder schon vor dem Produktionsstopp von Clark Foam Anfragen von Kunden erhielten, die sie nicht bedienen konnten. Vor allem wird er lauter, weil Bufo Boards seit sechs Jahren massiv expandieren möchte, aber etwas fehlt, um die Bedürfnisse des Marktes zu befriedigen: Geld.

1987 standen der 15-jährige Sven und sein zwei Jahre jüngerer Bruder Rouven während eines Familienurlaubs auf der dänischen Insel Bornholm zum ersten Mal auf einem Surfboard. Sie waren so begeistert, dass sie im Wellenbad ihrer westfälischen Heimatstadt Melle weitersurfen wollten. Weil es keine Bretter für den niedrigen Wellengang gab, bauten und testeten sie aus Baumarkt-Materialien eigene Modelle. Dabei reifte ihr Traum: das perfekte Surfboard zu entwickeln.

Der Traum ist Realität: Bufo Boards sind leichter, flexibler und – dank einer bionischen Konstruktion, bei der die Außenhaut des Bretts und der hohle Surfbrettkörper wie verwachsen sind – deutlich stabiler als Konkurrenzprodukte. Mit Preisen ab 655 Euro sind sie zudem erschwinglich. Die beiden haben zahlreiche Auszeichnungen bekommen, unter anderem den hoch angesehenen Concept Award auf dem Internationalen Forum Design. Surflegenden wie Tom Curren oder Robbie Page schwören auf die Bretter der Brauers. Page war der erste Weltklassesurfer, den die beiden überzeugten. Nach Testfahrten war er so begeistert, dass er vor Foto-grafen der einflussreichen Zeitschrift Surf Europe auf einem Bufo Board herumsprang, um die hervorragenden Eigenschaften zu demonstrieren. Eine Seite waren die Bilder der Zeitschrift 2001 wert und machten Bufo Boards in der Surfszene bekannt.

Selbstbewusst gingen Sven und Rouven daher 2001 zu einem Patentanwalt, um ihre Konstruktionsweise schützen zu lassen. „Ganz grün im Gesicht“ verließen sie sein Büro wieder: Gut 180 000 Euro sollte der weltweite Patentschutz kosten. Ein innovatives Produkt zu entwerfen war das eine, es erfolgreich auf den Markt zu bringen aber etwas anderes.

An unzähligen Businessplan-Wettbewerben hat Sven Brauers seither teilgenommen und so ihren Businessplan perfektioniert. Er hat sich einen Überblick über den Dschungel von rund 700 deutschen Wirtschaftsförderungsprogrammen verschafft, nicht ohne Erfolge: Das Erfinderzentrum Norddeutschland, eine staatliche Förderungsgesellschaft für junge Gründer, lieh ihnen 75 Prozent der Patentkosten. Die Wolfsburg AG, eine 50-prozentige Tochter der VW AG, stufte sie als „High Potential Start Up“ ein, stellte ihnen Räume auf dem Wolfsburger InnovationsCampus und Zugriff auf das Wissen der VW-Fach-leute zur Verfügung. Eltern und Freunde beteiligten sich mit Geld am Unternehmen und retteten es in kritischen Phasen.

Mittlerweile könnte die Bufo Boards GmbH mit derzeit sechs festen Mitarbeitern und zwei Praktikanten allein überleben und langsam wachsen, aber die Zeit drängt. Noch ha-ben sie mit ihrer Innovation einen Vorsprung von rund vier Jahren vor der Konkurrenz, schätzt Sven, doch die „schläft nicht“. Zudem rentieren sich die hohen Investitionen für den Patentschutz vor allem, wenn man sie auf 
einen großen Umsatz verteilt. Um das Tempo zu erhöhen, brauchen die Brauers Geld: für Messestände, für mehr Angestellte in der Produktion und im Marketing, für Werbung und Vertrieb. Zwei Millionen Euro insgesamt, sagt Sven, „je mehr, umso höher unser Tempo“. Auf etlichen „Venture Capital“- oder „Business Angels“-Veranstaltungen, auf denen jun-
ge Gründer möglichen Investoren ihre Geschäftsmodelle vortragen, war er schon. Immer waren alle begeistert von dem Unternehmen, dem Geschäftsmodell, dem Produkt, den Brauers. Doch dann spielten sich häufig ähnliche Szenen ab: Unfähige Consultants, von denen es, so Sven, „in Deutschland mehr gibt als eigentliche Gründer“, boten ihre Hilfe gegen horrende Gebühren an. Investoren ließen sich individuelle Businesspläne erstellen und meldeten sich nie wieder.

Wesentliche Gründe: das Produkt und die Branche, gepaart mit generellen Vorurteilen. „Erfinder gelten als durchgeknallt. Surfer können eh nicht mit Geld umgehen. Und Gründer haben keine Ahnung von irgendwas“, fasst Sven zusammen. Zudem verstehen wenige etwas vom Wellenreiten, und Investoren investieren am liebsten in Branchen, die sie kennen. Sven erinnert sich an Banker, die nach einem dreistündigen Vortrag über Bufo Boards und den Wellenreitmarkt fragten: „Und wo befestigen Sie jetzt das Segel?“

„Beim Thema Geld rutscht den meisten das Herz in die Hose“, sagt Sven. Die Mehrheit der Investoren folge lieber Trends, als der 
eigenen Begeisterung zu trauen: Geld für ein Start-up im Bereich Web 2.0 zu bekommen ist leichter. „Wir sind die Braut, die alle sexy finden, bei der aber alle Angst kriegen, wenn es dann ernst wird“, sagt Sven. „Alle sagen dir, die Welt stecke voller Investoren. Wenn man endlich erkennt, dass das nicht stimmt, dann bleibt vielen Gründern nicht mehr 
die Zeit, um aus eigener Kraft zu wachsen.“

Die Brauers haben diese Phase hinter sich gelassen. Sie haben einen Partner eingestellt, der für die Finanzen zuständig ist. Sie werden nicht müde, Kontakte zu knüpfen und ihre Geschichte zum hundertsten Mal zu wiederholen. Zwei ernsthafte Interessenten gibt es momentan. Träumten die Brauers anfangs davon, ein Board für die besten Surfer der Welt zu entwickeln, hoffen sie nun, dass sie einen Investor finden, der das jetzt serienreife Produkt mit ihnen auf den Weltmarkt bringt und Verständnis hat für den Markt, in dem sich die Bufo Boards GmbH bewegt. Einer, auf dem man Sven und Rouven Brauers schon sehnsüchtig erwartet.