An sozialen Netzwerken kommt man nicht mehr vorbei, heute sind selbst die Lehrer auf Facebook. Aber sich deswegen gleich dort mit ihnen anfreunden? Auch wenn's vielleicht sinnvoll klingt – das geht doch ein bisschen zu weit. Finden zumindest die Ministerien einiger Bundesländer und haben diese Form der Schüler-Lehrer-Interaktion gleich mal untersagt. Aber zugegeben: Ganz unpraktisch ist es auch wieder nicht, eigenverantwortlich muss das doch wohl in Ordnung sein. Oder? Wir lassen mal wieder streiten!

Pro: Warum denn bitte nicht?

Die heutige Beziehung zwischen Schülern und Lehrern lässt es zu, in sozialen Netzwerken befreundet zu sein, meint Lehrerin Dorothea Kleffner. Außerdem: Wo sonst kann sie für ihre Schüler derart gut erreichbar sein? Auch deshalb nutzt sie Facebook seit Jahren. Zu Problemen habe das noch nie geführt

Ich arbeite nun schon seit zwölf Jahren als Lehrerin in Hamburg. Meine Schüler sind hauptsächlich Jugendliche zwischen 10 und 18 Jahren. Seit ungefähr sechs Jahren bin ich bei Facebook registriert und kommuniziere dort auch mit einigen Schülern.

Ich habe mir seitdem eigentlich nie die Frage gestellt, ob ich womöglich die nötige Distanz zu meinen Schülern aufgebe, wenn ich mit ihnen auf Facebook befreundet oder über WhatsApp mit ihnen in Kontakt bin. Wahrscheinlich liegt das daran, dass ich mit manchen meiner Schüler mehr Zeit verbringe als deren Eltern.

Natürlich weiß ich um die Kritik, die es an Facebook gibt. Das thematisieren wir auch in der Medienerziehung an unserer Schule und halten die Schüler dazu an, sich gut zu überlegen, was sie auf Facebook an persönlichen Details über sich bekannt geben. Aber es wäre auch weltfremd, Jugendlichen heute die Benutzung der großen sozialen Netzwerke ausreden zu wollen. Wenn ich mit ihnen dort kommuniziere und eine behutsame Nutzung vorlebe, erreiche ich mehr.

Da ich viele Projekte mit Schülern koordiniere, etwa Filmprojekte, Malaktionen und eine Schülerfirma, die Caterings veranstaltet, sind Facebook oder WhatsApp schon sehr praktische Hilfsmittel, um Informationen möglichst schnell weiterzuleiten. Innerhalb der geschlossenen Gruppen können dann Fragen und Wünsche ausgetauscht werden, und man muss nicht jeden einzeln anrufen oder in der Schule suchen und ansprechen. Zudem bietet Facebook sich an, wenn es um Werbung für eine Veranstaltung oder für unsere Schülerfirma geht. Man erreicht über diese Medien viel mehr Menschen und kann sich die Kosten für Flyer sparen.

"Ich mache kein Geheimnis aus meinem Leben"

Ich persönlich habe noch nie die Erfahrung gemacht, dass Schüler die Gelegenheit nutzen, via Facebook Böses über mich zu veröffentlichen oder mich in meiner Freizeit zu belästigen. Ohnehin bin ich dem ja nicht wehrlos ausgeliefert: Ich kann selbst entscheiden, was ich von mir persönlich preisgebe. Ich kann Kontakte löschen, wenn ich kein gutes Gefühl bei der Sache habe. Und ich bin selbst dafür verantwortlich, wie oft ich meinen Computer oder mein Handy nach Nachrichten überprüfe. Ich bin eben nur dann erreichbar, wenn ich erreichbar sein will.

Meine Schüler wissen alle, dass ich ein Privatleben habe. Veröffentliche ich wirklich mal Bilder von der Familie oder von privaten Erlebnissen, interessiert sie das kaum – zumindest haben sie mich noch nie darauf angesprochen oder derartige Postings kommentiert. Wahrscheinlich ist es auch weniger interessant, da ich kein Geheimnis aus meinem Leben mache.

Wozu auch, ich bin weder besonders wichtig, noch habe ich brisante Informationen. Da ich glaube, über einen gesunden Menschenverstand zu verfügen, ist mir klar, dass ich nur ausgewählte Bilder oder Informationen verbreiten kann, aber dabei geht es mir weniger um meine Schüler als um die Tatsache, dass diese Informationen im Netz gespeichert bleiben.

"Die Lehrerrolle verändert sich"

Um die Frage nach Nähe oder Distanz von Lehrern und Schülern wird meines Erachtens zu viel Aufhebens gemacht. Da sich die Lehrerrolle sowieso stetig verändert, man heute nicht mehr der reine Wissensvermittler ist, sondern Begleiter und oft auch Bezugsperson, gibt es meiner Meinung nach immer weniger Lehrer, die ihren Job nur im Schulgebäude erledigen und danach ein anderer Mensch sind. Die meisten meiner Kollegen engagieren sich zusätzlich zum Unterricht und versuchen, Schülern den Spaß an Schule und Lernen neu zu vermitteln. Insbesondere schwierige Schüler brauchen da starke und konstante Beziehungsarbeit. Und dafür eignen sich unter anderem die sozialen Netzwerke, da sie die Kommunikation einfach machen.

Dass sich Schüler gezwungen fühlen könnten, diese Medien zu nutzen, da sie sonst von bestimmten Informationsgruppen ausgeschlossen werden könnten, habe ich bisher auch nicht erlebt. Ab und zu gibt es Schüler, die sich dem aus Datenschutzgründen verweigern. Die rufe ich dann eben persönlich an oder spreche mit ihnen in der Schule. Ein Verbot finde ich unsinnig, da man mit seinen Schülern ohnehin in irgendeiner Form in Kontakt steht. Und wer eben gerne kumpelhaft ist, soll das doch bitte sein dürfen. Was ist so schlimm daran, wenn man ein entspanntes Verhältnis zu den Menschen hat, die einen täglich umgeben.

„Man nennt das 'Neue Autorität'

Deswegen muss nicht gleich der Respekt verloren gehen. Autorität geht nicht durch Nähe oder eine größere Vertrautheit verloren, im Gegenteil. Je mehr Beziehungsarbeit ich leiste, umso respektvoller und verständnisvoller sind die Schüler mir gegenüber. Das nennt man die „Neue Autorität“, und die wird als Schulkonzept mittlerweile an vielen Schulen umgesetzt. Es geht hierbei nicht um „Pseudofreundschaften“, sondern um eine neue Umgangsweise miteinander.

Wen das stört, der kann sich dem ja entziehen, indem er oder sie sich distanziert – und auch den sozialen Netzwerken eine Absage erteilt.

Dorothea Kleffner (43) arbeitet an der Kurt-Tucholsky-Stadtteilschule in Hamburg Altona. Sie unterrichtet Deutsch, Gesellschaftskunde und Kunst. Zusätzlich bietet sie Film-, Mal- und Theaterprojekte an und organisiert eine Schülerfirma. Sie ist Mutter von drei Kindern und hat eine Vollzeitstelle.

Contra: Etwas mehr Distanz, bitte!

Wenn schon Schüler-Lehrer-Kommunikation, dann bitte seriös, findet Schülerin Lia Friedrichs. Für sie heißt das: Gesunde Distanz wahren, sich auf dem Flur oder per Mail austauschen – aber bitte nicht bei Facebook auf "Freunde" machen. Das wolle doch am Ende eh keiner.

Ist mir ja auch klar: An sozialen Netzwerken kommt man nicht mehr vorbei. Und obwohl Facebook über die Jahre immer mehr Konkurrenz bekommen hat, ist es doch die Nummer eins geblieben. Nun stellt sich die Frage, ob auch Schüler und Lehrer auf Facebook befreundet sein und mittels Facebook kommunizieren sollten – über Schulisches und eventuell auch über Privates. Das ist inzwischen so umstritten, dass in manchen Bundesländern schon die Interaktion von Lehrern und Schülern via Facebook verboten wurde.

Ich als Schülerin bin nicht so begeistert von der digitalen Kumpelei zwischen Lehrern und Schülern. Gegen Schüler-Lehrer-Kommunikation außerhalb des Unterrichts habe ich generell nichts einzuwenden – wenn es nicht gerade Facebook als soziales Netzwerk ist. Ich war noch nie ein besonders großer Fan davon, ständig jeden wissen zu lassen, was ich am Wochenende gemacht habe. Ein anderer Punkt, weswegen ich mich Facebook seit Jahren verweigere, ist der Datenschutz. Ich habe keine Lust, den blauen Datenriesen mit meinen persönlichen Informationen zu füttern, die er dann speichert und weiterverarbeitet.

Auch aus diesem Grund hat das baden-württembergische Ministerium für Kultus, Jugend und Sport entschieden, die „Verwendung von sozialen Netzwerken für die dienstliche Verarbeitung personenbezogener Daten“ generell zu verbieten. Warum sollte man ein Netzwerk wie dieses also ausgerechnet als Unterrichtshilfsmittel verwenden?

"Ich frage lieber meine Mitschüler"

Viele Schüler haben generell nichts dagegen. Sie finden: Lehrer sollten so einfach wie möglich für sie erreichbar sein, etwa für Fragen zu den Hausaufgaben. Darauf kann ich verzichten. Schon aus rein organisatorischen Gründen: Wurde die Aufgabenstellung im Unterricht gut erklärt, habe ich eigentlich selten Probleme mit dem Lösen – und wenn doch, kann ich immer noch Mitschüler fragen, die wahrscheinlich eher als der Lehrer erreichbar sind.

Und außerdem: Ich würde im Unterricht auch nicht mehr hinhören, wenn ich im Nachhinein eh noch mal alles besprechen kann. Wenn ich mich jetzt noch in die Lage meiner Lehrer hineinversetze, macht das die Sache auch nicht besser: Wollen die wirklich nach Feierabend von zu Hause aus immer noch Facebook-Nachrichten von uns Schülern beantworten, weil wir es nicht geschafft haben, ihnen richtig zuzuhören?

Zumal Schüler ohne Facebook-Account deutlich im Nachteil wären. Sie wären gezwungen, sich einen solchen anzulegen, um dieselben Vorteile wie ihre Mitschüler zu genießen und auch in Gruppenchats mitreden zu können. Will man auf diese Weise im Ernst noch mehr Jugendliche auf eine Social-Media-Plattform treiben, die einen zweifelhaften Umgang mit persönlichen Daten praktiziert? Das sollte auf keinen Fall Voraussetzung für den Schulalltag werden.

"Wer möchte schon mit seinen Lehrern befreundet sein?"

Außerdem: Wer möchte schon mit seinen Lehrern befreundet sein? Eine Bedingung für Facebook-Messaging ist eine bestätigte Freundschaftsanfrage. Eine „Freundschaft“ auf Facebook aber lenkt doch vom eigentlichen Zweck der Sache ab, nämlich einer digitalen Hilfestellung für die Lehrer-Schüler-Kommunikation. Stattdessen erfahren wir dank Facebook plötzlich mehr über unsere Lehrer, als wir vielleicht wissen wollen – und umgekehrt. Fotos, mit wem sie befreundet sind, wo sie sich aufhalten und was sie gerade machen. Alles, was man auch mit echten Freunden und seiner Familie teilt. Natürlich gibt es die Privatsphäre-Einstellung. Aber jetzt mal ehrlich: Wer macht davon schon konsequent Gebrauch?

Eine offene Atmosphäre ist durchaus angenehm, außerhalb der Schule sollten aber beide Seiten auf ihre Privatsphäre achten – die Lehrer, um eine autoritäre Distanz zu wahren, und die Schüler, weil sie es später vielleicht doch einmal bereuen werden, ihre Partyfotos für alle sichtbar gepostet zu haben. Auch für ihre Lehrer.

Ein bisschen digitale Unterstützung für die Kommunikation von Lehrern und Schülern und die Organisation des Unterrichts – dagegen habe ich ja gar nichts. Nur bitte ohne die gesamte Pseudo-Freundschaft und unter Wahrung einer gesunden Distanz, die durch Facebook verloren gehen würde. Man sollte dafür kein Netzwerk nutzen, dessen Daseinszweck es ist, dass Freunde digitalen Kontakt halten und dabei möglichst viel Persönliches offenbaren.

"Es geht doch auch anders"

Seriösere Alternativen stehen ja zur Verfügung. Inzwischen gibt es sogar schon spezielle Programme für die Lehrer-Schüler-Kommunikation, mit denen Lehrer einfache Erinnerungs-SMS schicken und Schüler im Gruppenchat antworten können. Oder man schickt halt eine ganz altmodische E-Mail, das hat für mich bis jetzt immer funktioniert.

Da die meisten meiner Lehrer es kaum schaffen, mit elektronischen Wandtafeln umzugehen, bezweifle ich ohnehin, dass sie es mit mehr als einer simplen Messenger-App aufnehmen könnten.

Lia Friderichs (16) ist gerade von ihrem Auslandsjahr aus den USA zurückgekommen und geht jetzt wieder auf ein Berliner Gymnasium. Mit ihren amerikanischen Lehrern hat sie immer über eine eigens für die Schule konzipierte App kommuniziert. Das habe besser funktioniert, als es mit Facebook je könnte, sagt sie.