Es sieht ein bisschen aus wie der Kopf einer überdimensionierten Pusteblume, das Gerät, mit dem Massoud Hassani die Welt von Landminen befreien will. Wie grausam diese sind, weiß kaum jemand besser als er. Er wuchs in Afghanistan auf, wo der 1978 begonnene Krieg zwischen Supermächten und Warlords einen verseuchten Boden hinterlassen hat. Ob Mudschahedin gegen sowjetische Besatzer in den 80er-Jahren, verfeindete Milizen gegeneinander oder Taliban gegen westliche Truppen –  militärischer Konflikt ist seit vielen Jahren der Dauerzustand in Afghanistan. Zehn Millionen Minen sind dort nach Schätzungen der Vereinten Nationen noch vergraben und machen es zu einem der am stärksten verminten Länder der Welt. Insgesamt bedrohen in etwa 70 Ländern rund 110 Millionen Minen die lokale Bevölkerung.

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Es sieht ein bisschen aus wie der Kopf einer überdimensionierten Pusteblume, das Gerät, mit dem Massoud Hassani die Welt von Landminen befreien will. Wie grausam diese sind, weiß kaum jemand besser als er. Er wuchs in Afghanistan auf, wo der 1978 begonnen

Es sieht ein bisschen aus wie der Kopf einer überdimensionierten Pusteblume, das Gerät, mit dem Massoud Hassani die Welt von Landminen befreien will. Wie grausam diese sind, weiß kaum jemand besser als er. Er wuchs in Afghanistan auf, wo der 1978 begonnen

Dass Massoud Hassani keiner Mine zum Opfer fiel, ist wohl nur Glück. Wenn er mit seinen Freunden am Stadtrand von Kabul in den Sandstraßen spielte, hätte es leicht einen von ihnen in Stücke reißen können. „Jeder dort kennt jemanden, der von einer Mine getötet oder schwer verletzt wurde“, sagt der heute 31-Jährige. Er verließ diese Welt als Kind. Sein Vater war bei einem Raketenangriff getötet worden. Danach flüchtete er zusammen mit seiner Mutter, seinem Bruder und den zwei Schwestern. Die Familie schlug sich durch nach Westeuropa, vier Jahre später kamen sie im niederländischen Maastricht an und blieben.

Massoud Hassani studierte Design, vielleicht, weil jemand, der so viel Grausamkeit erlebt hat, die Welt ein bisschen schöner machen will. Aber der Gedanke an die zerstörerischen Landminen ließ ihn nicht los. Er erinnerte sich daran, wie er und seine Freunde sich in der Kindheit Spielzeuge bastelten, weil sie sonst nichts hatten. Dazu gehörten auch Kugeln aus Papier, die sie vom Wind über die Wüstenfelder treiben ließen. Aus dieser Idee entwickelte er seine „Mine Kafon“. „Kafon“ heißt in seiner Muttersprache Dari „Explosion“.

Das Ergebnis ist in etwa so hoch und schwer wie ein ausgewachsener Mann. Der Kern des Räumungsgerätes ist ein Gehäuse aus Eisen. Davon gehen Dutzende „Beine“ aus Bambus ab, jeweils mit „Füßen“ aus Plastik. Diese sind gefedert, so dass das gesamte Gebilde, vom Wind angetrieben, sich über das Gelände bewegt. Wenn die „Mine Kafon“ dann auf eine Mine tritt, verliert sie mit jeder Explosion nur einige Beine und kann weiterrollen. Bis zu vier Minen kann sie so pro Einsatz zum Explodieren bringen.

Auf Minenfeldern in Marokko hat Massoud Hassani sein Produkt bereits unter realen Bedingungen getestet. „Wir sind schneller, sicherer und viel billiger als herkömmliche Methoden“, sagt er. Vor allem der letzte Punkt ist wichtig. Denn die hohen Kosten sind die größte Hürde im weltweiten Kampf gegen Minen. Die Mine selbst kostet oft unter drei Euro –  ihre Beseitigung aber bis zu knapp 800 Euro. Massoud Hassani sagt, sein Gerät würde in Massenproduktion nur 40 Euro pro Stück kosten. Und es könnte jeder vor Ort selbst zusammenbauen. Die Konstruktionsanleitung würde der Designer im Internet frei zur Verfügung stellen.

Er vermutet eine kleine Verschwörung 

Bisher ist die „Mine Kafon“ aber nur auf Kunstausstellungen – zum Beispiel im London Design Museum – zu sehen anstatt auf Waffenmessen. Experten sind skeptisch. Wilfried Jordan bildet an der Dresdner Sprengschule Minenräumer aus. Von der „Mine Kafon“ hält er nicht viel. Sie könne nur auf flachen Feldern zum Einsatz kommen und würde bei Explosionen stecken bleiben, sagt Jordan. „Ein Minenfeld freizugeben, nur weil dieses Gerät unkontrolliert vom Wind angetrieben darüber gelaufen ist, wäre unverantwortlich.“

Massoud Hassani lässt sich davon nicht beirren. Natürlich stecke sein Projekt noch in der Entwicklung, sagt er. Viele würden aber sein neues Projekt auch gar nicht so gern auf dem Markt sehen, darin vermutet er sogar eine kleine Verschwörung. „Eine minenfreie Welt würde vielen NGOs die Existenzberechtigung nehmen, da gingen viele Arbeitsplätze verloren. Und die Firmen, die Räumungsgeräte herstellen, wollen auch nicht, dass sie billiger werden.“ Genau das aber ist Hassanis Plan, weshalb er zusammen mit seinem Bruder Mahmud das Projekt „Mine Kafon“ mit aller Kraft vorantreibt.

Ein Fulltime-Job für die beiden. Die Suche nach alternativen Investitionsquellen hat auch schon erste Erfolge gezeitigt. Per Crowdfunding sammelten die Brüder 150.000 Euro ein, so dass sie nun schon das nächste Ziel, eine technische Überarbeitung, anpeilen: ein steuerbares Räumungsgerät, das statt bisher 200.000 nur 20.000 Euro kosten soll. Und eine Plattform im Internet, auf der alle Daten über Minen gesammelt werden und die für jeden einsehbar ist. Die Mission ist klar. „Jede entfernte Mine bedeutet ein potenziell gerettetes Leben. Und jedes Leben zählt.“

Constantin Wißmann arbeitet als freier Journalist und Autor in Berlin. Mit Waffen scheint er kein Talent zu haben, beim Wehrdienst brachte er seine Vorgesetzten in Rage, weil er oft auf die falsche Zielscheibe schoss.