Was passiert?

Der alternde Finne Wikström hat genug von seinem Leben als Hemdenvertreter: Er verkauft seinen Bestand und investiert sein Geld in ein Restaurant, das, genau wie er selbst, so aussieht, als sei es aus den 1950ern. Der junge Syrer Khalid kommt auf einem Kohlenfrachter in Helsinki an. Er begibt sich in die Mühlen der finnischen Asylbürokratie, lebt in einer Aufnahmeeinrichtung, freundet sich mit einem Iraker an. In Gedanken ist er bei seiner Schwester Miriam, die er auf seiner odysseehaften Flucht durch Europa aus den Augen verloren hat. Sie ist sein letztes überlebendes Familienmitglied. Es dauert ungefähr den halben Film, bis sich die Wege der beiden Männer kreuzen.

Wie wird’s erzählt?

Wie Aki Kaurismäki seit Jahrzehnten erzählt: zurückhaltend, melancholisch, mit dem Temperament eines Leguans in Winterstarre. Seine Bilder sind sorgsam aufgebaut, es gibt keine schnellen Schnitte, keine verrückten Perspektiven, keine „originellen“ Einfälle. Das Bitterernste und das Urkomische liegen dicht beieinander. Und alle rauchen. Dauernd.

Was zeigt uns das?

Kaurismäkis Film ist ein schon fast naiver Appell an die Menschlichkeit: Es gibt böse Menschen, aber es gibt eben auch gute, und die helfen den Schwachen. Dazu braucht es nämlich nicht viele Worte.

Stärkste Szene

Schon die zweite ist unheimlich komisch: Wikström steht mit einem Aktenkoffer in der Tür. Er geht zu seiner Frau am Küchentisch, legt ihr den Ehering hin und geht raus. Die Frau legt den Ring in den Aschenbecher, drückt ihre Zigarette aus und schenkt sich einen Wodka ein. Natürlich wird kein Wort gesprochen.

Stärkster Satz

Den gab es von Aki Kaurismäki bei der Pressekonferenz: „In Europa gab es vor 60 Jahren 60 Millionen Flüchtlinge. Denen haben wir geholfen, heute sehen wir in ihnen Feinde. Wo zum Teufel ist die Menschlichkeit geblieben?“ Und auf die Frage, ob es eine Islamisierung Europas gebe: „Islandisierung Europas? Nur weil Island einmal gut im Fußball ist, haben wir doch keine Islandisierung.“

Good Job!

Die Mimik von Wikström-Darsteller Sakari Kuosmanen. Jede millimeterweite Hebung seiner Mundwinkel oder Augenbrauen ist ein Ereignis.

Gut zu wissen

Gedreht wurde der Film ganz klassisch auf 35-Millimeter-Filmmaterial. Es ist der einzige nichtdigitale Film im diesjährigen Wettbewerb der Berlinale.

Ideal für ...

 

Alle, die klassisches Kino lieben. Dieser Film ist ein Bärenkandidat.

„Toivon tuolla puolen“ („Die andere Seite der Hoffnung“), Finnland/Deutschland 2017; Regie, Drehbuch: Aki Kaurismäki; mit Sherwan Haji, Sakari Kuosmanen, Janne Hyytiäinen, Ilkka Koivula, Nuppu Koivu, Simon Hussein Al Bazoon; 98 Min.

Foto: Malla Hukkanen © Sputnik Oy