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cms-image-000006515.jpg (Foto:  bio2.com)
(Foto: bio2.com)

Auf 13.000 Quadratmetern und unter 6600 Glasplatten, die in über 40 Kilometer Stahlrahmen eingelassen waren, wurde Anfang der 90er-Jahre in der Sonora-Wüste Arizonas die Biosphäre II erbaut. Hauptgeldgeber war der Öl-Milliardär Edward Bass. Ursprünglich hatte der reiche Texaner das Gewächshaus für ein einzigartiges Experiment gebaut, das auch die Nasa interessierte. Biosphäre II sollte eine alternative Erde sein für unsere Welt, die Biosphäre I, falls sie durch Radioaktivität oder Umweltkatastrophen ungemütlich würde.

Vier Männer und vier Frauen lebten von 1991 bis 1993 in der künstlichen Biosphäre. Eine zweite Gruppe von sieben "Bionauten", zu der auch der Deutsche Bernd Zabel gehörte, hielt sich 1994 für sechs Monate darin auf. Im Jahr 1996 übernahm die Columbia University die Gebäude, um hier die Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf das Ökosystem zu erforschen. Der wissenschaftliche Leiter Barry Osmond wollte die Biosphäre II zu einem Forschungszentrum ausbauen, in dem sich die besten Wissenschaftler der Welt versammelten. Ende 2003 entschloss sich die Columbia University jedoch, das gesamte Projekt aus Kostengründen einzustellen.

 


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cms-image-000006489.jpg (Foto: privat)
(Foto: privat)

Wir haben mit Dr. Achim Walter, Physiker und Biologe, gesprochen. Von Januar 2002 bis Juli 2003 forschte er im Rahmen eines Stipendiums der Alexander-von-Humboldt-Stiftung in der Biosphäre II.

fluter.de: Herr Walter, was war das Ziel des Projekts Biosphäre II? 

Man wollte sehen, ob es möglich ist, dass acht Menschen autark, also unabhängig von der Außenwelt, überleben können. Man konstruierte den Lebensraum so luftdicht wie möglich und installierte dort die wichtigsten Ökosysteme der Erde: Savanne, Ozean, Regenwald, Mangrovensumpf und Wüste. Landwirtschaftliche Nutzflächen sollten die Bewohner ernähren, außerdem wurde so gewirtschaftet, dass man einen geschlossenen Wasserkreislauf hatte. Die Bewohner sollten zwei Jahre dort bleiben, ohne einen Lagerkoller zu kriegen, daher achtete man darauf, eine angenehme Umgebung zu schaffen. Ein Hintergedanke bei dem Experiment war auch, solche künstlichen Ökosysteme auf fremden Planeten aufzubauen, zum Beispiel auf dem Mars.

Welche Verbindungen gab es denn überhaupt noch zur Außenwelt?

Die Kommunikationswege waren offen, das heißt die Bewohner hatten Telefon, Fernsehen und Radio und konnten über Funk kommunizieren. Außerdem waren TV- und Videokameras eingebaut, damals hochmodern, so dass man alles, was im Inneren stattfand, überwachen konnte. Die Insassen konnten so jederzeit den Cheftechniker anrufen, der dann von jeder TV-Anstalt weltweit per Videokonferenz Anleitungen für Notreparaturen durchgeben konnte. Das wurde auch ein paar Mal gemacht.

Das Experiment wurde in seiner ersten Phase abgebrochen?

Der befürchtete Lagerkoller war nicht schuld daran, obwohl es durchaus zu zwischenmenschlichen Spannungen kam. Das Problem war, dass der CO2-Gehalt stieg, der Sauerstoffgehalt aber stark absank: innerhalb eines halben Jahrs von normalen 21 Prozent auf 14 Prozent, wie er in fünf Kilometern Höhe in der Erdatmosphäre vorherrscht. Da das Experiment aber zwei Jahre lang durchgezogen wurde, lebten die Insassen konstant bei 14 Prozent, entsprechend ausgemergelt sahen sie danach auch aus.

Was waren die Gründe für das Scheitern?

Der wichtigste Grund für diese Veränderungen in der Atmosphäre war, dass der Boden mit sehr viel organischem Material angereichert worden war, um die landwirtschaftlichen Erträge zu steigern. Man hatte aber den Sauerstoffverbrauch der dort lebenden Mikroorganismen stark unterschätzt. Das Experiment konnte nur deshalb so lange am Leben erhalten werden, da lastwagenweise flüssiger Sauerstoff angefahren wurde - was natürlich dem ursprünglichen Gedanken der absoluten Abgeschlossenheit widersprach.

Gab es sonst noch Schwierigkeiten?

Es war klar, dass man die ökologische Vielfalt nicht würde erhalten können. Allerdings breitete sich eine Ameisenart besonders dramatisch aus. Diese so genannte "Crazy Ant" griff alle Futterreserven ab und so starben viele Insekten aus. Auch die Bienen gingen schnell zurück, was für das Ökosystem ziemlich schade war und vor allem viel Arbeit für die menschlichen Bewohner bedeutete: Sie mussten jetzt alle Nutzpflanzenarten mit der Hand bestäuben. Am Ende hatten die Insassen eine Wochenarbeitszeit von 66 Stunden.

Welche Erkenntnisse gab es für die Forschung aus dem Projekt?

Zum einen wurde klar, dass ein Nachbau unseres natürlichen Systems, der für ernsthafte wissenschaftliche Forschungszwecke geeignet wäre, mit einem riesigen finanziellen Aufwand verbunden wäre. Man hätte für die Biosphäre II, um sie realistisch zu gestalten, zum Beispiel tonnenweise Mutterboden aus dem weit entfernten Regenwald hertransportieren müssen. Das hätte das Projekt völlig gesprengt. Daher ist das politische Interesse, noch einmal ein derartiges Experiment in Angriff zu nehmen, zurzeit eher gering, wahrscheinlich weil der Versuch, unser Ökosystem auf einen anderen Planeten zu verfrachten, mindestens 100 Jahre Entwicklungszeit bräuchte und nicht zehn oder zwanzig.

Also wird es keine "Ersatz-Erde" geben?

Wenn es ein strenges wissenschaftliches Experiment hätte sein sollen, hätte man von Anfang an viel stärker an wissenschaftliche Organisationen herantreten müssen. Das Projekt hatte aber in den USA nie den besten Ruf, sondern immer einen esoterischen Anstrich. Der ursprüngliche Hintergrund war wohl tatsächlich eher spirituell als wissenschaftlich, mit dem Ziel eines "besseren Lebens auf der Erde". Aus dieser ersten Zeit des Projekts ist allerdings keiner mehr da, der harte Kern wurde relativ restriktiv vom Gelände verbannt.

Was waren Ihre Gedanken, als Sie die Biosphäre II das erste Mal betraten?

Ich war unheimlich beeindruckt, wie gut das Klima in den einzelnen Klimazonen nachmodelliert war. In der Wüste roch man den Duft der gerade aufgeblühten Wüstenblumen, im Regenwald tauchte man in diese schwüle Feuchte ein und am Meer umgab mich salzige Luft. In diesen wunderbaren Landschaften sah man allerdings auf Schritt und Tritt die Technik. Und natürlich Ameisen und Schaben, deren Populationen man nicht mehr in den Griff kriegte. Und es war viel kleiner und viel lauter, als ich gedacht hatte. Das kam von den großen Ventilatoren, die die Luft umwälzten. Wenn also zwei Leute weiter als zehn Meter auseinander standen, brauchte man ein Funkgerät oder Handzeichen, um miteinander zu kommunizieren.

Das Projekt ist im letzten Herbst von der Columbia-Universität eingestellt worden. Bedeutet das das endgültige Aus?

Im Moment ist es nur eine Touristenattraktion und wird auf sehr kleiner Flamme betrieben. Das Gebäude ist an seinen Erbauer, den Öl-Milliardär Edward Bass, zurückgegangen, der auch für wissenschaftliche Zwecke offen ist. Allerdings sind die großen Wissenschaftsorganisationen in den USA zurzeit nicht für das Projekt zu begeistern. Für die Erforschung von Ökosystemen ist nur ein Bruchteil des Geldes da, das zum Beispiel in Hochenergiephysik gesteckt wird.

Sandra Müller ist Absolventin der Berliner Journalistenschule. Sie arbeitet als freie Autorin für Zeitungen und Online-Medien und lebt in der Nähe von Frankfurt.

Dr. Achim Walter, Physiker und Biologe, beschäftigt sich im Forschungszentrum Jülich mit Wachstumsprozessen von Pflanzen. Von Januar 2002 bis Juli 2003 forschte er im Rahmen eines Stipendiums der Alexander-von-Humboldt-Stiftung in der Biosphäre II. Unter anderem untersuchte er mit einer selbst entwickelten Messmethode, wie sich das Wachstum von Pflanzen unter einem erhöhten CO2-Gehalt verändert. Dabei kam heraus, dass die Pflanzen zu bestimmten Tageszeiten sehr gut, zu anderen sehr schlecht wachsen, im Durchschnitt dann aber genauso stark wie bei einem normalen CO2-Pegel. Achim Walter schließt daraus, dass Pflanzen sehr anpassungsfähig sind - eine wichtige Erkenntnis, da der CO2-Gehalt in unserer Atmosphäre ständig steigt.