Worum geht’s?

Nachts, irgendwo im Wald: Männer in braun-grüner Tarnkleidung kriechen auf dem Boden rum. Uniformierte mit Fake-Gewehren leuchten mit Taschenlampen in ihre Gesichter und treten sie. Anders als sich das anhören mag, ist das hier keine Szene aus „Full Metal Jacket“. Dies sind Bilder der Doku „When the war comes“ von Regisseur Jan Gebert. Sie zeigen, wie einige slowakische Jugendliche ihre Freizeit verbringen. Nämlich mit militärischen Übungen bei der Organisation „Slovenski Branci“ (Slowakische Rekruten), die sich dem „Erhalt slowakischer Werte“ verschrieben hat. Auf die Regierung und die EU sei heute – der Film spielt 2017 – einfach kein Verlass mehr, erklären die Mitglieder der Gruppe. Die Flüchtlingskrise habe Europa verändert, und ein Krieg sei nicht unwahrscheinlich. Darauf müsse man sich vorbereiten, so die Organisation. Deshalb das viele Kriechen und Treten.

Was soll uns das zeigen?

Die Doku zeigt einen zunehmenden gesellschaftlichen Rechtsruck in der Slowakei. Die Gruppe Slovenski Branci indoktriniert ihre jungen Anhänger zwischen 15 und 30 Jahren. Indem die Kamera mehrere ihrer Mitglieder begleitet und sich viel Zeit dafür nimmt, zeigt der Film zahlreiche Facetten dieser geschickten Meinungsmanipulation. Denn nach außen hin geben sich die Hobbysoldaten­ als politisch neutraler Verband, der sich gesellschaftlich engagiert. Bei ihren öffentlichen Festen und Veranstaltungen werben die Slovenski Branci dafür, Teil ihrer Bewegung zu werden.

Rund 200 Mitglieder zählt die Organisation, die sich auf rechte Vordenker aus Russland beruft. Bei Giftgasübungen und Nahkampfausbildung am Wochenende wird dann Disziplin gepredigt, patriotisch salutiert, gemeinsam „Heil Vaterland!“ gerufen und vor „Überfremdung“ gewarnt. Gerade in den Unsicherheiten der Pubertät sind viele der jungen Rekruten für diese Form von Orientierung anfällig – im Kinderzimmer eines Jungen, sein Name ist Adam, hängen mehrere Schusswaffen-Poster. Behörden warnen zwar vor Slovenski Branci, doch in der rechten Filterblase kommt das kaum an. Zumal manche Eltern ihre Kinder zu den Treffen fahren wie zu Schulausflügen.

Wie wird’s erzählt?

Über einen jungen Mann namens Peter Švrček. Er steht im Mittelpunkt der Doku. Unter der Woche studiert er Archäologie, am Wochenende ist er Vorsitzender der Slovenski Branci. Dabei schlüpft der Anfang 20-Jährige fast gespenstisch schnell in verschiedene Rollen. Mal mimt er den schnittigen Anführer, gibt auf einem Hügel stehend Befehle, ein Bein hochgestellt, den Arm in der Hüfte. Mal nimmt er in Hornbrille und weißem Hemd wortgewandt an Podiumsdiskussionen teil. Dann wieder tritt er selbstsicher argumentierend vor die Kameras verschiedener Medien. Und in jedem Moment scheint er genau zu wissen, welche Rolle er gerade zu spielen hat und was er damit erreicht. Ganz offensichtlich gefällt ihm diese Art von Macht.

Schlimmste Szene

In einer Szene zeigt der Film mehrere Flüchtlinge, die mit ihren Kindern und schwerem Gepäck durch die Straßen eines slowakischen Ortes laufen. Die Mitglieder der Slovenski Branci verfolgen sie mit ihrem Auto, mit ihren Smartphones filmen sie die vorbeilaufenden Familien und bezeichnen diese laut rufend als „Invasion“.

Klappt nicht so gut

Die Macher des Films halten sich zurück. Es gibt keine Musik, keinen einordnenden Off-Kommentar. Natürlich können die ZuschauerInnen auch selbst die rechtsextremen Reden und ausländerfeindlichen Kommentare als solche erkennen und einordnen. Dennoch lässt die Doku der rechten Propaganda sehr viel unkommentierten Raum. Besonders Peter Švrček darf sich permanent inszenieren.

FYI

Im Sommer 2017 erließ das slowakische Bildungsministerium eine Richtlinie für Schulen, nach der diese nur noch mit staatlich anerkannten Organisationen zusammenarbeiten sollen. In der Vergangenheit sprachen Mitglieder von Slovenski Branci und Peter Švrček regelmäßig vor SchülerInnen.

Ideal für …

… Leute, die einen eindringlichen Blick in eine ganz andere Filterblase werfen wollen.

„When the war comes“; Regie, Buch: Jan Gebert. Tschechische Republik, Kroatien, 2018, Dokumentarfilm, 78 Minuten

Fotos: Stanislav Krupař