Thema – Identität

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So ist es, ich zu sein: Bisexuell

Mia (25) hat sich erst als lesbisch, später als bi geoutet. Das gefällt nicht allen

Illustration: Jindrich Novotny

Meine Freundin und ich waren frisch verknallt und haben uns in der U-Bahn geküsst. Nur kurz, nichts Wildes. Dennoch hat eine alte Frau neben uns angefangen, laut zu beten.

Ich habe schon die unterschiedlichsten Reaktionen erlebt, wenn die Leute mitbekommen, dass ich auf Frauen stehe. Von den meisten werde ich gleich auf Sex reduziert. Küss mal eine Frau im Club. Sofort bildet sich eine Traube von Männern, die denken, man mache das nur, um sie aufzugeilen.

„Als Bisexuelle/r bist du selbst in der Queerszene Außenseiter:
‚Entscheide dich halt mal oder Nicht homo genug’“

Als ich mit 16 meinen Eltern gesagt habe, dass ich Frauen mag, war das in Ordnung für sie. Aber so richtig ernst genommen haben sie mich nicht. „Ist bestimmt eine Phase, du bist ja noch jung“, hieß es. Ihre Erleichterung war groß, als ich ihnen zwei Jahre später erzählt habe, dass ich bisexuell bin. Sie meinten das nicht böse, aber so gab es noch die Chance auf einen Schwiegersohn und Enkelkinder. Was sie mir damit im Kleinen gezeigt haben, sehe ich als gesellschaftliches Problem: Kaum jemand akzeptiert Bisexualität als „echte“ Orientierung.

Als bisexueller Mensch gehörst du selbst in der Queerszene zu den Außenseitern. Ich habe in dem Umfeld alles erlebt, von „Entscheide dich halt mal“ über „Nicht homo genug“ bis hin zu hässlichen Beschimpfungen. Auch dass ich verletzlich bin, wird mir von vielen abgesprochen: Oft lädt man mich plump zu einem Dreier ein oder fragt nach sehr intimen Dingen, zum Beispiel, ob ich beim Masturbieren an Männer oder an Frauen denke.

„Bei Heterofreunden muss ich immer klar sagen, auf wen ich stehe und was rein platonisch ist“

Bei Heterofreunden muss ich immer klar sagen, auf wen ich stehe und was rein platonisch ist. Deshalb habe ich auch verlernt zu flirten, weil ich mich sehr darauf konzentrierte, meinen Heterofreunden das Gefühl zu geben, dass ihnen von mir keine „Gefahr droht“. Weil ich es allen immer recht machen wollte, habe ich fast das Gespür für meine eigene Sexualität verloren.

Ich bekomme immer wieder das Gefühl vermittelt, falsch zu sein. In einer monogamen Beziehung gelte ich für viele eben entweder als lesbisch oder „normal“, nicht als bi. Wenn ich nun wechselnde Partner/-innen habe, dann werde ich zwar als bi anerkannt, aber gelte gleichzeitig als gierig und illoyal. Wer soll mir denn vertrauen, wenn potenziell jede/r infrage kommt? Es fühlt sich schlecht an, wenn du nicht ernst genommen wirst und es an Respekt für dein Inneres fehlt.

Illustration: Jindrich Novotny

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.