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Die deutsche Queen?

Den Bundespräsidenten halten viele für einen reinen Händeschüttler. Aber stimmt das? Unser präsidiales FAQ sammelt, was ihr über Wahl, Amt und Gehalt wissen müsst

Wer wählt den deutschen Bundespräsidenten?

Die Bundesversammlung. Sie zählt bei der kommenden Wahl am 13. Februar 1.472 Mitglieder, so viele wie nie zuvor. (Deshalb und wegen der Corona-Pandemie wird die Bundesversammlung im geräumigen Berliner Paul-Löbe-Haus statt im Reichstagsgebäude stattfinden.) Die Versammlung besteht aus den 736 Abgeordneten des Bundestags und 736 Menschen, die die 16 Landtage entsenden: Wie viele Mitglieder entsandt werden dürfen, hängt von der Größe des Bundeslandes ab. Jede Fraktion hat dann jeweils eine Liste mit Kandidaten, die nach dem Verhältnis der Abgeordnetenstimmen im Landtag berufen werden. Traditionell werden viele Prominente nominiert, dieses Jahr neben einem Astronauten, Schriftstellern und Schauspielern viele Pandemie-Experten. Christian Drosten, Sandra Ciesek und Marylyn Addo sind ebenso in der Versammlung wie Özlem Türeci, die Mitbegründerin des Impfstoff-Entwicklers Biontech.

Könnte ich das werden?

Wenn du älter bist als 40 Jahre, die deutsche Staatsbürgerschaft hast und hier wählen darfst. Um nominiert zu werden, braucht es aber vor allem eins: Kontakte in die Politik. Vorgeschlagen werden die Kandidaten von der Bundesversammlung. Wer sich die Liste der bisherigen Anwärter ansieht, findet neben vereinzelten Bürgerrechtlern und Künstlern vor allem Berufspolitiker.

Wie lange ist man Bundespräsident?

Eine Amtszeit dauert fünf Jahre – und man darf danach nur noch ein Mal wiedergewählt werden. Maximal ist man also für zehn Jahre im Amt.

Was macht man denn als deutscher Bundespräsident?

Hände schütteln, Orden verleihen, freundlich winken: Vieles von dem, was in Großbritannien die Queen macht, macht in Deutschland der Bundespräsident. Es gibt zwar entscheidende Unterschiede zwischen beiden Ämtern, aber große Gemeinsamkeiten: Frank-Walter Steinmeier und Königin Elisabeth II. repräsentieren ihre Länder, regieren sie aber nicht. Und sie sind parteipolitisch neutral.

Dann hat der Bundespräsident gar keine alltäglichen politischen Aufgaben?

Doch, er hat – im In- wie im Ausland – schon gut zu tun. International hält der Präsident beispielsweise Reden, schließt im Namen des Bundes Verträge mit anderen Staaten oder empfängt Staatsgäste und Diplomaten. Man spricht von repräsentativen und völkerrechtlichen Aufgaben. Zudem gibt’s am Kabinettstisch sowie im Bundessicherheitsrat einen Sitz für das Amt.

Seine Aufgaben innerhalb der Bundesrepublik regelt das Grundgesetz. Sie sind vielfältig.

Hier ein paar Beispiele. Er... 

... schlägt dem Bundestag einen Kandidaten für die Kanzlerwahl vor (üblicherweise nicht irgendjemanden, sondern eine Person, die mit einer Mehrheit im Bundestag rechnen kann, etwa weil ihre Partei die Bundestagswahl gewonnen hat);

... ernennt Bundeskanzler:innen, Bundesminister:innen, Bundesrichter:innen, Bundesbeamt:innen, Offizier:innen, Unteroffizier:innen – und entlässt sie auch wieder;

... löst den Bundestag auf, wenn der das Vertrauen in den oder die Bundeskanzler:in verliert (die Vertrauensfrage wurde, sagen Kritiker, aber auch schon als Mittel zum Erreichen von Neuwahlen benutzt) oder bei der Wahl des bzw. der Bundeskanzler:in die vorgeschlagene Person für dieses Amt im dritten Wahlgang nur eine relative Mehrheit erhält;

... entlässt den oder die Bundeskanzler:in nach einem Rücktrittsgesuch;

... kann Straf- oder Disziplinarurteile aufheben oder mildern (laut sogenanntem Begnadigungsrecht), also zum Beispiel entscheiden, dass ein Straftäter seine Gefängnisstrafe nicht bis zum Ende absitzen muss. Dabei geht es allerdings nur um Straftaten auf Bundesebene wie Spionage oder Terrorismus; für andere Strafgefangene haben die Ministerpräsident:innen oder Justizminister:innen das Begnadigungsrecht;

... unterzeichnet Gesetze.

Warte. Jedes einzelne Gesetz?

Ja, ohne die Unterschrift des Bundespräsidenten gelten Gesetze oder Gesetzesänderungen nicht. 2020 unterzeichnete Frank-Walter Steinmeier das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität zunächst nicht, weil sein Bundespräsidialamt es für unvereinbar mit dem Grundgesetz hielt. (Das überarbeitete Gesetz unterschrieb Steinmeier dann ein paar Monate später.) Der Bundespräsident ist also nah dran am politischen Geschehen – auch wenn er nicht mitregiert.

Warum ist das Amt in Deutschland vor allem repräsentativ?

Das war eine Lehre der Geschichte: In der politisch instabilen Weimarer Republik gewann der Präsident (damals Paul von Hindenburg) an Einfluss, Regierung und Parla­ment wurden schwä­cher. Ab 1930 ernannte Hindenburg eigenmächtig mehrere Reichskanzler, die per Notverordnungen regierten und das Par­lament praktisch ausschalteten. Im Januar 1933 berief Hindenburg schließlich Hitler zum Kanzler, der kaum zwei Monate später die Rechte des Parlaments – das in Teilen daran mitwirkte – mit dem sogenannten Ermächti­gungsgesetz außer Kraft setzte. In Deutschland entschied man sich nach dem Zweiten Weltkrieg dafür, die politische Macht auf viele (den Bundestag und die Regierung) zu verteilen und gegenseitige Kontrollmechanismen einzurichten. Zudem hat der Bundespräsident nicht mehr die Befehlskraft über die Streitkräfte, die liegt heute beim Verteidigungsministerium.

Aber anderswo hat der Präsident doch mehr zu sagen, oder?

Ja, in vielen Staaten wie Brasilien, der Türkei, den USA oder Frankreich hat der Präsident mehr Macht. Unser Nachbar Frankreich wählt im April seinen Präsidenten, der dann als Staatsoberhaupt den Premierminister ernennen, das Parlament auflösen oder bewaffnete Einsätze anordnen kann. Diese politischen Systeme nennt man dann auch „präsidentielle Demokratien“, unseres nennt man „parlamentarische Demokratie“.

Was verdient man als Bundespräsident?

Das Gehalt orientiert sich an den Bezügen des Bundeskanzlers: Der Bundespräsident erhält Amtsbezüge in Höhe von zehn Neunteln der Bezüge des Bundeskanzlers. Das sind derzeit monatlich etwa 20.000 Euro. Zusätzlich erhält das Staatsoberhaupt einen Dienstwagen (Mercedes S-Klasse) mit Fahrer und ein Aufwandsgeld von jährlich 78.000 Euro, um etwa Hausangestellte zu bezahlen. Nebenverdienste sind dafür verboten, genauso Chef-, Aufsichts- oder Beratungsposten: Das deutsche Staatsoberhaupt soll unabhängig und überparteilich sein. Auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt steht dem Bundespräsidenten ein sogenannter „Ehrensold“ zu.

Müsste ich für das Amt auch nach Berlin ins Schloss Bellevue ziehen?

Das Schloss Bellevue in Berlin und die Villa Hammerschmidt in Bonn sind zwar die Amtssitze des Präsidenten, die Amtsträger wohnen dort aber üblicherweise nicht. Roman Herzog war der einzige Präsident, der im Schloss Bellevue residierte. (Fürstlich ging es dort nicht immer zu, Herzog klagte über häufigen Stromausfall.)

Dass in diesem FAQ der Bundespräsident nicht gegendert wird, hat übrigens einen Grund: Seit Bestehen der BRD haben nur Männer das Amt besetzt. An Bewerberinnen mangelte es nicht: Acht Frauen standen bislang zur Wahl, die SPD-Politikerin Gesine Schwan sogar zweimal.

Weil ihre Wohnung umfassenden Sicherheitsbestimmungen entsprechen muss, leben die Bundespräsidenten seit 2004 üblicherweise in der Villa Wurmbach in Berlin-Dahlem. Frank-Walter Steinmeier wies in seiner ersten Amtszeit an, die Geschichte des Dienstanwesens aufzuarbeiten: Der jüdische Vorbesitzer Hugo Heymann hatte das Haus einst unter dem politischen Druck der Nationalsozialisten verkauft.

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