Das Klima wandelt sich so radikal wie nie zuvor in der jüngsten Geschichte – und das liegt vor allem an der Lebensweise des Menschen. Darüber besteht in der Wissenschaft ein breiter Konsens.
In seiner Fotoarbeit „Drowning World“ dokumentiert der südafrikanische Fotograf Gideon Mendel seit 2007, wie sich der Klimawandel auf das Leben von Menschen in aller Welt auswirkt. Mag die Situation in den überfluteten Landstrichen je nach Region auch recht unterschiedlich sein. Gemeinsam ist allen Flutkatastrophen, dass sie die Verletzlichkeit unserer Existenz offen zutage treten lassen. Das ist eine gemeinsame menschliche Erfahrung, die kulturelle und geografische Unterschiede in den Hintergrund treten lässt.
Skeptiker hingegen lassen sich von dieser Einigkeit und den dahinterstehenden Argumenten wenig beeindrucken. Für sie ist die von Menschen verursachte Erderwärmung nur eine Theorie. Klimaschutzgesetze verstehen sie als Idee grüner Gutmenschen und Mittel staatlicher Willkür. Gegen wissenschaftlich fundierte Fakten sind diese Zweifler oft immun, wie der neue Leiter der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA und Ex-Kohle-Lobbyist Scott Pruitt zuletzt einige Male bewies. In einem Interview mit dem Sender NBC sagte er, dass er das Treibhausgas Kohlendioxid für keinen wesentlichen Verursacher der Erderwärmung halte. „Die Einschätzungen über das Ausmaß des Einflusses gehen erheblich auseinander. Ich glaube deswegen nicht, dass Kohlendioxid einer der Hauptverursacher der Erderwärmung ist, die wir erleben.“ Dabei ist genau dies inzwischen weltweiter Konsens und Teil des Pariser Klimaschutzabkommens. Skeptiker wie Pruitt vertrauen lieber ihrem Bauchgefühl und abseitigen Theorien. Doch obwohl die Beweise fehlen, wächst die Sympathie für „alternative“ Klima-Fakten. Woran liegt das?
Zweifel an der Wissenschaft: Wissenschaftliche Fakten werden immer häufiger in Frage gestellt – das gilt nicht nur für den Klimawandel, sondern beispielsweise auch für das Impfen oder die Ernährung. Grundsätzlich ist ein Hinterfragen stets gut. Immerhin ist Zweifeln eine wichtige Tugend auch der Forschung selber, und eine Theorie gilt immer nur so lange, bis sie widerlegt wird. Leider wird Studien oftmals nicht wegen methodischer Fehler oder fragwürdiger Finanzierung misstraut, sondern aus reinem Bauchgefühl. Das liegt keineswegs daran, dass die wissenschaftlichen Fakten für Laien zu kompliziert wären: Viele der Menschen, die der Wissenschaft heute misstrauen, verfügen selbst über eine akademische Ausbildung.
Diese Unsicherheiten der Prognosen führen Leugner des Klimawandels gerne als Gegenargumente ins Feld
Vermeintlich angreifbar macht die Wissenschaft vor allem ihre eigene Fehlbarkeit. So versucht die Klimaforschung häufig mit Hilfe von Modellen und Computersimulationen, die zukünftigen Veränderungen unseres Klimas abzuschätzen. Es handelt sich hier natürlich um Prognosen, deren tatsächlicher Eintritt nicht zu 100 Prozent vorausgesagt werden kann oder soll. Diese Unsicherheiten führen Leugner des Klimawandels gerne als Gegenargumente ins Feld. Dabei wird die Fehlbarkeit von Prognosen von der Wissenschaft keineswegs verschwiegen – offene Fragen und künftiger Forschungsbedarf sind Thema in jeder Publikation.
Wissenschaftliche Mythen sind hartnäckige Gebilde: Natürlich haben die Skeptiker nicht nur Zweifel, sondern auch eigene Erklärungen für den Klimawandel. Die Bandbreite der Theorien ist groß: So glauben manche, dass die Sonne die Erde aufheize und damit den Klimawandel stärker beeinflusse als der Mensch. Tatsächlich waren Sonnenaktivitäten in langen Phasen der Erdgeschichte eng mit der Entwicklung der Erdtemperatur verbunden. Der Haken an dieser Theorie: In jüngster Zeit nahm die Sonnenaktivität ab – und die Erderwärmung schritt trotzdem voran. Schuld daran ist der vom Menschen verursachte Ausstoß von CO2.
Ein weiterer Mythos ist die angebliche Pause der Erderwärmung in den letzten zwei Jahrzehnten. Diese These wird allerdings durch eine aktuelle Studie der ETH Zürich entkräftet. Die scheinbare Unterbrechung der Klimaerwärmung von 1998 bis 2012 hat es dieser Untersuchung zufolge nicht gegeben, es handelte sich allenfalls um eine nicht signifikante Abschwächung der Erderwärmung.
Neben Erklärungsversuchen, die den Anschein erwecken wollen, wissenschaftlichen Argumentationsmustern zu folgen, gibt es aber auch sehr einfache, häufig verschwörungstheoretische Begründungen, warum uns die Wissenschaftler den menschengemachten Klimawandel angeblich vorgaukeln: etwa dass die Forscher den Klimawandel nur erfunden hätten, um an Steuergelder zu kommen. Ob auf den ersten Blick durchdacht oder völlig absurd – Falschinformationen verbreiten sich im Netz schnell und halten sich zäh. Ein Beispiel dafür ist die Oregon-Petition. Diese Unterschriftenaktion aus dem Jahre 1998 wird noch heute von Klimaskeptikern ins Feld geführt, um auf die Uneinigkeit der Klimaforscher hinzuweisen. Allerdings wurde diese Petition von der Industrie finanziert; nur 0,5 Prozent der Unterzeichner waren überhaupt Klimaforscher. Zudem fanden sich viele Namen von TV-Serien-Charakteren, Künstlern und sogar dem längst verstorbenen Charles Darwin auf der Unterschriftenliste. Doch aller Aufklärung zum Trotz bleibt sie als Argument präsent.
Die eigene Filterblase: Die Kluft zwischen wissenschaftlichem Konsens und persönlicher Meinung wird für manche Menschen immer größer. Ein Grund dafür kann der Wunsch nach Bestätigung sein. Viele Menschen suchen insbesondere Informationen, die zu der eigenen Meinung, dem Selbstbild und dem individuellen sozialen Umfeld passen: Arbeite ich bei einem Ölkonzern, bin ich geneigt, am Klimawandel durch Menschenhand zu zweifeln – schon allein deshalb, weil zu viel Klimaschutz meinen Job bedroht. Die alte Weisheit „Gleich und gleich gesellt sich gern“ gilt vor allem für das Internet. In Facebook-Gruppen, auf Blogs oder eigenen „Nachrichtenportalen“ fällt es wesentlich leichter, die eigenen Ansichten zu verstärken, als zu Zeiten, in denen Tageszeitungen und Nachrichtensendungen die wichtigsten Informationsquellen bildeten. Der Filterblase sei Dank stammt das, was jemand liest und sieht, heute oft aus ähnlich ausgerichteten Quellen: nämlich denen, die man selbst für glaubwürdig hält. Fakten, die die eigene Meinung gefährden könnten, dringen entweder nicht mehr so schnell zu einem vor – oder sie verändern die wahrgenommene Wichtigkeit von Themen.
Schon der Anschein einer Kontroverse unter den Wissenschaftlern genügt, um Unsicherheit in der Bevölkerung zu erzeugen
Einflussreiche Klimaskeptiker: … lassen sich vor allen in US-amerikanischen Diskursen finden: Anti-Klimawandel-Organisationen wie das „Committee for a Constructive Tomorrow“ beziehen viel Geld aus der Kohle-, Automobil- oder Öl-Industrie und haben zahlreiche namhafte Anhänger in Politik und Medien. Gemeinsam verbreiten sie bewusst Desinformationen und säen Zweifel an Forschungsergebnissen. Dabei wird die Glaubwürdigkeit renommierter Wissenschaftler gezielt angegriffen. Seriösen und begutachteten Studien setzen die Lobbyorganisationen und Think-Tanks eigene Publikationen entgegen. Ihr Ziel ist nicht erst erreicht, wenn sie die „alternativen Fakten“ etabliert haben – schon der Anschein einer Kontroverse unter den Wissenschaftlern genügt, um Unsicherheit in der Bevölkerung zu erzeugen. Damit verlieren Klimaschutzmaßnahmen an gesellschaftlichem Rückhalt, und Industrien könnten auf kurze Sicht Milliarden einsparen.
US-Präsident Donald Trump, der den Klimawandel bereits 2012 für eine Erfindung Chinas erklärt hatte, kündigte in diesem Jahr das Pariser Klimaabkommen. Zu seinem Umweltminister machte er einen bekennenden Klimaskeptiker. An vielen US-Schulen wird in Sachen Klimawandel nicht der aktuelle Stand der Forschung gelehrt. So einflussreich ist die Gruppe der Skeptiker in Deutschland nicht. Dennoch könnte auch in Deutschland mit der AfD eine Partei in den Bundestag einziehen, von der einige Politiker den menschengemachten Klimawandel leugnen. Unterstützt wird die Partei von der umstrittenen Institution „Europäisches Institut für Klima und Energie“.
Diskurs ist anstrengend: Viele Klimaforscher scheuen den offenen Diskurs mit ihren Kritikern: Das Widerlegen von Verschwörungstheorien ist ein anstrengendes Unterfangen. Dabei kann es zielführender sein, Klimaskeptiker ernst zu nehmen und sich gut zu überlegen, wie man mit ihnen diskutiert. Schließlich hat der Irrglaube nur selten etwas mit einem Mangel an Wissen zu tun; in der Regel korrigieren Skeptiker ihre Weltanschauung nicht allein deshalb, weil sie mit besseren Informationen konfrontiert werden. Beim Widerlegen ist es daher wichtig, sich auf die Fakten zu konzentrieren und dabei leicht verständlich und prägnant zu argumentieren.
Auf keinen Fall sollte die Diskussion die grundlegenden Überzeugungen des Gegenübers in Frage stellen. Ansonsten droht sonst ein umittelbarer Gegenangriff. Im Eifer eines solchen Shitstorms geht schnell der Blick auf die Fakten verloren. Das zeigt sich aktuell am Beispiel des Wissenschaftsjournalisten und Astrophysikers Harald Lesch, der sich kritisch mit den Klimapositionen im AfD-Parteiprogramm auseinandergesetzt hatte. Am Ende musste er sich trotz besserer Fakten selbst verteidigen und gab sich größte Mühe, die Argumente seines Gegenübers entkräften.
Der beste Weg ist sicher ein respektvoller Diskurs, der nicht nur verneint, sondern auch Alternativen zu den Theorien der Klimaskeptiker bieten kann – vorausgesetzt natürlich, das Gegenüber ist überhaupt offen für ein Gespräch.