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Mein erstes Mal

Martin ist 34 und Erstwähler – als Mensch mit Behinderung und Vollbetreuung hatte er bis vor Kurzem kein Stimmrecht. Wer ihn trifft, fragt sich warum

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Martin ist 34 und hat bei der Europawahl zum ersten Mal gewählt. Das ist eine gute Nachricht. Denn Martin war einer der über 80.000 Deutschen, die lange volljährig, aber nicht wahlberechtigt waren. Behinderte Menschen mit Vollbetreuung wie ihn schloss Paragraf 13 des Bundeswahlgesetzes von den Bundestags-, Europa- und auch den meisten Landtagswahlen aus. 

Eine Vollbetreuung erhält, wer sich dauerhaft nicht allein um „seine Angelegenheiten kümmern kann“. In den Bundesländern wird unterschiedlich über den Status der Vollbetreuung befunden, manche vergeben ihn öfter als andere. Neuerdings dürfen Vollbetreute wählen, müssen dafür aber eine „Eintragung in das Wählerverzeichnis“ ihrer Kommune beantragen.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Paragrafen im April gekippt, das inklusive Wahlrecht galt bereits zur Europawahl. Trotzdem ist es weiter umstritten. Es verleihe, behaupten Kritiker, Menschen eine Stimme, die sich weder selbst eine Meinung bilden, noch ein Kreuz setzen können. Sie seien leicht manipulierbar, Wahlbetrug, zum Beispiel durch Wahlhelfer oder Betreuer, werde so erleichtert. Andererseits ist Wählen ein fundamentales Bürgerrecht und steht als solches im Grundgesetz (Art. 33 GG). Davon darf niemand ausgeschlossen werden, entschied das Bundesverfassungsgericht.

Zur Europawahl wurde vom neuen Wahlrecht noch wenig Gebrauch gemacht, Martin aber hat per Briefwahl gewählt. Viele Behinderte seien durchaus in der Lage, eine begründete Wahlentscheidung zu treffen, denken er und seine Betreuerin. Diskutiert werden müsse eher, wie man Vollbetreute informieren und beim Wahlakt technisch unterstützen kann, ohne Einfluss zu nehmen.

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