Christian Klaus / Bunkerbaustelle

Bist du sicher?

Acht Meter tief, Stahlbeton, strahlenfest: Seit dem Überfall auf die Ukraine steigt die Nachfrage nach privaten Bunkern. Über Menschen, die bauen, was hoffentlich nie gebraucht wird

Text: Kristina Ratsch und Fotos: Jana Islinger
16. Juni 2025

Vergleicht man die globale Sicherheitslage mit einer riesigen Zündschnur, wäre das Ende momentan nur daumenlang. Russland überfällt sein Nachbarland und bringt damit Krieg nach Europa. US-Präsident Trump droht, die NATO zu verlassen. Klimaforschende melden 2024 als heißestes Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Und auf der Münchner Sicherheitskonferenz sprechen sie von „Multipolarisierung“, einer Welt also, die reich ist an Konflikten und arm an gemeinsamen Regeln und Institutionen.

Während einige diese Lage verdrängen und andere sie für die Angelegenheiten anderer halten, hat sich Christian Klaus jetzt mal gekümmert.

„Alle fangen an zu spinnen“, sagt er. Die deutsche Regierung, die überlegt, Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern? Spinnt. Putin? Spinnt. Und Trump sowieso.

Deshalb steht Klaus, 46, in Arbeitshose und Besser-haben-als-brauchen-Einstellung, an einem Morgen Ende April in einem tiefen Loch. In das will er für sich und seine Familie nicht nur ein Haus bauen, sondern auch einen Bunker. Klaus betreibt ein Garten- und Bauunternehmen in einer Kleinstadt in Bayern. Wo genau, soll hier bitte nicht verraten werden: Wenn es brenzlig wird, soll nicht das ganze Dorf vor seiner Bunkertür stehen. Blick nach unten: Betonboden. Blick nach rechts: eine Panzertür, eine Tonne schwer, so dick wie eine gespreizte Erwachsenenhand. Wo man auch hinguckt: Stahlfaserbeton, der in den blauen Himmel ragt.

„So ein 36,5-Außenziegel, wie er in Deutschland für bessere Wärmedämmung überall verbaut wird, hält ja nichts aus. Wenn ich bei einem Angriff hinter so einer Wand stehe, sehe ich aus wie ein Schweizer Käse.“

Christian Klaus, Bunker-Bauherr

Panik habe er nicht, sagt Klaus, aber Videos gesehen. In denen, die Bekannte aus der Ukraine schickten, wurden Wohnhäuser im Kugelhagel einfach durchlöchert, Autos brannten aus und mittendrin: Zivilisten. Ihn habe schockiert, wie viel sie abbekommen, sagt Klaus. Dabei seien die Häuser dort, so, wie er das beobachtet habe, häufig aus robustem Backstein. „So ein 36,5-Außenziegel, wie er in Deutschland für bessere Wärmedämmung überall verbaut wird, hält ja nichts aus.“ Klaus deutet auf ein Gebäude gegenüber. „Wenn ich bei einem Angriff hinter so einer Wand stehe, sehe ich aus wie ein Schweizer Käse.“

Mit dem Überfall auf die Ukraine, mit solchen Videos und Gedanken kamen Fragen auf: Wie gut sind wir vorbereitet? Wie gut bin ich es selbst? Und worauf eigentlich? Christian Klaus ist nicht der Einzige, der sich das fragt. Offizielle Umsatzzahlen gibt es nicht. Laut Medienberichten soll das Geschäft mit Bunkern und privater Schutzausrüstung aber wachsen. Selbst Discounter verkaufen inzwischen Pop-up-Bunker zum Aufstellen, Schutzwesten und Panzertüren.

Der Mann, der den Bunker für Klaus geplant hat, heißt Peter Aurnhammer. Er steht an diesem Morgen auch in der Baugrube, beugt sich über den Bauplan und erklärt Klaus, wie die Filteranlage funktioniert. Aurnhammer hat Raumausstatter und Kfz-Mechatroniker gelernt, Maschinenbau studiert und vor viereinhalb Jahren seine Firma „Deutsches Schutzraum-Zentrum“ gegründet. Seither verkauft er, was am besten nie gebraucht wird.

Die Anfragen kämen im Takt der Nachrichten rein, erzählt Aurnhammer. Eine impulsive Äußerung von Trump, ein Truppenaufmarsch, eine Meldung über Panzerlieferungen, schon blinke sein Anrufbeantworter unaufhörlich, und er komme mit den Mails kaum mehr hinterher.

 

Bunkertür

Harte Tür: Dick wie eine Erwachsenhand ist die Tür zu Christian Klaus’ Bunker

Portrait von Peter Aurnhammer

Unterirdischer Service: Unternehmer Peter Aurnhammer verkauft Bunker, für fünfstellige Beträge

Die, die sich bei ihm melden, sorgen sich um Stromausfälle oder dass die Front in der Ukraine bricht. Die Ärzte, die Aurnhammer anrufen, fürchten sich vor allem vor radioaktiver Strahlung. Großväter wollen einen Bunker für ihre Kinder und Enkel, die Enkel wollen einen, weil die Großeltern einen hatten und so durch den Zweiten Weltkrieg gekommen sind. Man könnte sagen: Ihre Angst ist gut fürs Business. Aurnhammer sagt: „Wir sind Dienstleister, die Kunden treffen ihre eigenen Entscheidungen.“

Nicht nur die Deutschen interessieren sich gerade für Bunker, laut Medienberichten steigen die Verkäufe auch in den USA, Italien oder Frankreich. In anderen Ländern müssen sich die Menschen weniger Gedanken um Schutzräume machen. Finnland hat seine Hauptstadt Helsinki komplett unterkellert. In Friedenszeiten werden die Gewölbe unter anderem als Konzertsaal oder Schwimmhalle genutzt. Im Ernstfall sind sie in drei Tagen zu Schutzräumen umgebaut, die deutlich mehr Menschen fassen als die 650.000 Einwohnerinnen und Einwohner Helsinkis.

In der Schweiz sind private Schutzräume im ganzen Land üblich. Vor gut 60 Jahren, während des Kalten Krieges, wurde ein Gesetz eingeführt, das allen einen Schutzraumplatz in der Nähe ihres Zuhauses zusichert und Schutzräume für Neubauten vorschreibt. Das Gesetz gilt bis heute, allerdings nur noch für größere Neubauten: Es gibt – von örtlichen Lücken abgesehen – genügend Plätze für alle Bürgerinnen und Bürger. 

Freunde aus der Schweiz hätten ihm ihren Schutzraum im Keller vorgeführt, erzählt Aurnhammer, da habe er eine Marktlücke erkannt. Denn in Deutschland sieht der Zivilschutz anders aus, oder wie Aurnhammer und Klaus sagen: „Es gibt keinen.“ 

Derzeit gibt es in Deutschland noch 579 öffentliche Schutzräume in Staatsbesitz. Sie bieten Platz für gerade einmal 480.000 Menschen

2007 beschlossen Bund und Länder, die Schutzräume für die Bevölkerung aufzugeben, sie nicht mehr zu warten und bestenfalls zu verkaufen. Einige sind mittlerweile zu Diskotheken, Hotels oder für die Pilzzucht umgebaut, der Rest liegt brach. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine stoppte das Bundesinnenministerium die Rückabwicklung im März 2022. Derzeit sind noch 579 öffentliche Schutzräume in Staatsbesitz. Teilweise müssten die noch reaktiviert werden. Und Platz bieten sie nur für 480.000 Menschen, nicht mal ganz Nürnberg käme unter. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe arbeitet deshalb an einem Bunkerschutzplan und prüft, wie es U-Bahnhöfe, Tiefgaragen und Kellerräume öffentlicher Gebäude nutzen könnte. 

Die, die nicht auf den staatlichen Schutz warten wollen und das Geld haben, rufen weiter Aurnhammer an. Er und seine Mitarbeitenden berechnen, wie groß ein Bunker für eine vierköpfige Familie sein müsste und wie dick die Wände. Er überlegt, wie man Keller in einem Bestandsbau bombensicher macht. Er berät Architekten, die noch nie einen Bunker eingebaut haben, wo die Filterkammer hinmuss und wo die Tür, erklärt Lüftungstechnikern, wie sich Schutz- und Wohnraumbelüftung so trennen lassen, dass keine kontaminierte Luft in den Schutzraum strömt, und dem Sanitärbetrieb, wie das Trockenklosett funktioniert. 

Sein Kassenschlager, sagt Aurnhammer, sei ein Schutzraum von 20 bis 35 Quadratmetern, Klo mit Spülung, Dusche, Küche, Betten für drei Personen. Der liege bei 35.000 Euro. 

Der Bunker von Christian Klaus dagegen sei was Besonderes, der liege über dem Standard: knapp acht Meter tief, Betongüte C30/37. Die Wände hielten dreimal mehr Explosionsdruck stand als die des Standardschutzraumes, sagt Aurnhammer, dazu Artilleriegeschossen, Sprengkörpern, Brandwaffen, Splittern, Gas und atomarer Strahlung. 

45.000 Euro hat Klaus bezahlt, er kann mit seinem Bauunternehmen viel selber machen. Ohne diese Eigenleistungen läge so ein Bunker bei knapp 80.000 Euro. „Aber“, Klaus klopft gegen die Panzertür, „wenn die Hiroshima-Atombombe im Umkreis von 500 Metern einschlägt, sind wir in dem Ding sicher.“ 

Die Wiese neben der Baustelle blüht löwenzahngelb, vor dem angrenzenden Supermarkt steigen Menschen mit Bäckertüten in ihre Autos, Klaus’ Mitarbeiter trinken Mezzomix. Pause auf der Baustelle, alles wirkt friedlich, idyllisch, ein ziemlicher Kontrast zur Dystopie, die in der Baugrube besprochen wird. Klaus zuckt mit den Schultern. Ein Bunker sei wie eine Lebensversicherung. „Wenn man’s nicht braucht, ist’s gut.“ Zur Not, also wenn es keinen Notfall gibt, übe sein Sohn halt im Bunker Schlagzeugspielen. 

Cover des fluter-Hefts #95 zum Thema Handwerk
Dieser Artikel ist aus dem fluter „Handwerk“.
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