Das Heft – Nr. 74

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Noch Fragen?

Lissi Pörnbacher war einen Tag beim Mieterverein und hat sich die Sorgen der Leute angehört

Die Tür geht auf, ein kleiner Mann betritt einen hellen Raum mit türkisblauem Boden in der Fischergasse in Ulm. Er bringt Verzweiflung mit. Sein Vermieter wolle ihm fristlos kündigen, weil er eine Monatsmiete im Rückstand sei, sagt er leise und erzählt von Krankheit und Schulden. „Der Vermieter kann Ihnen erst fristlos kündigen, wenn Sie zwei Monatsmieten im Rückstand sind“, sagt Katja Adler. Sie ist seit 26 Jahren Rechtsberaterin im Mieterverein Ulm/Neu-Ulm und jemand, der emotionalen Problemen mit der Gelassenheit juristischer Fakten begegnet. „Ich werde an den Vermieter schreiben.“

Jedes Mal, wenn die Tür zu Katja Adlers Büro aufgeht, strömen offene Fragen herein. Die Mieterinnen und Mieter bringen Fotos mit, Verträge und Haus-ordnungen. Und Geschichten von Ungerechtigkeiten, Ängsten und Schicksalsschlägen.

In ganz Deutschland gibt es Orte, an denen Mieter und Mieterinnen Antworten und Ratschläge bekommen, etwa wenn auf der Nebenkostenabrechnung Beträge stehen, die sie nicht nachvollziehen können, wenn der Vermieter das Dach nicht reparieren lässt oder der Mietpreis viel höher ist als die Mieten in der Umgebung. Es gibt rund 300 Mietervereine, die dem Deutschen Mieterbund angehören.

Es geht um Betriebskosten, aber auch um Ex-Partner, Krankheit und den Wunsch nach einem Haustier

Um kurz nach 15 Uhr tritt ein junger Mann mit langen Haaren und Vollbart ein. Er beschwert sich über laute Musik und laute Gespräche vor seiner Wohnung und darüber, dass er nach jedem Wochenende in Kotze trete. Katja Adler sagt, was sie allen erst mal rät: „Schreiben Sie Ihrem Vermieter.“ Und fügt hinzu: „Schicken Sie ihm ein Lärmprotokoll. Wenn es nicht besser wird, haben Sie Anrecht auf Mietminderung.

In den Gesprächen in Adlers Büro geht es hauptsächlich um Betriebskosten, Wohnungsmängel oder steigende Mieten. Doch viele Menschen erzählen auch von Ex-Partnern, von Krankheit und Tod, von dem Wunsch nach einem Hund und von Kälte und Einsamkeit – sie erzählen ein Stück Leben.

„Wie lange haben Sie denn für mich Zeit?“, fragt ein Mieter, der wütend ist, sein Handy zückt, um den „katastrophalen Zustand“ seiner Wohnung zu zeigen. „So lange, wie wir brauchen“, sagt Adler, während der Mann berichtet, dass die Rohre einfrieren und ein Wasserrohrbruch seit Wochen nicht behoben worden sei.

Als Katja Adler die Tür ihres Büros hinter sich zuzieht, sagt sie: „Heute war ein guter Tag.“ In zwei Stunden hat sie acht Personen geholfen. Eine Frau freut sich darüber, sich einen Hund anschaffen zu dürfen, ein junger Mensch hofft, bald nicht mehr frieren zu müssen, und ein aufgebrachter Mann glaubt, an dem Ort bleiben zu können, den er seit 23 Jahren sein Zuhause nennt.

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.