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Alle Jugendlichen sollen Zugang zu Ausbildungsplätzen bekommen und BAföG elternunabhängiger werden – sagt die Ampel. Wie wahrscheinlich ist das? Der zweite Teil unsere Koalitionsvertragschecks

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Ausbildungsgarantie, Bafög

Ausbildungsgarantie

„Wir wollen eine Ausbildungsgarantie, die allen Jugendlichen einen Zugang zu einer vollqualifizierenden Berufsausbildung ermöglicht, stets vorrangig im Betrieb.“ (Seite 66, Koalitionsvertrag)

Die Berufsausbildung feierte zuletzt traurige Rekorde: Die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze sank 2020 im Vergleich zum Vorjahr drastisch, die Zahl der Bewerber:innen und der abgeschlossenen Azubi-Verträge ebenso. Gleichzeitig blieben so viele Ausbildungsstellen wie nie unbesetzt: knapp 60.000. Und 78.000 Jugendliche blieben ohne Ausbildungsplatz. 2021 haben sich die Zahlen zum Teil sogar noch verschlechtert. Da kommt die Ausbildungsgarantie der Ampel gerade recht. Sie soll jungen Menschen zu einer Ausbildung verhelfen, die keinen Platz in einem Betrieb finden. Ganz neu ist die Idee zwar nicht – auch die GroKo hat sie in ihren beiden Koalitionsverträgen 2013 und 2018 jeweils als Ziel formuliert. Die Ampel will nun aber Nägel mit Köpfen machen – ob das passiert, bleibt abzuwarten.

Ausbildungsplätze für alle? Österreich machts vor

Wie die Ausbildungsgarantie aussehen könnte, ließ die zuständige Staatssekretärin Leonie Gebers bei einer Veranstaltung Ende Januar durchblicken. Das Bundesarbeitsministerium werde sich bei der Umsetzung am Nachbarland Österreich orientieren, kündigte Gebers an. Dort gibt es bereits seit 2017 eine Ausbildungsgarantie für junge Menschen bis 25 Jahre. Rund acht Prozent der Lehrlinge werden nun vom Staat ausgebildet und bis zu zwei Drittel der fertig Ausgebildeten in Betriebe vermittelt. Bis zu 20.000 zusätzliche Fachkräfte könnte Deutschland durch eine Ausbildungsgarantie im Jahr gewinnen, schätzt die Bertelsmann-Stiftung anhand der Daten aus Österreich. Das Problem: Die deutsche Wirtschaft hält größtenteils wenig von dem Plan. Aus ihrer Sicht gibt es ausreichend Ausbildungsplätze und Förderinstrumente für benachteiligte Jugendliche – eine staatliche Ausbildungsgarantie führe nur zu einem vermehrten Run auf „wenige Wunschberufe“, für die es keinen Bedarf gibt. Ein weiterer Kritikpunkt bei der Umsetzung: Sie ist rechtlich heikel, weil mit einer Ausbildungsgarantie ein Rechtsanspruch einhergeht – was in anderen Fällen (Kitaplatz, Ganztag) über mehrere Jahre vorbereitet werden musste. Für diejenigen, die die staatlich garantierten Ausbildungsplätze heute dringend gebrauchen könnten, kommt das Ampelvorhaben womöglich zu spät.

BAföG

„Das BAföG wollen wir reformieren und dabei elternunabhängiger machen.“ (S. 97)

Wieder mal eine BAföG-Reform! Seit seiner Schaffung vor über 50 Jahren wurde das Bundesausbildungsförderungsgesetz, wie das BAföG offiziell heißt, sage und schreibe 26-mal angepasst. Nun soll noch vor dem Wintersemester die 27. Novelle erfolgen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf der neuen Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger von der FDP hat das Kabinett Anfang April beschlossen. Damit die Änderungen rechtzeitig vor dem Wintersemester in Kraft treten können, müssten noch Bundestag und Bundesrat zustimmen. Die Gründe für die neuerliche Reform: Der Anteil der BAföG-Empfänger:innen ist seit Jahren im Sinkflug. Laut Statistischem Bundesamt ist die Zahl der geförderten Schüler:innen und Studierenden seit 1991 um über ein Viertel geschrumpft. Auch die jüngste BAföG-Reform von 2019 halten Expert:innen für nicht ausreichend, um die versprochene „Trendwende“ herbeizuführen. Die jetzigen Regierungsparteien hatten zuletzt selbst moniert, dass das BAföG wegen der stark steigenden Miet- und Lebenshaltungskosten in den Städten nicht zum Leben reiche – und dass der Kreis der BAföG-Berechtigten zu klein sei.

Elternunabhängige Grundsicherung? Steht in den Sternen 

Die Ampelregierung erhöht deshalb die monatlichen Bedarfssätze für Studierende (von 427 auf 449 Euro) und die Wohnpauschale (von 325 auf 360 Euro, wenn man nicht mehr zu Hause wohnt). Für Studierende, die in einer WG wohnen und zudem nicht bei den Eltern krankenversichert sind, liegt der Höchstsatz künftig bei 931 statt bislang 861 Euro. Auch Schüler:innen, Auszubildende und Studierende mit Kindern sollen mehr Geld erhalten. Außerdem sollen künftig Personen bis zum 45. Lebensjahr BAföG beziehen können – bisher endete die staatliche Ausbildungsförderung in der Regel bei 30 Jahren. Auch die Vermögens- und Einkommensfreibeträge sollen angehoben werden.

Weitere Versprechen aus dem Koalitionsvertrag fehlen in dem Entwurf jedoch: Zum Beispiel wollte die Ampel eine Studienstarthilfe für Menschen aus einkommensschwachen Familien auflegen und den Anteil am BAföG reduzieren, den die Empfänger:innen nach dem Studium zurückzahlen müssen. Bislang müssen in der Regel 50 Prozent der Fördersumme – maximal 10.000 Euro – zurückgezahlt werden. Auch die Grundsicherung, die das BAföG elternunabhängiger machen soll, fehlt bislang.

Illustration: Renke Brandt

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