Das Dorf Riace liegt ganz im Süden Italiens, in Kalabrien. Da, wo im Stiefel die Fußsohle in den Zeh übergeht. Es ist eine strukturschwache Region: Die wenigen Jobs, die es hier gibt, sind in der Regel auch noch schlecht bezahlt. Seit Jahrzehnten hat es die Menschen darum aus Riace weggezogen, vor allem junge Leute, die oft in die Städte im Norden Italiens oder ins Ausland gehen. Riace war wie ausgestorben. Verlassene Häuser begannen zu verfallen, alle Pizzerien und Eisdielen hatten dicht gemacht.
Dann, im Sommer 1998, strandeten über zweihundert Kurden an der nahegelegenen Küste und baten um Asyl. Riace nahm die Kurden auf. Sie bekamen eine Unterkunft, Leerstand gab es ja reichlich, und wurden in den Dorfalltag integriert. Vor allem ein Mann namens Domenico Lucano, heute Bürgermeister von Riace, setzte sich damals dafür ein, dass die Menschen bleiben konnten. Seine Idee: Die Neuankömmlinge sollen das Dorf wiederbeleben.
Lucanos Plan ging auf. Über die Jahre kamen immer mehr Migranten in das Dorf, das seitdem jünger und internationaler geworden ist. In Riace leben inzwischen Einwanderer aus mehr als 20 unterschiedlichen Herkunftsländern. Sie arbeiten zum Beispiel bei der Müllabfuhr, der Straßenreinigung oder in der Gastronomie: Tätigkeiten, die jungen Einheimischen wohl oft nicht attraktiv erscheinen. Auch viele der Neuankömmlinge ziehen irgendwann weiter. Richtung Norden. Dahin, wo es bessere Jobs gibt.