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Nummer 7 bringt Sie zum Lachen

Videos über lustige Tiere oder Handys im Mixer: Die Firma „Smile Smile Inc.“ im Roman „Content“ produziert nur wertlose Quatsch-Videos fürs Internet. Elias Hirschls erkundet darin die Folgen des technischen Fortschritts und die Angst, ersetzt zu werden

  • 5 Min.
Will it blend

Worum geht’s?

Die namenlose Ich-Erzählerin in „Content“ arbeitet bei „Smile Smile Inc.“, wo sie Clickbait-Listen über die besten Power-Couples, die lustigsten Momente aus der Tierwelt oder die schlechtesten Filme der vergangenen elfeinhalb Monate schreibt – sogenannte Listicles. Im Video-Department des Unternehmens entstehen kurze Clips, in denen alte Handys in Mixer geworfen werden oder Hydraulikpressen Mikrowellen zerquetschen. Sinnloser Online-Inhalt, den wohl viele kennen, weil er andauernd in der Timeline auftaucht. Wie ihre Firma Geld verdient, weiß die Protagonistin selbst nicht. Sie begnügt sich damit, dass ihr Gehalt monatlich von einer obskuren osteuropäischen Bank überwiesen wird. Doch bei diesem immer gleichen Fließbandalltag bleibt es nicht: Ihre Lieblingskollegin Karin kommt in eine psychiatrische Klinik, die Identität der Erzählerin wird gestohlen, die Erde bebt, Feuer brechen aus – die Stadt, in der die Protagonistin lebt, steht (wegen Umweltsünden der Vergangenheit) vor dem Untergang.

Worum geht’s eigentlich?

Dass künstliche Intelligenz den Job der Hauptfigur erledigen kann, merkt sie schnell. Den Kolleg*innen bereitet das Sorgen, die Erzählerin dagegen macht es sich zunutze. Sie programmiert einen Bot, der ihre monotone und alles andere als sinnstiftende Arbeit übernimmt. Niemand merkt es. „Content“ erkundet den schmalen Grat zwischen der Hoffnung und der Angst, dass künstliche Intelligenz sinnlose Tätigkeiten übernehmen kann. Technischer Fortschritt verändert die Welt der Erzählerin – aber wird sie dadurch besser? Im Roman heißt die Antwort: überhaupt nicht. Als zum Beispiel die Wohnung der Erzählerin brennt, lässt sich das neue Feuerwehr-Start-up per App rufen. Doch die „schnelle, komfortable Rettung und ein ressourcenschonendes, umweltverträgliches Löschkonzept“ bringen leider nichts mehr, wenn die Feuerwehrleute aufhören zu löschen, weil die angegebene Kreditkarte abgelaufen ist. Fünf Sterne gibt’s trotzdem, aus Höflichkeit.

Wie wird es erzählt?

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Content

„Content“ von Elias Hirschl erscheint im Hanser Verlag.

Elias Hirschl schreibt wahnsinnig lustig, auf fast jeder Seite muss man laut auflachen. Es macht großen Spaß, wie der Wiener Autor die Content-Welt, die wir kennen, mit der Welt dahinter, die wir uns nicht einmal hätten vorstellen können, verbindet. Irgendwann kann man gar nicht glauben, dass sich das alles noch steigern lässt: Die Identitätsdiebin der Erzählerin lädt zu einer „Destination Wedding“ auf eine Karibikinsel ein; die Sätze, die in den Smile-Smile-Videos auftauchen sollen, werden immer kryptischer („Die skeptische Ziege nickt im Takt“). Und zugleich brechen immer neue Katastrophen wie die zehn biblischen Plagen über die Stadt herein.

Für all das findet Hirschl eine unverbrauchte, klischeefreie Sprache fernab von allem, was man bislang zu dem Thema lesen oder hören konnte. Seine Sätze sind kurz, der Humor trocken, mit viel Gefühl für absurde Details. Weil wir alle kennen und nutzen, was Elias Hirschl thematisiert, gelingt ihm so eine geniale, übersteigerte Vermischung von Realität und Fiktion – die an vielen Stellen erschreckenderweise gar nicht so unrealistisch wirkt: Spotify etwa hat die Musikwelt ja bereits verändert, wieso sollten dann nicht „One-Second-Alben“ mit 3.000 einsekündigen Liedern populär werden können, wenn Künstler*innen nach Anzahl und nicht Länge der Songs bezahlt werden? „Content“ ist klug und Quatsch zugleich.

Gut zu wissen:

Wie sollte man es bei einem Roman über künstliche Intelligenz auch anders erwarten: In „Content“ gibt es Passagen, die sich so lesen, als seien sie von einem Bot geschrieben, es aber laut Hirschl nicht sind. Womöglich meint er damit die über sieben Seiten gegen Ende des Romans, die nur aus Listicle-Titeln bestehen. „Manchmal wirken Bots eben gar nicht Bot-artig genug für einen Roman“, sagt der Autor dazu. Andere Stellen soll ein Programm geschrieben haben, anschließend habe Hirschl sie nachbearbeitet. Als Leser*in merkt man davon nichts. Für diesen Roman ist der spielerisch-ironische Umgang mit KI konsequent. Gleichzeitig stellt er damit die große Frage, auf die es bislang keine richtige Antwort gibt: Wie kreativ kann künstliche Intelligenz sein – und was bedeutet das für Kunstschaffende?

Lohnt sich das?

Auf jeden Fall. Weil „Content“ nicht nur unfassbar unterhaltsam ist und vor aberwitzigen Ideen sprüht, sondern perfekt in unsere Zeit passt (und bei der aktuellen Entwicklungsgeschwindigkeit von KI und Social Media in einem Jahr wahrscheinlich schon wieder überholt ist). Elias Hirschl gelingt eine Satire auf unser Arbeitsleben und unsere Technologieabhängigkeit, bei der das Lachen manchmal im Hals stecken bleibt.

Ideal für:

Alle, die gerne in immer grotesker werdende Welten abtauchen. Der Roman ist eine fröhliche Dystopie, und seine Protagonist*innen verlieren trotz herannahender Apokalypse ihre Hoffnung nicht – oder sie sind schon zu resigniert, als dass ihnen ein Weltuntergang noch Angst machen könnte.

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.