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Da habt ihr euch geschnitten

Genitalverstümmelung ist in Kenia verboten, trotzdem werden Mädchen weiter beschnitten. Bringen neue, unblutige Rituale, was Gesetze bislang nicht konnten?

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Eine jahrhundertealte Tradition, die sich bis heute hält: die Beschneidung von Mädchen und jungen Frauen. Sie finden vor allem auf dem afrikanischen Kontinent, im Nahen Osten und Asien statt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass mehr als 200 Millionen der gerade auf der Welt lebenden Frauen genitalverstümmelt wurden. Die Verbreitung des Ritus variiert je nach Region und Bevölkerungsgruppe auch innerhalb eines Landes stark.

Die meisten Mädchen werden zwischen Geburt und Pubertät von sogenannten „Beschneiderinnen“ mit Messer oder Rasierklinge behandelt. Sie entfernen die Klitoris, äußere und innere Schamlippen gänzlich oder teilweise, nähen sie manchmal auch zu. Die Folgen: Infektionen, Zysten und eine vernarbte Vulva. Sex ist den Frauen meist nur unter Schmerzen, eine Geburt nur mit Komplikationen möglich. Viele Frauen kämpfen noch im Erwachsenenalter mit Angststörungen und anderen psychischen Erkrankungen. Außerdem folgt der Beschneidung oft eine Zwangsehe, wodurch sich die Bildungschancen für die Frauen verschlechtern können.

Die Gründe für die Beschneidung sind unterschiedlich: Oft ist sie ein Initiationsritus für den Übergang des Mädchens in die Erwachsenenwelt oder eine Art Kontrolle der weiblichen Sexualität und „Reinheit“. Aus dem Glauben wird der Ritus selten abgeleitet.

Warum soll die Beschneidung Mädchen zu Frauen machen – und nicht ein Schönheitswettbewerb?

In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Genitalverstümmelung in immer mehr Ländern Afrikas verboten. Das zeigt oft wenig Wirkung: In Kenia, wo das Gesetz gegen Genitalverstümmelung von Frauen unter 18 seit 2011 gilt, waren bei der letzten offiziellen Befragung 2014 noch immer 21 Prozent der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren beschnitten. Besonders hoch waren bei der Befragung die Zahlen in Gemeinschaften der Somalis (94 Prozent der Frauen), Sumburu (86 Prozent), Kisii (84 Prozent) und Massai (78 Prozent). Die Tradition ist zu tief in der Kultur verankert und oft mangelt es an staatlicher Kontrolle, um Verbote durchzusetzen.

Seit einigen Jahren entwickeln Nichtregierungsorganisationen Projekte, um die Abkehr von dem blutigen Ritus zu erleichtern: Sie bieten „Alternative Initiationsriten“ an. AMREF Health Africa ist mit rund 1.000 Mitarbeitenden die größte NGO des Kontinents, 95 Prozent der Belegschaft kommen aus afrikanischen Ländern. Ihr Ansatz: Statt den Ritus zu verbieten, soll er so verändert werden, dass er niemandem mehr schadet, aber kein kulturelles Vakuum hinterlässt. Die Riten von AMREF bestehen aus Tänzen, Gesängen, Zeremonien, Workshops, Talent- und Schönheitswettbewerben.

Ob sich diese Alternativriten, die eine Beschneidung verhindern, aber immer noch auf einem körperbetonten und von festen Geschlechterrollen bestimmten Frauenbild aufbauen, durchsetzen, muss sich zeigen. Die kenianische Regierung folgt dem Ansatz schon mal: Spätestens 2022 sollen in Kenia keine Mädchen mehr verstümmelt werden.

Text: Nora Belghaus und Fabian Franke

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.