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So ist es, ich zu sein: Berufsbetreuer

Klaus Fournell arbeitet seit zehn Jahren als Berufsbetreuer in Freiburg. Mit der endlich beendeten Vormundschaft à la Britney hat das wenig zu tun

Klaus Fournell

„Vor zehn Jahren, mit 50, habe ich nach einer neuen beruflichen Herausforderung gesucht. Ich hatte zuvor 15 Jahre lang als Sozialarbeiter gearbeitet. Da kam der Leiter der örtlichen Betreuungsbehörde auf mich zu und fragte: ‚Wir suchen verzweifelt Berufsbetreuer, kannst du dir das vorstellen?‘ Ich war skeptisch, weil Betreuer unter uns Pädagogen und Pädagoginnen nicht den besten Ruf hatten. Aber ich habe es ausprobiert und ein paar Tage lang bei einem Kollegen hospitiert. Ich wusste schnell, dass mir der Beruf Spaß macht.

Das Thema Berufsbetreuung – früher hieß es Vormundschaft – ist zuletzt durch den Fall Britney Spears, die darum gestritten hat, dass ihr Vater die Vormundschaft wieder abgeben muss, in die Öffentlichkeit und auch ein bisschen in Verruf geraten. In Deutschland könnte ein Fall wie dieser aber sowieso nicht passieren. Erstens gibt es seit 1992 keine Vormundschaft mehr, sondern nur rechtliche Betreuung: Dabei behalten die volljährigen Betreuten so gut wie immer die Möglichkeit mitzuentscheiden. Nur wenn jemand eine Gefahr für sich oder andere darstellt, kann gegen seinen Willen entschieden werden – zum Beispiel, dass er in die Psychiatrie eingeliefert wird. Wenn jemand den Eindruck hat, der Betreuer mache etwas, was die Person gar nicht möchte, kann er sich jederzeit vor Gericht beschweren. Falls ich als Betreuer tatsächlich eine falsche Entscheidung treffe, muss ich Schadensersatz leisten. Bisher ist das zum Glück noch nicht vorgekommen.

Eine staatlich anerkannte Ausbildung zum Berfsbetreuer gibt es nicht – wichtig sind unter anderem Soft Skills

Eine staatlich anerkannte Ausbildung gibt es für Berufsbetreuer in Deutschland nicht. Also habe ich mich intensiv in Erbrecht und Unterhaltsrecht weitergebildet und mich dann schrittweise selbstständig gemacht. Ich bin außerdem der Meinung, dass vor allem ‚Soft Skills‘ wichtig sind für diesen Job. Man muss sich in die psychische Situation des Gegenübers hineinversetzen können. Welche Geschichte steckt hinter den Menschen? Welche Themen darf ich, zum Beispiel wegen eines Kindheitstraumas, nicht ansprechen? Gleichzeitig muss man eine wahnsinnige Geduld haben und sich auch mal durchsetzen können. Heute führe ich ein Betreuungsbüro und arbeite dort gemeinsam mit einer Mitarbeiterin. Pro Klient und Stunde bekomme ich zwischen 22 Euro und 44 Euro. Aktuell betreuen wir 44 Menschen. Vorwiegend ‚junge Wilde‘, wie ich sie gern nenne.

Unter ihnen ist zum Beispiel ein junger Mann, der mit 18 aus der Jugendhilfe geflogen ist, weil er sich krankheitsbedingt – er ist drogenabhängig und hat eine Psychose – nicht an die Regeln halten konnte. In seiner neuen Wohnung hatte er seine Miete nicht gezahlt und wurde fristlos gekündigt. Sobald das monatliche Hartz IV auf seinem Konto eintrudelte, hat er es abgehoben und innerhalb der ersten zwei Wochen verprasst. Als sein Betreuer kümmere ich mich nun um seine Angelegenheiten im Bereich Wohnung, Gesundheit, Behörden und Finanzen. Ich regle zum Beispiel, wie viel Geld ihm pro Woche zur Verfügung steht. Ich kann Verträge rückgängig machen – zum Beispiel, wenn er einen Handyvertrag abschließt, den er sich gar nicht leisten kann. Und ich verwalte seine Post, das heißt, seine Briefe, die er sonst wegschmeißen oder verbrennen würde, werden an mich geschickt. Seine private Post darf ich natürlich nicht öffnen, die gebe ich an ihn weiter. Ein paarmal die Woche kommt ein Pflegedienst zu ihm, kümmert sich darum, dass er seine Medikamente nimmt und geputzt und eingekauft wird. Rechtliche Betreuer machen das niemals selbst, sondern sorgen dafür, dass alles geregelt wird. Ich bespreche jede einzelne Angelegenheit mit ihm, entscheide nicht über ihn hinweg. Die Büokratie kann ziemlich nervig sein an diesem Job – manchmal liegen Schreiben wochenlang beim Amt, bevor sie bearbeitet werden. Persönlich sehe ich den Klienten einmal im Monat.

Kaffee oder Bier mit Klienten lehne ich freundlich ab

Manchmal treffe ich Klienten zufällig bei einem Bummel in der Stadt. Wenn sie mit mir einen Kaffee oder Bier trinken und plaudern wollen, lehne ich freundlich, aber konsequent ab und entgegne: ‚Das ist ja toll, ich habe eine sehr gute Kaffemaschine in meinem Büro, kommen Sie doch gern morgen früh vorbei!‘ Mir ist es wichtig, dass ich eine klare Grenze ziehe zwischen meinem Privatleben und meinem Job. Nur so schaffe ich es, dass ich nicht mit den Sorgen der Betreuten schlafen gehe.

Grundsätzlich kann jede Person eine Betreuung für jemanden vorschlagen – das kann auch ein Fremder sein, der das Gefühl hat, dass seine Nachbarin mit dem Leben nicht mehr richtig fertig wird. Jede dieser Anfragen landet erst mal beim Betreuungsgericht. Die schicken dann Sozialarbeiter vorbei und lassen, wenn es wirklich einen Anlass gibt, ein amtsärztliches Gutachten anfertigen, ein Attest der Hausärztin oder ein psychiatrisches Gutachten. Es muss eine körperliche oder psychische Behinderung oder eine schwere Drogenabhängigkeit festgestellt werden. Und jemand muss aufgrund dessen mit seinem Leben nicht klarkommen. Mein Eindruck ist, dass viele der Betroffenen sich auch selbst eine Betreuung wünschen. Wenn die erst mal eingerichtet ist, läuft sie in der Regel zwei Jahre lang. Spätestens dann bewertet ein Richter den Fall neu.

Oftmals empfindet das engere Umfeld die Lage etwas anders als die Betreuten selbst. Ich betreue zum Beispiel einen 80-Jährigen, der eine leichte Demenz hat. Seine Familie wollte ihn schon vor einigen Jahren ins Altersheim schicken, weil er einmal den Herd angelassen hat und seine Wohnung abbrannte. Der Herr selbst wollte aber nicht ins Heim und war zufrieden, auch seine Nachbarn meinten, dass er gut zurechtkomme und zuvor noch nie etwas passiert sei. Er lebt mittlerweile seit fünf Jahren statt im Heim in einer neuen Wohnung und bekommt Unterstützung beim Putzen. Und wenn er vergisst, seinen Schlüssel mitzunehmen, hilft ihm der Nachbar mit einem Ersatzschlüssel aus. In diesem Fall konnte ich für die Rechte eines Menschen einstehen, die sonst verletzt worden wären. Das mag ich besonders an meinem Job.“

Collage: Renke Brandt

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.