Das letzte Stück Fleisch: ein unvergessliches Erlebnis?

Nein, ich erinnere mich gar nicht. Nur noch an die Ansage an meine Eltern und meinen kleinen Bruder, als ich etwa 15 war, dass ich mich »ab Montag« vegetarisch ernähren werde.

Hattest du schon lange Fleischekel oder wie kam das?

Als ich aufhörte, hatte ich noch gar keinen Ekel. Meine Eltern haben mich auch oft daran erinnert, dass ich doch mal so ein guter Fleischesser gewesen sei. Mittlerweile ist der Ekel aber ganz massiv. Ich kann das schon nicht riechen und nicht sehen. Es gab ein Schlüsselerlebnis.

Was ist passiert?

Das war mit 15 ungefähr. Ich hatte komische Klamotten an und war in dem hässlichen Großdorf vor meiner Heimatstadt in einem Jugendklub zum »Antifasching«, wobei die As eingekreist waren, um anzuzeigen, dass das auf jeden Fall eine ganz linke und subversive Veranstaltung ist … Es wurde Pogo getanzt und auf ein paar Bildschirmen liefen ohne Ton Schlachthaus-Splatter-Filme: Transport- und Schlachtungsszenen der übelsten Sorte, mit pornografischer Lust an expliziten Details. Aber ich war ja viel zu cool, um das anzunehmen und bin erst einmal mit meinen Kumpels gegenüber einen Döner essen
gegangen. Weil ich mich ja von der billigen Propaganda überhaupt nicht kleinkriegen lassen wollte … Ich habe aber die Bilder dann doch nicht mehr ganz weggekriegt. Und als mir dann klar wurde, dass die Schnitzel im Supermarkt auch solche Schlachthaus- Wege hinter sich haben, hat sich der Grundzweifel festgesetzt.

Wie hast du die Umstellung überstanden? Mutter hat den Braten auf den Tisch gestellt und für dich gab’s’ne Stulle?

Ich komme aus einem kulinarischen Komponentenhaushalt, wo Gemüse und Kartoffeln zu Fleisch mit Soße serviert wurden. Für mich gab’s dann eben nur noch Kartoffeln und Gemüse. Nervig sind immer wieder Leute, die fragen: »Wie? Nich’ mal Wurst? Aber dann Wild!?« Dass man immer wieder auf Unverständnis trifft, ist manchmal schon anstrengend. Anfangs gab’s auch den Vorwurf, ich sei ein Modevegetarier oder würde nur eine getarnte Diät machen. Das war für mich auch ein Ansporn, es jetzt erst recht zu tun.

Bist du auch »missionarisch« unterwegs?

Zum Missionieren selber habe ich ein sehr kritisches Verhältnis, weil ich es selbst zu schätzen weiß, in bestimmten Bereichen auch in Ruhe gelassen zu werden und selber zu entscheiden, was ich tue. Dementsprechend versuche ich auch anderen nicht auf die Nerven zu fallen. Aber ich bin diskussionsbereit, was solche Sachen angeht. Ich habe auch wunderbare Argumente, wenn da jemand mit mir sprechen will. Nur zwinge ich das niemandem auf.

Kann man auch ganz entspannt mit dir essen gehen und ein Spanferkel bestellen?

Das tun einige Leute. Natürlich bin ich davon nicht begeistert, aber das lasse ich die Menschen nicht spüren. Es gibt auch einfach noch wichtigere Sachen in sozialen Beziehungen als das Tierethikthema.