Urlaub, endlich! Ab in den Flieger und weit weg. Das ist wunderbar für die erholungshungrige und fernwehgeplagte Seele, aber schlecht für das ökologische Gewissen. Schon gut zwei Prozent der globalen Treibhausgasemissionen gehen laut der Internationalen Energieagentur auf das Konto des Luftverkehrs, und es werden mehr.
Wie funktioniert die „Kompensation“ einer CO₂-Emission?
Urlauber sollen ihre Klimasünde wiedergutmachen können, indem sie die durch den Flug entstandenen Emissionen mit einer Ausgleichszahlung „kompensieren“. Eigens darauf spezialisierte Organisationen investieren das Geld dann beispielsweise in Windkraftwerke, in Solaranlagen oder die Aufforstung von Wäldern. All diese Projekte haben den Anspruch, Treibhausgasemissionen zu vermeiden oder CO₂ zu binden.
Special: Wie wir reisen
Schwer ist das nicht. Das Umweltbundesamt führt eine Liste mit Anbietern von Kompensationsleistungen. Die meisten machen es dem Fluggast einfach: Auf der Webseite trägt man seinen Flug ein, beispielsweise Berlin–Frankfurt. Dann wird geschätzt, wie viel Kohlendioxid man sich ungefähr hat zuschulden kommen lassen. Einige Fluganbieter wie die Lufthansa und auch Reiseportale bieten den Ausgleich direkt bei der Buchung der Reise, aber auch unabhängig davon.
Weshalb ist ein Flug unterschiedlich klimaschädlich?
Je nach Anbieter der Kompensationsleistung scheint ein und derselbe Flug unterschiedlich schädlich zu sein. Zwischen 2,3 und 3,8 Tonnen schwankt die Kohlendioxidlast für den Direktflug von Frankfurt nach New York und zurück. Die Unterschiede rühren daher, dass die Anbieter unterschiedliche Berechnungsmethoden für die Treibhausgasemissionen zugrunde legen. Einige berücksichtigen Zwischenlandungen, die Klasse und auch das aufgegebene Gepäck nicht. Für Flüge in einer Höhe von mehr als 9.000 Metern sollten die Kohlendioxidemissionen mit einem Faktor von 2,7 multipliziert werden, schlägt der Weltklimarat, ein international anerkanntes Expertengremium, vor. Denn in großen Höhen sind die Treibhausgase aus den Düsentriebwerken besonders klimaschädlich. Und außerdem treten auch Wasserdampf, Ruß und Stickoxide aus, die ebenfalls zur Erderwärmung beitragen.
Die CO₂-Rechner von Drittanbietern, deren Kerngeschäft nicht die CO₂-Kompensation ist, etwa der Lufthansa, gehen über solche Besonderheiten hinweg. Wer sich mit einer zusätzlichen Quelle absichern möchte, dass nichts geschönt wird, kann zur Kontrolle den Rechner des Umweltbundesamtes heranziehen. „Dieses Werkzeug passen wir laufend an aktuelle Forschungsergebnisse an“, sagt die dort tätige Klimaschutzexpertin Stefanie Böther.
Warum kostet die Kompensation unterschiedlich viel Geld?
Damit nicht genug der Abweichungen zwischen den gut zwei Dutzend Anbietern. Kostet die Tonne Kohlendioxid bei der Organisation Klimamanufaktur etwa 6 Euro, sind es bei Atmosfair 23 Euro. Je nach Projekt ist eine Tonne zu kompensierendes Kohlendioxid unterschiedlich teuer. Das liegt schon in der Natur der Sache: Bis ein Solarkraftwerk läuft und kohlendioxidarmen Strom erzeugt, bedarf es immenser Investitionen. Wer Bäume pflanzt, hat fortan einen selbstwachsenden Kohlendioxidfilter.
Welche Kompensationen sind umstritten?
„Man muss sich schon genau informieren, für welches Projekt man sein Geld gibt“, sagt Böther. Der Verlockung des niedrigsten Preises sollte man nicht erliegen, sagt sie. Denn nicht jede Klimaspende ist ökologisch einwandfrei. Staudammprojekte und Aufforstungsprogramme sind besonders umstritten. Eukalyptus- und Teakholzplantagen etwa benötigen viel Wasser und zehren den Boden aus.
Viel problematischer ist aber: Ein Wald muss mindestens 50, wenn nicht 100 Jahre stehen bleiben, um eine nennenswerte Klimaschutzwirkung zu haben. „Kein Projektbetreiber kann das garantieren“, warnt Dietrich Brockhagen, Geschäftsführer von Atmosfair, das deshalb keine Waldprojekte führt.
Worauf muss man achten?
Was mit dem Geld in den zumeist ärmeren Staaten, in denen es investiert wird, passiert, lässt sich nur begrenzt kontrollieren. Manche Anbieter investieren zwar oft in Klimaschutzprojekte, die mit dem Gütesiegel „Gold Standard“ versehen sind. Aber dafür prüfen andere zuvorderst Papiere. Vor-Ort-Kontrollen sind selten. „Man sollte beispielsweise auch prüfen, ob das Projekt noch aktiv ist, für das man sein Geld spendet“, sagt Böther.
Die Stiftung Warentest prüfte kürzlich die sechs Kompensationsanbieter – Atmosfair, Klima-Kollekte, Primaklima, Myclimate, Klimamanufaktur und Arktik – für ihre Zeitschrift „Finanztest“. Sie wertete es positiv, wenn Anbieter wie Atmosfair und Primaklima sich selbst in Klimaschutzprojekten engagieren und damit vor Ort sind. Andere Anbieter arbeiten mit Projektentwicklern zusammen. Einzelne Dienstleister, dazu zählt Arktik, nehmen am Emissionshandel teil und kaufen Zertifikate am Markt ein. Ein Zertifikat gibt dem Inhaber das Recht zur Emission von einer Tonne Kohlendioxid (CO₂) beziehungsweise CO₂-Äquivalent. Welches Projekt hinter dem Zertifikat steht, sieht man der geldwerten Klimawährung nicht mehr an. Stiftung Warentest beurteilte das als Minuspunkt.
Wie sinnvoll ist die Kompensation?
Selbst die sorgfältigste Klimaspende ändert nichts daran, dass man vorher eine Umweltsünde begangen hat. Das Kohlendioxid ist in der Luft und lässt sich schwerlich zurückholen. „Das Allerbeste ist es deshalb, jede Flugreise zu vermeiden“, sagt Brockhagen.
Die Flugreisen nach bestem Wissen und Gewissen zu „kompensieren“ erfordert Zeit und die geistige Auseinandersetzung mit dem Thema. Aber Kompensationsbefürworter haben einen Tipp: Sie tätigen all ihre Kompensationszahlungen auf einen Schlag, etwa im Dezember vor Weihnachten.
Fotos: Mike Kelley