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Die wahren Monuments Men

Simon Schwartz’ Comic „Verborgen im Fels“ erzählt die Geschichte eines österreichischen Bergwerks, in dem die Nationalsozialisten geraubte Kunstwerke versteckten – und von unterdrückten Bergleuten, die zu Helden wurden

  • 5 Min.
Verborgen im Fels

Worum geht’s?

Um die Geschichte des Salzbergwerks Altaussee in Österreich. Seit dem 12. Jahrhundert bauen Menschen im Berg Sandling nachweislich das „weiße Gold“ ab. Weil es hier sehr rein und so üppig vorhanden ist wie an keinem anderen Ort in Österreich, verhalf das Salz der Region zu Wohlstand und politischer Macht. Später kam als weitere Einnahmequelle der Tourismus hinzu, Reiche und Prominente verbrachten im idyllischen Kurort Altaussee ihre Sommer („Verborgen im Fels“ entstand in Kooperation mit der Region Bad Ischl Salzkammergut, die in diesem Jahr eine der europäischen Kulturhauptstädte ist). Die malerische Kulisse lenkt dabei leicht von der dunklen Vergangenheit des Orts ab: So kam es im Zweiten Weltkrieg fast zur Vernichtung von wertvollen Kunstwerken, die die Nationalsozialisten von jüdischen Familien, aus Museen und Kirchen geraubt hatten und im Stollen vor den Alliierten versteckten.

Worum geht’s wirklich?

Um die Bergleute, die im Salzbergwerk arbeiteten. Jahrhundertelang galten sie quasi als Leibeigene mächtiger Herrscher, für die sie unter Tage Schwerstarbeit leisteten und dafür kaum Lohn und Essen erhielten. Versuche, sich zu widersetzen, wurden zum Teil brutal niedergeschlagen. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Zerfall Österreich-Ungarns verschwanden wichtige Absatzmärkte für das Salz, viele Bergmänner verloren dadurch ihre Arbeit. Im Zweiten Weltkrieg musste die Saline dennoch Salz produzieren. Obwohl sie wegen ihrer Unabkömmlichkeit für die Kriegswirtschaft eigentlich vom Wehrdienst befreit waren, wurden wiederholt vor allem die jüngeren unter den Bergmännern in die Armee eingezogen. 64 von ihnen sollen laut dem Comic im Krieg gefallen sein.

Zum Schutz vor Zerstörung lagerte man ab 1943 auch Kunstwerke im Bergwerk – darunter die aus über 5.000 geraubten Werken bestehende Privatsammlung Hitlers, mit der er in Linz ein „Führermuseum“ eröffnen wollte. Die Bergleute mussten etwa Skulpturen, Gemälde und Aquarelle von Künstlern wie Michelangelo und Jan Vermeer im Stollen unterbringen. Als sich der Sieg der Alliierten abzeichnete, wollte SS-Mann und Gauleiter August Eigruber die Kunstwerke lieber in die Luft sprengen, als sie dem „Feind“ zu überlassen. Er ließ in Holzkisten versteckte Fliegerbomben im Stollen platzieren. Als die Bergleute davon erfuhren und erkannten, dass mit dem Bergwerk auch ihre Lebensgrundlage vernichtet würde, erklärten sie sich bereit, die Bomben aus den Stollen zu räumen. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion versteckten sie die Bomben unter Einsatz ihres Lebens in einem Wald und retteten so eine Vielzahl von Europas bedeutendsten Kunstschätzen.

Gut zu wissen:

Die Geschichte der durch die Nationalsozialisten geraubten Kunst klingt nicht nur filmreif: George Clooney erzählte sie 2014 in „Monuments Men – Ungewöhnliche Helden“. Die Heldenrolle spielen darin aber überwiegend US-amerikanische Spezialagenten. 2019 verfilmte Gabriela Zerhau mit „Ein Dorf wehrt sich“ auch die Geschichte der Bergleute, deren Beitrag zur Rettung der Kunst lange in Vergessenheit geraten war.

Wie ist es erzählt?

Simon Schwartz spannt einen weiten historischen Bogen von der Steinzeit bis zur Gegenwart. Wichtige Ereignisse in der Geschichte des Bergwerks erzählt er dabei knapp in wenigen Sätzen und anhand von Jahreszahlen. Die harten Fakten werden nur selten durch Einschübe oder fantastische Elemente aufgelockert. Doch wenn Schwartz diese einfließen lässt, verknüpft er sie eindrucksvoll mit den historischen Tatsachen. Etwa wenn es um die Sage geht, wonach einst ein Wassermann die Menschen auf das Salz im Berg aufmerksam gemacht hat. Als die Nationalsozialisten in Österreich die Macht übernehmen, sinkt besagter Wassermann im Comic grau und sprachlos auf den Grund des Sees. Auch ansonsten geht Schwartz sparsam mit Farben um und benutzt für seine mal sehr detaillierten, mal abstrakteren Bilder überwiegend graue, braune, gelbe und schwarze Farbtöne.

Lieblingszitat:

„Der Berg schweigt, sagt man. Tatsächlich gibt er seine Geheimnisse nur allmählich preis.“

Dieser Satz lässt sich gleich auf zwei Ebenen deuten: Die Leistung der Bergmänner wurde lange nicht gewürdigt. Und als langwierig gestaltet sich auch die Rückgabe der Werke an ihre wahren Besitzer:innen oder deren Nachfahr:innen. Nach manchen von ihnen sucht man noch heute.

Lohnt sich das?

Wer sich ein wenig für Geschichte und Kunst interessiert, kann mit dem schmalen Comic gut unterhalten werden. Der Anfang ist zugegebenermaßen ein wenig zäh und kann durch die nicht immer chronologische Abfolge mancher Jahreszahlen und Ereignisse verwirren. Dafür liest sich der Teil um den Kunstraub spannend und enthält auch Wissenswertes über die Kunstwerke; zum Beispiel über den „Genter Altar“, der im Laufe der Jahrhunderte gleich mehrfach gestohlen und beschädigt wurde. Ein schönes Detail sind auch die Fotos am Schluss des Comics, die das harte Leben der Bergmänner um 1900 zeigen.

„Verborgen im Fels“ ist im Avant-Verlag erschienen.

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.