Der Regierungssprecher hat einen Account, der Papst und auch Lady Gaga. Wie 300 Millionen andere Nutzer finden sie Gefallen daran, sich in kurzen Tweets der Welt mitzuteilen. Während Twitter inhaltlich ein Erfolgsprojekt ist, bereitet das Unternehmen seinen Investoren Kopfzerbrechen. Es schreibt Verluste, der Aktienkurs sinkt, und in den letzten Monaten sind immer wieder Verkaufsgespräche geplatzt, die eigentlich die Anteile der Investoren versilbern sollten.

Und so werden die Forderungen nach einer alternativen Antwort auf diese wirtschaftliche Misere lauter: Alle Fans des Dienstes könnten sich auch zu einer Genossenschaft zusammenschließen, die Twitter in Zukunft betreibt. Dann würden vielleicht nicht mehr kurzfristige Profite die Entwicklung bestimmen, dafür aber umso mehr die Interessen einer weltweiten Nutzergemeinde.

Vorbild Mozilla: Kann sich die Geschichte Wiederholen?

Für einen solchen „Seitenwechsel“ gibt es ein Vorbild: der Webbrowser Netscape, heute Mozilla, war Mitte der 90er-Jahre kommerziell extrem erfolgreich. Dann kam Microsoft, koppelte den eigenen Browser Internet Explorer mit seinem Betriebssystem Windows und verdrängte den Konkurrenten. Netscape wurde allerdings nicht eingestellt, sondern nach einigem Hin und Her in eine gemeinnützige Stiftung umgewandelt. Die steht seitdem hinter dem Browser Firefox, dem Mailprogramm Thunderbird und einigen kleineren Erfolgsprojekten.

Kann sich die Geschichte wiederholen? Kann aus der gescheiterten Profitmaschine Twitter ein neues, freundliches Gegengewicht zum durchkommerzialisierten Internet werden? Auf dem Kurznachrichtendienst wird die Idee unter #WeAreTwitter diskutiert, und die Initiatoren des Plans haben eine Petition ins Netz gestellt.

Beginnend mit „Hey, Twitter“ erinnern sie die Chefs des Dienstes daran, dass es die Nutzer waren, die Twitter so groß gemacht haben. Sie entwerfen vage die Idee einer gemeinschaftlich getragenen „Kooperative“, die mit einem „fairen Deal“ Twitter übernehmen will. Und sie glauben, dass das der Anfang von etwas viel Größerem sein könnte, der Beginn einer kleinen ökonomischen Revolution. Oder in den Worten der Initiatoren: „... eine Chance, einfach mal über ein Werkzeug nachzudenken, mit dem man große Plattformen gemeinsam besitzen könnte.“

Neben begeisterten Stimmen gibt es in den sozialen Netzwerken aber auch Kritik und offene Häme: Der Blogger und Netztheoretiker Michael Seemann hinterfragt, ob sich überhaupt ein größeres Unternehmen so einfach per Crowd leiten lässt – und befürchtet, dass der Versuch im Chaos enden würde: „Ganz ehrlich? ich halte #WeAreTwitter für den sicheren tot. Twitter würde auf einen Schlag zu einer riesigen Piratenpartei werden.“ Später fügt er noch hinzu: „Ich glaube, die Leute unterschätzen die Schwierigkeit, kollektive, legitime Entscheidungen in großen Gruppen herbeizuführen.“