fluter.de: Ex-Präsident George W. Bush, die republikanischen Senatoren Bob Corker und Jeff Flake – viele warnen davor, dass Trump die Demokratie in den USA gefährdet, ja sogar das Land an den Rand eines Dritten Weltkrieges bringen könnte. Es ist eine ungewöhnlich harsche Kritik an einem US-Präsidenten aus den eigenen Reihen. Auf der anderen Seite gibt es auch viele Politiker, die schweigen oder den Machtkampf unter den Republikanern herunterspielen. Ist hier ein innerparteilicher Kleinkrieg im Gange?
„Der Konflikt kam nicht erst mit Trump. Er schwelt mindestens schon seit den Zwischenwahlen 2010, als die Tea-Party-Bewegung immer lauter wurde“
Siraj Hashmi: Absolut. Aber der Konflikt kam nicht erst mit Trump. Er schwelt mindestens schon seit den Zwischenwahlen 2010, als die Tea-Party-Bewegung immer lauter wurde. Ihre Anhänger sind mitverantwortlich dafür, dass Trump heute Präsident ist. Auch wenn Trump nicht direkt die Einstellungen der Tea-Party-Bewegung teilt, so ist er doch ein Symptom der Bewegung: der Unzufriedenheit von Leuten, die gegen den Status quo sind, die genug haben von dem „korrupten Polithabitus in Washington, D.C.“ – dem Sumpf, wie sie sagen. Trump repräsentiert für sie eine Neustrukturierung der Washingtoner Politik – das ist ein Grund, warum ihn Leute aus dem Parteiestablishment so hassen.
Bemerkenswert ist, dass sich bis dato nur jene Republikaner öffentlich gegen Trump gestellt haben, die sich nicht zur Wiederwahl aufstellen lassen. Wie viel Gewicht hat ihre Kritik überhaupt?
Ihre Aussagen bringen die Frustration auf den Punkt. Die Republikaner stellen derzeit die Mehrheit im Senat und im Abgeordnetenhaus und haben das Weiße Haus. Trotzdem schaffen sie kaum etwas. Sie sind daran gescheitert, Obamas Gesundheitsreform zu ersetzen, sie wissen nicht, wie sie mit dem Thema Einwanderung weitermachen sollen, und im Moment ist die große Baustelle die Steuerreform. Das ist für viele Wähler beunruhigend und ärgerlich zu sehen. Und der einzige Grund, warum es bis jetzt noch keine Gefahr für die Republikaner darstellt, ist meiner Meinung nach der, dass die Demokraten mit keiner überzeugenden Message punkten konnten.
Donald Trump war ursprünglich ein unabhängiger Kandidat und ist für den Präsidentschaftswahlkampf eine Zweckehe mit den Republikanern eingegangen. Rächt sich das jetzt? Wer braucht einander mehr?
Trump braucht die Republikanische Partei nicht. Als Präsident kann er per Dekret vieles erreichen. Barack Obama hat die Machtfülle des Präsidenten ausgebaut und zementiert – das kommt jetzt Trump zugute. Die Republikaner haben bis jetzt keinen Weg gefunden, Trump zu kontrollieren. Das Einzige, was ihnen bleibt, ist, mit ihm zu arbeiten.
Klingt nach einer auf Angst basierenden Zusammenarbeit.
Trump tut, was er will. Überraschend war beispielsweise, dass er versucht hat, mit den demokratischen Fraktionschefs im Abgeordnetenhaus und Senat Nancy Pelosi und Chuck Schumer einen Deal zu erreichen, was mit dem Daca-Programm weiter geschehen soll, das junge Immigranten vor der Abschiebung schützen soll [Anm. d. Red.: Später knüpfte Trump jedoch Bedingungen an einen Kompromiss; zurzeit ist unklar, was mit Daca passiert. Bis März hat der Kongress Zeit, eine Einwanderungsform zu erarbeiten]. Sosehr die Demokraten ihn hassen – auch sie wollen mit Trump zusammenarbeiten. Das ist ein großer Mentalitätswechsel im Vergleich zum Beginn seiner Amtszeit. Und die Republikaner hassen und fürchten wiederum Trumps mögliche Deals mit den Demokraten, weil gerade die zeigen, wie ineffizient sie selbst sind.
„Ich glaube, Trump spielt auf Zeit. Er will so viele etablierte Republikaner loswerden wie möglich“
Was ist Trumps Strategie?
Ich glaube, Trump spielt auf Zeit. Er will so viele etablierte Republikaner loswerden wie möglich, so dass er bei den Zwischenwahlen 2018 die Abgeordneten durch Leute ersetzen kann, die so ticken wie er selbst.
Sprechen Sie von einem Politikertypus wie Roy Moore – einem konservativen, homophoben Juristen, für den die Bibel über der amerikanischen Verfassung steht? Er hat vor kurzem die Kandidatenvorwahl bei den Republikanern in Alabama gewonnen.
Trump hat ursprünglich den Wunschkandidaten des Parteiestablishments Luther Strange unterstützt. Er musste aber einsehen, auf den Falschen gesetzt zu haben. Moore wird trotz seiner Charakterschwächen von vielen dafür geschätzt, dass er ähnliche politische Ansichten wie Trump hat und die Entscheidungen des Präsidenten mit seiner Stimme unterstützen würde. Und jeder Sieg in Washington ist für Trumps Fans ein gutes Zeichen – deshalb ist für sie jeder Kandidat, der rechts von Trump steht, unterstützenswert.
Wie groß ist Trumps Basis momentan?
Abgeleitet von aktuellen Zustimmungsraten würde ich davon ausgehen, dass 33 bis 35 Prozent der Leute in diesem Land Trump unterstützen.
Roy Moore wurde öffentlich auch von Trumps ehemaligem Chefstrategen und Leiter der Internetplattform Breitbart Steve Bannon gepusht. Wie viel Einfluss hat Bannon noch auf Trump? Insider sprechen davon, dass sich die beiden zwei- bis dreimal pro Woche hören oder sehen.
Bannon ist nach wie vor die nationalistische Stimme für diese Administration, auch wenn er offiziell kein Teil mehr von ihr ist. Er führt seinen Kampf gegen das Establishment mit Breitbart von außen weiter. Bannon und Trump stehen sich nah, weil sie die gleiche Vorstellung teilen, wie dieses Land aussehen soll.
Auch Donald Trump hält mit seiner Enttäuschung nicht hinter dem Berg, dass das republikanische Parteiestablishment im Kongress nichts zustande bringt.
Seine Kritik wirkt: Die Basis unterstützt Trump nach dem Motto „Er kann nichts falsch machen“ weiterhin. Sie ist so von ihm überzeugt, dass sie ihm fast bedingungslos die Treue hält. Aber mit einer Sache kann Trump seine Unterstützer richtig wütend machen: wenn er seine Wahlversprechen zum Thema Einwanderung bricht. Als Trump mit den Demokraten einen Deal zu Daca machen wollte, verbrannten einige Fans sogar ihre „Make America Great Again“-Caps. Das Thema Einwanderung ist auch eines der wichtigsten Spaltthemen zwischen Trump und den Republikanern. Die Republikaner sprechen von sicheren Grenzen, haben aber keine Freude an einer Mauer zwischen Mexiko und den USA.
Es scheint, dass nichts und niemand Trumps Unberechenbarkeit und raue Kommunikationsweise abschwächen kann. Wie wahrscheinlich ist ein Amtsenthebungsverfahren?
„Es gibt bei den Republikanern keinen politischen Willen für ein Amtsenthebungs-verfahren – alle würden ihre Posten verlieren“
Gleich null. Es gibt bei den Republikanern keinen politischen Willen dafür – alle würden ihre Posten verlieren. Und die Demokraten haben nicht genug Stimmen. Wir wissen natürlich nicht, was Mueller [Anm. d. Red.: Der US-Sonderermittler Robert Mueller untersucht die mögliche russische Einflussnahme auf den US-Wahlkampf] noch herausfinden wird, aber ich denke, keine der beiden Parteien hat saubere Hände in der Russland-Affäre.
Schadet Trump seine Kommunikationsweise denn?
Ja und nein. Ja deshalb, weil er sich widerspricht. Nein, weil ihn seine Basis liebt. Sie hatten noch nie einen Präsidenten, der öffentlich das ausspricht, was sie denken. Trump nutzt Twitter als direkten Kommunikationskanal wie kein anderer US-Präsident zuvor. Seine Tweets sind roh, ungefiltert. Und das verstärkt das Image, dass Trump kein „traditioneller Politiker“ ist, und erinnert sie an die Zeit, als sie sich zum ersten Mal in Trump verliebten.
Siraj Hashmi beobachtet seit Jahren die Washingtoner Politszene. Er ist Kommentator für die in konservativen politischen Kreisen angesehene Wochenzeitung „Washington Examiner“. Zuvor arbeitete er für die Website „Red Alert“, das Angebot für Millennials aus demselben Medienhaus.
Titelbild: T.J. Kirkpatrick/Redux/laif