Die meisten Menschen haben ein wenig länger gebraucht, um zu sehen, welche Bedeutung der Umgang mit Daten für alle Bereiche unseres täglichen Lebens hat – und was dabei alles schieflaufen kann. Erheblich schneller und aufmerksamer für die politische Bedeutung der Daten war der 1981 gegründete Chaos Computer Club. 

Mittlerweile ist dessen seit 1984 alljährlich stattfindende Treffen zwischen Weihnachten und Neujahr einer der wichtigsten Kongresse für Fragen der Netzpolitik und Überwachung. Die Bilanz des inzwischen 32. Chaos Communication Congress (kurz: 32C3) in Zahlen: rund 13.000 Besucher, bis zu 8.150 gleichzeitig im Kongress-WLAN angemeldete Geräte, etwa 660 Terabyte Daten, die hoch- und heruntergeladen wurden – und 150 Videos, die es ermöglichen, die Vorträge vom 32C3 auch nachträglich anzuschauen. Unser Autor war auf dem Hackerkongress dabei und empfiehlt euch diese fünf Vorträge:
 

Ein Facebook ohne Grenzen – Katharina Nocun über die Social-Media-Alternative


Man stelle sich vor, ein GMX-Nutzer könnte einem Posteo-Nutzer keine E-Mails schreiben – und einem Google-Mail-Nutzer erst recht nicht. Klingt absurd? Bei sozialen Netzwerken nehmen wir diese Einschränkung gedankenlos hin. Wer bei Facebook ist, kann von dort nicht nach draußen kommunizieren, denn er soll dort möglichst viel Zeit verbringen. Das soziale Netzwerk ist eine jener „Gated Communities“ im Internet, für die das Kongressmotto des 32C3 steht: Das Clubgelände bitte nicht verlassen!

Katharina Nocun, Ex-Piraten-Politikerin und heute bei der Kampagnenorganisation Campact, erinnert in ihrem Vortrag an eine offene Alternative, die es bereits seit ein paar Jahren gibt: Diaspora, ein soziales Netzwerk, bei dem sich auch mit Nutzern anderer Plattformen kommunizieren lässt. Auch geben Nutzer ihre Daten hier nicht einem einzigen Anbieter, der sie kontrolliert, sondern können sich selbst aussuchen, auf welchem Server („Pod“ genannt) ihre Daten gespeichert werden – man kann einen Pod sogar auf seinem eigenen Server einrichten. Das geht, weil Diaspora dezentral aufgebaut ist: Daten müssen nicht über einen zentralen Server geschickt werden, der wie eine Spinne im Netz sitzt und alles sieht und sammelt, sondern suchen sich über verschiedene Routen ihren Weg von A nach B.

Trotz dieser Vorteile hat Diaspora verhältnismäßig wenig Nutzer – weltweit sind es nur rund eine halbe Million, von denen sich im vergangenen Monat zudem nur etwa 30.000 eingeloggt haben. Wieso es aus ökonomischer Sicht so schwer ist, die Marktmacht von Facebook zu brechen, und wie sich Diaspora in Zukunft weiterentwickeln soll, darüber spricht Nocun in ihrem rund einstündigen Talk.

 

Der Staat ist nackt – Arne Semsrott über das Informationsfreiheitsgesetz



Wo in Berlin hat die Bundeswehr eigentlich die Plakate ihrer großen Werbekampagne „Mach, was wirklich zählt“ geklebt? Antwort: Vor Gymnasien, vor Unis und vor McFit-Filialen. Dass wir das wissen, verdanken wir dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG), das seit 2005 den Zugang zu Informationen des Bundes regelt. Und Initiativen wie der Webseite FragDenStaat.de, die den Dialog der Bürger mit den staatlichen Institutionen fördert und so für mehr Transparenz sorgen will. 

Arne Semsrott von der Open Knowledge Foundation (im Nebenberuf unter anderem fluter.de-Autor, auch wir wollen ja transparent bleiben) plädiert in seinem Vortrag dafür, das Informationsfreiheitsgesetz viel häufiger zu nutzen – man kann damit etwa auch erfahren, welche Lobbyisten den Wirtschaftsminister auf seiner Iranreise begleitet haben. Außerdem zeigt Semsrott, dass es nicht furchtbar kompliziert ist, Zugang zu nichtöffentlichen Daten zu bekommen. Und betont: Es kann sich lohnen – und ist sogar im Sinne von Demokratie und Bürgerrechten –, den Staat auch mal zu verklagen!

 

Hackt mein Herz – Marie Moe and Éireann Leverett über Informationssicherheit von Herzschrittmachern



Marie Moe ist 37 und trägt einen Herzschrittmacher. Die Maschine in ihrem Körper ist für sie lebensnotwendig – und zugleich eine Blackbox, denn die Hersteller geben nicht allzu viel von ihrem Innenleben preis. So wusste Moe auch lange nicht, dass ihr Herzschrittmacher über gleich zwei Drahtlosschnittstellen zur Außenwelt verfügt: hilfreich für medizinische Untersuchungen, aber eine Gefahrenquelle, wenn er beispielsweise gehackt wird.

Ein solcher Fall ist der Norwegerin Moe, die über Informationssicherheit promoviert hat, zwar bisher nicht bekannt. Aber sie möchte lieber vorher herausfinden, wie ihr Herzschrittmacher genau funktioniert, erst recht mit Blick auf mögliche Programmierfehler. Also berichtet sie auf dem 32C3, gemeinsam mit dem Sicherheitsexperten Éireann Leverett, was sie über das Gerät weiß, und ruft zur Mithilfe bei der Entschlüsselung des Codes auf – und zur Diskussion der sozialethischen Fragen, die sich in Zukunft ergeben: Wie gestalten wir als Gesellschaft den Umgang mit Programmcodes in unseren Körpern? Wie offen und zugänglich darf und muss er sein, damit wir selbstbestimmt und angstfrei leben können? Moes Vortrag macht klar: Das viel beschworene „Internet der Dinge“ stellt uns vor viel größere Herausforderungen als die Frage, ob die Kommunikation unseres Kühlschranks mit dem Milchlieferanten reibungslos funktioniert.

 

Dem Blähsprech die Luft ablassen – Martin Haase und Kai Biermann über Polit-Floskeln



„Ich habe vollstes Vertrauen, dass wir künftige Gefährdungen mit geltendem Recht und unermüdlichem Einsatz meistern werden.“ In einem der unterhaltsamsten Vorträge auf dem 32C3 werden die Floskeln und Wortbausteine der Politik einmal genauer seziert. Linguistikprofessor Martin Haase und „Zeit“-Journalist Kai Biermann, die gemeinsam auch das Neusprech-Blog betreiben, klassifizieren zunächst die Phrasen in verschiedene Kategorien, wie etwa die Pleonasmen: Der griechische Ausdruck steht für „Blähsprech“. 

Aus wie viel Blähsprech Politikerreden manchmal bestehen, zeigen die beiden, indem sie ausgewählte Reden auseinandernehmen und alle Gemeinplätze markieren. Viel Gehaltvolles bleibt oft nicht über. Außerdem machen sie darauf aufmerksam, dass Wortschablonen meinungsbildend werden können. So wie im Falle der oft verwendeten maritimen Metaphern: Eine „Flüchtlingswelle“ klingt viel bedrohlicher als „viele Flüchtlinge“ – und dann ist schnell „das Boot voll“. 

Die wichtigste Erkenntnis, die Haase und Biermann dem Publikum mit auf den Weg geben: Floskeln sind keine Lügen. Doch wer unbequeme Meinungen mit viel Sprachballast abpolstert, macht sie so watteweich, dass am Ende deutlich mehr Menschen zustimmen – und das ist gut für den Wahlkampf.

 

Einmal SecTLA für 200, bitte! – Sec/Ray: „Hacker Jeopardy: Zahlenraten für Geeks“


Bis jetzt habt ihr alles verstanden? Dann taucht zum Abschluss doch mal mit der Gameshow „Hacker Jeopardy“ so richtig tief in die Nerdkultur ein. Das Spielprinzip ist wie beim echten „Jeopardy“: Die Kandidaten bekommen Antworten vorgegeben und müssen dazu Fragen formulieren. Bloß die Kategorien sind ein bisschen anders, sie heißen beispielsweise „DNSSec“, „Options“, „Koaxials“ oder „Prompts“. Am zugänglichsten ist da noch die Aufgabe, Filmtitel anhand von Programmiercodes zu erkennen. Was ist zum Beispiel das hier?
while (eatingMcDonalds) {
  weight++;
  if (dayCount == 30) break;
}