Thema – Gender

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Wo uns Sexismus im Alltag begegnet

Mehr Geld kriegt der durchschnittliche Mann sowieso – und auch sonst ist er fast immer die Norm. Ein Überblick

Patriarchat

Kein Tastensinn

Was haben ein Smartphone und eine Klaviertastatur gemeinsam? Beide sind zu groß für eine durchschnittliche Frauenhand. Die Handspannweite einer Frau ist im Durchschnitt 10 bis 20 Prozent kleiner als die eines Mannes. Ein Unterschied, der Konsequenzen hat.

Viele Frauen kennen das Phänomen, dass sie meist zwei Hände zum Tippen brauchen und ihnen die Handys mit immer größer werdenden Displays fast aus der Hand rutschen. Das gleiche Problem haben Pianistinnen: Die Tasten liegen für kleine Hände sehr weit auseinander.

Auch bei vielen anderen Alltagsgegenständen ist der Mann die Norm – und Frauen haben Pech. Die Standardeinstellungen für Klimaanlagen zum Beispiel. Sie stammen aus den 1960er-Jahren und sind an einen 40-jährigen Mann angepasst. Für junge Frauen von heute sind die Geräte um einige Grad zu kalt eingestellt. Ihr Körper kann sich weniger gut an die Kälte anpassen, da sie in den meisten Fällen weniger Muskelmasse haben.

Es gibt viele Ungerechtigkeiten zwischen Geschlechtern, die auch nach Jahren feministischer Bestrebungen nicht geändert wurden. Produkte wie Handys oder die Bürotemperatur an die Bedürfnisse von Frauen anzupassen, scheint dabei eigentlich ein leicht lösbares Problem zu sein.

Mein Job, dein Job

Prinzipiell nichts Neues: Frauen verdienen weniger als Männer. Und Frauen arbeiten, trotz gestiegenem Anteil an Erwerbstätigen, häufig in anderen Branchen als Männer. Mehr Männer arbeiten in Deutschland im Handwerk oder Baugewerbe, mehr Frauen als Erzieherin, Bürokraft oder Verkäuferin.

Dabei scheint das eine gesellschaftlich nicht so angesehen zu sein wie das andere – was sich auch in der Lohnungleichheit zeigt. So jedenfalls eine These, die besagt, dass Arbeit je nach Geschlecht unterschiedlich bewertet und entlohnt wird. Es zeigt sich sogar: Sobald sich viele Frauen einer Branche zuwenden, sinken dort Ansehen und Gehälter. So galten Friseur und Kellner früher als angesehene Berufe, die durch die steigende Zahl von Frauen an Status verloren haben. Laut einer Studie vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sinken in einem Beruf die Löhne, sobald dort mehr als 60 Prozent Frauen arbeiten. Allerdings ist das nicht die einzige Erklärung für die Lohnungleichheit in unserer Gesellschaft, weshalb die These umstritten ist.

Übrigens gibt es auch den umgekehrten Effekt: Berufe, die früher von Frauen ausgeübt wurden und mit der Zeit männerdominierter wurden, sind in Ansehen und Entlohnung gestiegen. Zum Beispiel Programmierer. Aber auch in dieser Branche gibt es einen Gender-Pay-Gap, der sogar mit den Jahren der Berufserfahrung steigt.

Künstliche Ignoranz

Dass Bedürfnisse von Frauen nicht bedacht werden, liegt oft daran, dass sie nicht erfasst werden. Politische und wirtschaftliche Entscheidungen basieren in vielen Fällen auf Daten. Die werden aber zum einen nicht immer nach Geschlecht aufgeschlüsselt. Und zum anderen sind Datensätze voll mit Daten über Männer, während Frauen unterrepräsentiert sind.

Spracherkennungssysteme wie auf dem Handy oder in Navigationsgeräten haben daher Probleme, weibliche Stimmen zu erkennen. Warum? Die künstliche Intelligenz dahinter hat anhand von Datensätzen gelernt, zu verstehen, was gesagt wird. In diesen Datensätzen gibt es aber mehr Aufnahmen von männlichen Stimmen.

Vor einigen Jahren versuchte Amazon, künstliche Intelligenz in Bewerbungsverfahren einzusetzen. Das Ergebnis: Es wurden überproportional häufig Männer ausgewählt. Auch hier liegt der Fehler darin, dass der Algorithmus mit den Datensätzen der bisher eingestellten Bewerber*innen arbeitete – und das waren vor allem Männer. Die KI dachte, weil mehr Männer vorkommen, müssten Männer die besseren Arbeitnehmer sein.

Darüber hinaus gibt es schon lange Kritik an Gesichtserkennungssystemen, dass diese nicht nur sexistisch, sondern auch rassistisch seien. Weil die Systeme hauptsächlich mit Datensätzen weißer Menschen lernen, sind sie schlechter darin, die Gesichter Schwarzer Frauen zu erkennen. Das ist gefährlich, weil sie dadurch überdurchschnittlich häufig falsch zugeordnet und zum Beispiel für Straftäterinnen gehalten werden könnten. Ungerechtigkeiten werden so immer weiter reproduziert. Denn jeder Algorithmus ist nur so gut, wie man ihn füttert.

Der Preis ist Scheiß

Die Verbraucherzentrale Hamburg hat 2019 in einer Aktion vermeintlich zwei Produkte herausgebracht, bei beiden handelte es sich um eine Gesichtscreme. Das eine Produkt mit dem Namen „Smooth Sensation“ versprach „feuchtigkeitsspendende Pflege für ein unwiderstehlich glattes Hautgefühl“ in einer Tube mit pinkfarbenem Design. Das andere hieß „Deep Care“ und sollte „strapazierte Haut zuverlässig vor dem Austrocknen“ schützen. Die Verpackung war in Dunkelblau gestaltet.

Offensichtlich sollten mit der einen Creme Frauen und mit der anderen Männer angesprochen werden. Und es gab noch einen weiteren Unterschied: Die pinkfarbene „Smooth Sensation“ kostete 6,90 Euro, „Deep Care“ nur 4,90 Euro. In Wahrheit handelte es sich um dieselbe Creme – mit unterschiedlich gestalteter Verpackung.

Was die Verbraucherzentrale mit dieser Aktion demonstriert hat, ist in den meisten Drogerien normal: Frauen zahlen häufig mehr als das Doppelte für quasi identische Produkte in unterschiedlicher Verpackung. Dieser Aufpreis wird „Pink Tax“ oder „Gender Pricing“ genannt. Besonders hoch sind die Unterschiede bei Rasierartikeln oder Parfums.

Dass das ungerecht ist, ist eigentlich klar. Warum ändert sich nichts daran? Studien zeigen, dass Frauen bereit sind, mehr Geld für ihr Äußeres auszugeben als Männer. Der Druck auf Frauen, einem bestimmten, auch in der Werbung vermittelten Körperbild zu entsprechen, ist hoch. Und solange mit diesem Druck auf Frauen Geld verdient werden kann, scheint Gerechtigkeit in weiter Ferne.

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.