Lange Zeit war der deutsche HipHop ziemlich intensiv mit Mikroscharmützeln beschäftigt, die seine Protagonisten untereinander austrugen. Das hat sich mit dem Aufstieg der Rechtspopulisten nun geändert: Nicht nur dezidiert linke Rapper wie die Antilopen Gang oder Sookee reimen gegen rechts, sondern auch Eko Fresh, der bislang nicht unbedingt durch gesellschaftspolitische Analysen aufgefallen war, disst jetzt die AfD. Der deutsche HipHop bezieht wieder verstärkt Stellung zu gesellschaftlichen Themen. Und dass das ganz unterschiedlich klingen kann, belegen die folgenden acht Stücke.
Marsimoto „Zecken raus“
Marten Laciny, der hinter Pseudonymen wie Marteria oder Marsimoto steckt, hat mal gesagt, dass Marsimoto etwas „komplett Wahnwitziges“ sei. Mit seiner verzerrten Stimme, die wie sein Name angelehnt an Madlibs Alter Ego Quasimoto ist, ist Marsimoto auf jeden Fall besonders. Das zeigt sich auch in seinen Rollenprosa-Raps. So schlüpft er schon mal in die Rolle eines ausgesetzten Hundes, eines Pinguins oder einer Zecke wie in „Zecken raus“. Da spielt Marsimoto clever mit dem häufig im rechtsextremen Spektrum benutzten Begriff „Zecke“ für Linksautonome und verkehrt ihn ins Gegenteil. So ist es die Zecke, die durch den Wald marschiert und „Gottesanbeter und Wildschweine raus“ brüllt – eines der originellsten Statements, die der deutsche HipHop zum derzeitigen gesellschaftlichen Klima zu bieten hat.
Antilopen Gang „Beate Zschäpe hört U2“
Dass bei den Terroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ Alben von U2 gefunden wurden, überrascht. War aber leider so. Mit „Beate Zschäpe hört U2“ beweist die Antilopen Gang, dass im HipHop nicht nur Gesellschaftskritik steckt, sondern manchmal auch ganz schön viel Philosophie. Der Titel verweist im Grunde implizit auf die berühmte These der Philosophin Hannah Arendt, dass das Böse banal ist. Fazit: ein Track, der darauf aufmerksam macht, wie schnell sich rechtsradikale- und rechtsextreme Ideologien ausbreiten und hinter einer biederen Fassade verstecken können.
Sookee „Hüpfburg“
Wenn es um politischen Rap geht, darf ihr Name nicht fehlen: Sookee hat sich mit ihrer Musik schon immer gegen Homophobie, Sexismus und Rassismus engagiert. Und sie tut es auch auf ihrem neuen Album „Mortem und Makeup“. Gleich das erste Stück „Q1“ ist ein politischer Rundumschlag, in dem die Rapperin aus Berlin den Rechtsruck und die Flüchtlingsdebatte thematisiert. In „Hüpfburg“ erzählt sie aus der Sicht eines Kindes, das in einer Neonazi-Familie aufwächst. Durch diese kindliche Perspektive werden die Widersprüche deutlich: auf der einen Seite die Ideologisierung durch die Eltern, auf der anderen die Bedürfnisse des Kindes. Denn das möchte eigentlich nur mit seinem Freund Yüksel spielen – und darf es nicht.
Chefket „Wir“
Auf Chefkets jüngstem Album „Nachtmensch“ geht es zwar viel ums Feiern, die Liebe und darum, dass er der glücklichste Rapper der Welt ist. Doch auch gesellschaftliche Entwicklungen behält Chefket sehr genau im Blick. Das beweist er mit dem Stück „Wir“: Er macht klar, dass es immer noch eine Kluft zwischen den Menschen gibt, die von Vorurteilen und Stereotypen geprägt ist. Und Chefket betont in seinem Song, dass es gar nicht viel braucht, um diese zu überwinden: nämlich einfach mal zu den Menschen hingehen, mit ihnen sprechen und sie kennenlernen.
Fatoni & Dexter „32 Grad“
„Ich bin Gast in diesem Land / Ich kam hier an mit meinem Pass in meiner Hand / Meine Haut ist an vielen Stellen verbrannt.“ Wer angesichts dieser Zeilen im ersten Moment an Flüchtlinge denkt, liegt leider genau falsch – und das ist wiederum genau richtig. Denn die nächste Zeile „Ich hab die Sonnencreme vergessen / doch liege ständig am Strand“ wirkt erst dadurch so absurd und verstörend. Der Münchner Rapper Fatoni nimmt sich in „32 Grad“ bitterböse all jene vor, die sich nicht nur für die Situation von Flüchtlingen nicht interessieren, sondern sie sogar ganz bewusst ausblenden. „DJ, mach das Lied mal laut / Weil diese Schreie da draußen den Appetit versauen / Es heißt ,All you can eat‘ und genau das werd ich tun.“ Bei diesen Zeilen kann einem eigentlich nur schlecht werden.
OK Kid „Gute Menschen“
2015 wurde „Gutmensch“ zum Unwort des Jahres gekürt. Mit dieser Bezeichnung sollten all jene beschimpft werden, die sich für Flüchtlinge engagieren. Darauf spielt der Titel „Gute Menschen“ an, wobei OK Kid aus Gießen ihm eine neue Bedeutung geben. Denn jetzt geht es um diejenigen, deren Leben von Doppelmoral und Verlogenheit zersetzt ist: „Niemand schiebt hier irgendjemand ab / Alle lieben Aydin Döner – beste Soße der Stadt / Ich weiß nicht, was ihr habt / Ich sehe nur gute Menschen, die nichts Böses wollen.“ OK Kid greifen das Thema Fremdenhass sowohl in ihrem Text als auch im dazugehörigen Video in eindringlicher Weise auf. Mögen sie vorher auch wenig politisch mit ihrer Musik gewesen sein – hiermit haben sie ein deutliches Zeichen gesetzt.
Ebow „Asyl“
2015 sorgte das Foto des toten dreijährigen Aylan Kurdi an einem türkischen Strand für weltweites Entsetzen. Fast zwei Jahre sind seitdem vergangen. Dass im Mittelmeer immer noch Menschen ertrinken, daran erinnert die Rapperin Ebow aus München mit ihrer Single, die Anfang des Jahres erschienen ist: „Salem Aleikum, Brüder und Schwestern, viele können nicht hier sein im wilden, wilden Westen, einer ging verloren, einer kam nie an.“ Gleichzeitig macht sie noch mal bewusst, was das lateinische Wort Asylum eigentlich bedeutet: sicher, unberaubt. Ebow, die in vielen ihrer Texte Sozialkritik verpackt, prangert jedoch nicht allein die Abschottung an, sie entlarvt auch Egoismus und Überheblichkeit der westlichen Welt, die sich für etwas Besseres halte. „Lern endlich die Sprache/ werd endlich ein Sklave/ vergiss deine Werte/ mach Geld oder sterbe.“
Megaloh „Wohin“
Gegen die Bezeichnung politischer Rapper würde sich Megaloh wohl wehren – zumindest sagte er in einem Interview, dass er sich selbst nicht so etikettieren würde. Doch spätestens seit seinem Album „Regenmacher“ ist klar, dass der Rapper aus Berlin zu den reflektierten Stimmen im deutschen HipHop zählt. Auf seinem Album setzt er sich mit seiner niederländisch-nigerianischen Abstammung und der Situation von Geflüchteten auseinander. In „Wohin“ nimmt er die Perspektive eines Geflüchteten ein und macht deutlich, wie verloren Menschen sein können: „Sie sagen ich bin illegal hier / Ich habe kein Recht / Ich such nur nen Platz, um zu leben / Ich habe kein Recht.“ Damit lässt er eine Stimme erklingen, die oftmals überhört wird.
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