Herr Cudjoe, Sie sind für die Privatisierung der Wasserversorgung. Andere sagen, freier Zugang zu Wasser sei ein Menschenrecht. Wer hat recht?

Wenn kostenloser Zugang zu Wasser als Menschenrecht gilt – warum gehen wir dann nicht einfach los, suchen uns Wasser und trinken es, es ist ja kostenlos?

Na ja, weil man danach graben, es filtern und dann transportieren muss.

Man könnte auch sagen: weil man in die Wasserversorgung investieren muss. 

Investieren kann auch die Regierung.

In den meisten Fällen, in denen Regierun-gen diesbezüglich aktiv wurden, haben sie ihre Inkompetenz bewiesen. Nehmen Sie Ghana. In der Hauptstadt Accra haben nach offiziellen Angaben 79 Prozent der Menschen Zugang zur Wasserversorgung. Das heißt aber nur, dass sie Zugang zu einer Wasserleitung haben. Damit ist noch nicht gesagt, dass Wasser durch diese Leitungen fließt. 

Aber auch nicht, dass keines fließt.

Dazu etwas aus meinem Leben: Ich bin vor einem Jahr in eine neue Wohnung gezogen, mitten in Accra. Mein Vermieter sagte mir, dass es Leitungen und Wanne in der Wohnung gibt, aber kein fließendes Wasser. Und zwar seit sechs Monaten nicht. Die Wasserrechnungen wurden aber trotzdem zugestellt. Beim Wasserwerk sagte man mir, dass ich Wasser haben könnte, wenn ich neun Monate im Voraus bezahle. Das Wasserwerk ist ein staatliches Unternehmen, wir sollten Wasser bezahlen, das wir nicht bekommen, aber laut Rechnung verbraucht haben!

Wo ist das Wasser geblieben?

Keine Ahnung. Viel Wasser in Ghana geht durch schlechte Leitungen verloren, wird gestohlen oder illegal weiterverkauft.

Und Privatisierung kann das ändern?

Es könnte Menschenleben retten. Weil mehr Menschen an die Wasserversorgung angeschlossen werden würden. Außerdem könnte man damit eine Preisdifferenzierung verbinden. Wer in wohlhabenden Stadtteilen lebt, müsste mehr bezahlen.

Also ist Privatisierung super. 

Ich sage nicht, dass der Privatisierungsprozess immer reibungslos funktioniert. Er kann in-transparent und mit Korruption verbunden sein – bei Wasser genauso wie in anderen Bereichen. 

Privatisierungsgegner fürchten zudem, dass Privatisierung zur Abhängigkeit von internationalen Konzernen führt, denen es nur um ihren Profit geht. 

Wenn jemand investiert, ist Profit sein Ziel, das ist eben Kapitalismus. Aber auch internationale Wasserkonzerne können ihre Preise staffeln, Rücksicht auf ärmere Menschen nehmen. Außerdem möchte ich dagegenfrage: War es im nationalen Interesse, dass die Regierungen in den vergangenen fünfzig Jahren daran gescheitert sind, alle mit Wasser zu versorgen? War es im nationalen Interesse, dass es der Regierung nicht wichtig war, die Verschwendung von Wasser zu stoppen? 

Also Privatisierung ohne Grenzen?

Absolut nicht! Es müssen die Interessen der Menschen im Auge behalten werden, damit wir nicht von den Großkonzernen ausgenommen werden. Regulierung muss sein. 

Wie sollen Regierungen, die zu schwach und ineffizient sind, um die Wasserversorgung sicherzustellen, eine Privatisierung regulieren können? 

Gleichgültig, wie ineffektiv eine Regierung sein mag – regulieren kann sie. Genauso wie Steuern erheben. Und wenn es das Einzige ist, was funktioniert. 

Das im Januar 2007 gegründete „Afrikanische Wassernetzwerk“ beschuldigt internationale Wasserversorger, nur auf Profit zu achten, aber nichts für die Ver-besserung der Wasserversorgung zu tun. Warum denken die nicht wie Sie?

Wir müssen Emotionen hier von den Fakten trennen! Mir tun meine afrikanischen Mitbürger leid, die auf diesen Zug aufspringen. Da breitet sich die Mentalität westlicher NGOs aus, die an unserer Rückständigkeit interessiert sind. Sie sagen uns: „Bewahrt eure natürlichen Ressourcen.“ Dabei hat der Westen selbst von Privatisierungen profitiert, seine eigenen natürlichen Ressourcen ausgebeutet und so den Stand erreicht, den er heute hat. Sie sagen uns also gleichzeitig: Nehmt nicht am modernen Leben teil! 

Gibt es denn inzwischen Wasser in Ihrer Wohnung?

Nein. Wir kaufen es immer noch in kleinen Kanistern von privaten Wasserverkäufern. Aber die Wasserversorgung in Accra wird gerade privatisiert. 

Sie haben also Hoffnung, bald einfach den Hahn aufdrehen zu können.

Oh, ja. Die habe ich. 

Franklin Cudjoe, 31, leitet den ghanaischen Think Tank Imani und ist Co-Autor von Water Revolution: Practical Solutions to Water Scarcity. Er lebt mit seiner Frau in Accra und trinkt täglich bis zu 4,5 Liter Wasser.