Bastian Blum, 35, klingt nicht wie ein Irrer: Er wägt ab, relativiert und warnt vor Alarmismus. Und er sieht ein, dass man in Deutschland sehr sicher lebt. Trotzdem klingt es für viele irre, was er tut. Blum ist führendes Mitglied bei der „Prepper Gemeinschaft Deutschland“, seine Funktion nennt er „Tactics Specialist“.

Das Wort „Prepper“ kommt von „to be prepared“, vorbereitet sein. Überflutungen, Pandemien, Erdbeben, Konflikte, Chemieunfälle, Meteoriteneinschläge – Prepper rechnen ständig mit der Katastrophe. Mit Survivaltraining, Hamsterkäufen und Diskussionen wappnen sie sich für den Ernstfall.

Die meisten Prepper gibt es in den USA, dem Mutterland der Vorsorger. Verlässliche Zahlen, wie viele in Deutschland Prepper sind, gibt es nicht. Laut Blum sorgen fast eine Million Deutsche vor.

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Foto: Heinrich Holtgreve (Heinrich Holtgreve)

Den Rucksack, den er packt, hat er immer griffbereit – entweder in der Wohnung oder im Auto. Er nenn das sein „everyday carry“

(Heinrich Holtgreve)

fluter.de: Eine dieser Herausforderungen, auf die Sie sich laut Ihrer Webseite vorbereiten, heißt „Überleben im Winter“. Wie überlebt man im Winter? Ich würde meinen: Man geht nach Hause und macht die Heizung an. Zumal wenn der Winter so mild ist wie dieser.

Bastian Blum: Und was passiert, wenn über einen längeren Zeitraum der Strom ausfällt?

Sagen Sie es uns.

Bei null Grad kann es in der Wohnung schon nach ein paar Stunden kritisch werden, wenn das Gas ausbleibt oder der Strom ausfällt und die Heizung nicht mehr funktioniert. Wir diskutieren: Wie hält man sich dann warm?

Und?

In der Prepper-Szene werden schwere Wolldecken bevorzugt. Das Zweite sind Teelichtheizungen. Ein Teelicht hat ungefähr 35 Watt Energieleistung. Eine Teelichtheizung bindet die abgestrahlte Energie. Daran kann man die Hände wärmen oder Getränke erhitzen.

Machen wir es konkret. Beunruhigt Sie der Konflikt in der Ukraine?

Wir machen uns Gedanken über mögliche Folgen. Zum Beispiel: Was passiert, wenn der Gaspreis steigt?

Anderes Beispiel: Ebola.

Bei Ebola haben wir mit zwei Mann die Nachrichten im Auge behalten. Und diskutiert, was wir tun, falls Ebola hier ausbricht. Wie man sich mit Desinfektionsmitteln, Masken und Handschuhen schützen kann.

Epidemien, Kriege, Terrorismus. Es lauern ja überall Gefahren. Leben Prepper in ständiger Angst?

Man tauscht sich zwar viel über Gefahren aus, aber man hat nicht mehr Angst. Im Gegenteil. Man lebt leichter. Wenn man vorbereitet ist, dann genießt man sein Leben.

Ihre Frau macht das alles mit?

Meine Frau weiß genau, was ich da mache und was wo ist. Die Bevorratung nimmt sehr viel Platz im Keller weg.

Was lagern Sie denn im Keller?

Verschiedenste Nahrungsmittel, die lange haltbar sind. Wasser, Wasserfilter. Toilettenpapier, Hygieneartikel, Zahnpasta, Zahnbürsten, Seifen, Desinfektionsmittel, Erste-Hilfe-Material,  Medikamente, fiebersenkende Mittel, Kohletabletten, Schmerzmittel. Decken. Verschiedene Kerzen. Batterien, Akkus, Ladegeräte. Ein Kurbelradio, damit man immer weiß, was los ist. Transportrucksäcke, damit man fliehen kann. Stabile Kleidung, Seile, Messer, eine Armbrust.

Was sagen Sie, wenn man Ihnen vorwirft, dass Sie übertreiben?

Dann stellt sich in Gesprächen oft raus, dass es sinnvoll ist, was ich tue. Und dass es eher peinlich ist, wenn man sich noch gar nicht damit befasst hat, was alles passieren kann.

Sie empfinden diejenigen, die nicht vorsorgen, als leichtsinnig.

Ich persönlich nicht, andere mit Sicherheit. Es ist letztendlich die Entscheidung des Einzelnen und oft auch eine Frage des Geldes.

In Amerika haben viele Prepper Waffen, um sich zu verteidigen. Betrachten Sie das als problematisch?

Verteidigung spielt für Prepper eine große Rolle. Weil es im Notfall Menschen geben wird, die in Chaos verfallen. Aufgrund der Gesetze in Deutschland ist es nicht möglich, sich stark zu bewaffnen. Was auch gut ist. In den USA rüsten sich Prepper hoch. Immer mit der Angst, dass der andere besser bewaffnet ist als man selber. Da gibt es Prepper mit 10, 15 Sturmgewehren, 20 Pistolen. 20.000 bis 40.000 Schuss Munition. Das sehe ich kritisch.

Sie selbst haben ja die Armbrust.

Die ist für den Notfall, wenn ich mal rausmuss zum Jagen oder ein Seil über einen Fluss schießen will.

Warum betreiben Prepper eigentlich privaten Katastrophenschutz? Sie könnten sich ja stattdessen bei der Feuerwehr oder dem THW für die Allgemeinheit engagieren.

Das machen ja viele Prepper zusätzlich. Bei mir ist es eine Frage der Prioritäten. Mir ist in erster Linie wichtig, meine Familie zu beschützen. Wenn ich im Katastrophenfall für  eine  Behörde oder Organisation  unterwegs bin, kann mir niemand garantieren, dass sich jemand währenddessen um meine Familie kümmert.

Auf Ihrer Internetseite distanzieren Sie sich von politisch Radikalen. Besteht die Gefahr der Unterwanderung?

Leider Gottes ja. Es gibt einige Radikale, Gesellschaftsfeinde, die sind enttäuscht von der Politik oder ihrem eigenen Leben, und solche Menschen beschäftigen sich auch mit dem Thema Prepper. Man erkennt sie schnell an ihren Formulierungen. Wir wollen offen sein für Menschen jedweder Herkunft, jedweder Religion. Ich bin davon überzeugt, dass man große Krisen nur friedlich, weitsichtig und  gemeinsam meistern kann.

Wenn man sich ständig auf den Notfall vorbereitet, fängt man dann irgendwann an zu hoffen, dass er eintritt?

Es wird Prepper geben, die sich das wünschen, die jungen, die unerfahrenen. Ich nicht. Denn wenn man weiß, was man zu verlieren hat, dann will man es auch nicht verlieren und wünscht sich auch keinen Eintritt einer Krisensituation.

Felix Dachsel, 28, studiert am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Er hat das Gefühl, weder auf die kleinen (Steuererklärung) noch auf die großen Katastrophen des Lebens (Hochwasser) gut vorbereitet zu sein.