Sie ist sechs Millimeter klein und trotzdem eines der gefährlichsten Tiere der Welt – die Anopheles-Mücke. Das schmächtige Insekt überträgt Malaria und ist somit indirekt für den Tod von über 400.000 Menschen im Jahr verantwortlich. Forscher glauben nun, die Mücke bald so verändern zu können, dass sie ungefährlich für Menschen wird.

Die neue Art der Genmanipulation, mit der das gelingen könnte, heißt „Gene Drive“, was in etwa so viel wie „Gen- Antrieb“ bedeutet. Der Ansatz macht momentan viel von sich reden, denn er untergräbt im Prinzip die aus dem Biologieunterricht bekannten Mendel’schen Vererbungsregeln. Und die besagen: Bei der geschlechtlichen Fortpflanzung haben die Gene beider Elternteile die Chance, an die Nachkommen vererbt zu werden. Es gibt also mehrere Möglichkeiten. Bei der „Gene Drive“-Methode werden diese Möglichkeiten jedoch eingeschränkt. Sie führt nämlich dazu, dass ein manipuliertes Gen in so gut wie jedem Fall vererbt und an alle nachfolgenden Generationen weitergegeben wird. Daraus folgt, dass früher oder später der Großteil oder sogar die gesamte Population einer Spezies das Gen in sich trägt. So könnten zum Beispiel Anopheles-Mücken geschaffen werden, die Malaria nicht mehr übertragen können, weil die dafür verantwortlichen Gene verändert wurden.

Die Idee ist an sich nicht neu – doch ist die Umsetzung der Methode in großem Stil erst möglich, seit mit der sogenannten CRISPR/-Cas-Methode (siehe auch Heft-pdf Seite 40) Abschnitte im Genom präzise herausgetrennt und ersetzt werden können. Laborexperimente an Fruchtfliegen, Hefe und Moskitos sind schon gelaufen.

„Manipuliere einen Organismus im Labor, lass ihn frei, warte genügend Generationen ab, und die gesamte Spezies wird manipuliert sein“, beschreibt der Biochemiker Kevin Esvelt vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) die Methode. Der 33-Jährige hat „Gene Drive“ mitentwickelt und leitet am MIT eine Forschungsgruppe mit dem vielsagenden Namen „Sculpting Evolution“ – die Evolution formen.

Der Name ist Programm, denn „Gene Drive“ spornt Wissenschaftler in aller Welt zur Forschung an und weckt große Hoffnungen: Plötzlich ist nicht nur vom Ende der Malaria die Rede, sondern von der wirksamen Bekämpfung des Denguefiebers, des Zika-Virus oder vom Ende der in Europa durch Zecken verbreiteten Lyme-Borreliose. In Australien könnten die von Menschenhand manipulierten Gene die Ausbreitung der eingeschleppten Aga-Kröte stoppen, die dem Ökosystem dort zu schaffen macht.

„Gene Drive“ weckt aber auch Ängste. Denn welche Folgen die Erbgutveränderung einer ganzen Spezies auf die Umwelt haben könnte, ist nicht klar. Ist eine Veränderung von Millionen Anopheles-Mücken tatsächlich ungefährlich? Könnten die veränderten Gene sich nicht auch auf andere Arten ausbreiten? Und was ist, wenn die Methode umgekehrt wird und Krankheitserreger verbreitet werden?

Gewissheiten gibt es in der schönen neuen Welt des „Gene Drive“ kaum. Oder zumindest: noch nicht genug. Ein hochrangiges Wissenschaftskomitee forderte deshalb nun in den USA, dass vor einer Anwendung der neuen Methode außerhalb des Labors noch viel geforscht werden müsse. Und MIT-Forscher Esvelt ist intensiv darum bemüht, eine öffentliche Debatte darüber anzustoßen, wie in Zukunft mit der Methode umgegangen werden soll. Im renommierten Wissenschaftsmagazin „Nature“ fordert er deshalb, in Bezug auf „Gene Drive“ einen offenen Forschungsansatz zu verfolgen: Weil die Methode so weitreichende Eingriffe ermögliche, hätten Wissenschaftler, die daran forschen, die „Verpflichtung, ihre Pläne offen zu teilen“ und die Ergebnisse frühestmöglich zu veröffentlichen. Esvelt will seinen Teil dazu beitragen und hat das Onlineportal „Responsive Science“ gegründet, auf dem er einen solch offenen Austausch über „Gene Drive“ etablieren will.