Nach heutigen Vorstellungen wäre die Anlage in der flirrenden Wüstenhitze ein Unheil verheißender Ort: ein Dreieck mit 300 Metern Kantenlänge, im Boden eingelassen das zackige Logo, das Gefahr für Mensch und Umwelt anzeigt, darauf drei Obelisken, die mahnend in den Himmel ragen. Schon auf mehrere Kilometer Entfernung würden diese Steinsäulen mit Inschriften in Englisch, Chinesisch, Spanisch und den anderen Weltsprachen der UNO warnen, dass hier Krankheit und Tod drohen. Das wäre unmissverständlich – zumindest für die Menschen der Gegenwart. Wie aber würden die Nachfahren der Menschheit in Zehntausenden von Jahren dieses Bauwerk verstehen? Als abschreckenden Hinweis? Oder vielleicht doch eher als Einladung, hier mal nach längst vergessenen Schätzen zu graben?

Letzteres wäre fatal. Denn das gigantische Mahnmal in der Wüste soll intelligente Lebewesen in ferner Zukunft vor dem hochradioaktiven Atommüll warnen, der darunter vergraben ist. Die Anlage ist die Idee einer Gruppe von Forschern, die sich Anfang der 1980er-Jahre im Auftrag der US-Regierung Gedanken darüber gemacht haben, wie man eigentlich unsere Nachfahren über die Hinterlassenschaften von Kernkraftwerken und Atombombentests informiert – also hochradioaktiven Müll, den wir seit Jahrzehnten bergeweise produzieren. Denn dieser Atommüll strahlt für lange Zeit tödlich radioaktiv. Sehr lange sogar. Plutonium-239 hat eine Halbwertszeit von 24.110 Jahren – danach ist also gerade mal die Hälfte der Strahlung abgeklungen. Das sind, zumindest nach heutigen Lebensspannen, rund 800 Generationen. Jod-129 kommt sogar auf fast 16 Millionen Jahre.

Das sind Zeiträume, die die menschliche Vorstellungskraft sprengen. Doch der Fairness halber sollten auch die Lebewesen, die in 24.000 Jahren die Erde bevölkern, noch über die atomare Gefahr Bescheid wissen. Es gab allerdings in der menschlichen Geschichte noch nie etwas, das einen derart langen Zeitraum überdauert hat. Zum Vergleich: Die Hieroglyphen der alten Ägypter, die zu den ältesten Schriftsystemen der Menschheit gehören, waren vor nicht mal 5.000 Jahren aktuell – heute jedoch versteht nur noch eine Handvoll Spezialisten, was uns die ägyptischen Schriftgelehrten sagen wollten. Und die Hieroglyphen-Warnungen vom angeblichen Fluch der Pharaonen haben kaum je einen Grabräuber oder Archäologen davon abgehalten, mal in den Pyramiden nachzusehen, ob sich da nicht etwas holen lässt.

In 16 Millionen Jahren – oder auch nur in 1.000 oder 10.000 Jahren – könnten Naturkatastrophen die Erde grundlegend verändert haben, doch auch die Menschen werden sich weiterentwickelt haben. Sie sind dann vielleicht so verschieden von uns wie wir von Neandertalern. Welche Sprachen werden diese Wesen dann sprechen, welche Form von Schriftzeichen werden sie verwenden? Werden sie überhaupt welche verwenden? Wie werden sie dann unsere Warnbotschaften verstehen? Das alles ist quasi unmöglich vorherzusagen. Trotzdem tüfteln Experten rund um die Welt an Kommunikationssystemen, die vor dem fast ewig strahlenden Müll warnen. Zwar schlugen einige Atomsemiotiker vor, die Endlager am besten gar nicht zu kennzeichnen. Die meisten Experten aber sind sich einig, dass wir glaubhafte Warnbotschaften in die Zukunft senden müssen. „Keine Kultur hat je bewusst und wissenschaftlich fundiert versucht, ein Symbol zu entwerfen, das 10.000 Jahre überdauert und immer noch verständlich ist“, gibt der US-Anthropologe David B. Givens zu bedenken, der selbst an solchen Warnsystemen werkelt.

Wehrhafte Wälle mit Totenköpfen

Dabei gibt es vor allem zwei Ansätze. Die eine Schule setzt zur dauerhaften Abschreckung auf massive Bauten mit wehrhaften Wällen. Darauf warnen comichafte Darstellungen oder Totenköpfe vor dem Strahlentod. Während diese Bollwerke abseits stehen sollen, pocht die andere Schule darauf, dass die Endlager möglichst in die Gesellschaft integriert werden. Nur so könnten die Informationen darüber, wie gefährlich diese Orte sind, von Generation zu Generation weitergereicht werden. Dabei sollten Regierungsbeiräte und Kommissionen über die Gefahren wachen und Warnungen oder Betriebsanleitungen regelmäßig in neue Sprachen übersetzen lassen. Schließlich zerfallen Informationen im Laufe der Zeit, ganz ähnlich wie radioaktive Stoffe.

Den vielleicht radikalsten Ansatz schlug der US-amerikanische Semiotikprofessor Thomas Sebeok vor: Er fabulierte Anfang der 1980er von einer „Atompriesterschaft“, die ihre Mitglieder unter den besten Wissenschaftlern ihrer Zeit selbst auswählt. Die Mitglieder dieser Kaste sollten das Wissen um die reale Gefahr intern weitergeben – und nach außen Gruselgeschichten darüber verbreiten, unterfüttert von Mythen und ausgedachten Ritualen. So sollen die Menschen per Aberglauben vom Müll ferngehalten werden.